Freitag, 26. Oktober 2018

Freier und unfreier Wille

Einige Gedanken von Heinrich Bullinger zum freien und unfreien Willen (Heinrich Bullinger war der Nachfolger von Zwingli, dem Reformator von Zürich):


„Denn der Verstand ist verdunkelt, aus dem freien Willen aber ist ein dienstbarer Wille geworden. Denn er dient der Sünde nicht unfreiwillig, sondern freiwillig. Darum redet man auch von Freiwilligkeit und nicht von Unfreiwilligkeit. Was also das Böse oder die Sünde angeht, so wird der Mensch weder von Gott noch vom Teufel dazu gezwungen, sondern er begeht das Böse aus eigenem Antrieb und hat allerdings in dieser Hinsicht allerfreisten Willen! Wenn wir allerdings nicht selten beobachten, dass die ärgsten Taten und Pläne der Menschen von Gott verhindert werden, so dass sie ihren Zweck nicht erreichen, so nimmt er doch dem Menschen die Freiheit im Bösen nicht, sondern Gott kommt mit seiner Macht dem zuvor, was der Mensch mit seinem ‚freien Willen‘ anders geplant hat, so wie sich die Brüder Josephs vornehmen, den Josef zu töten, es aber nicht können ,weil durch Gottes Ratschluss etwas anderes beschlossen war. Was aber das Gute und die Tugenden betrifft, so beurteilt der Verstand des Menschen die göttlichen Dinge aus sich selbst nicht recht. Die Evangelien und die apostolischen Schriften fordern von einem jeglichen unter uns die Wiedergeburt, wenn wir selig werden wollen. Daher trägt die erste Geburt von Adam her nichts zu unserer Seligkeit bei. Paulus sagt: ‚Ein natürlicher Mensch aber nimmt die Dinge, die des Geistes Gottes sind, nicht an‘ usw. (1. Kor. 2,14). Ebenso sagt er, dass wir nicht geschickt seien, aus uns selbst etwas Gutes zu denken (2. Kor. 3,5). Gewiss ist der Geist oder Verstand der Führer des Willens; aber wenn der Führer blind ist, kann man sich ja denken, wohin auch der Wille gelangt. Darum gibt es für den noch nicht wiedergeborenen Menschen keinen freien Willen zum Guten und auch keine Kraft, das Gute zu vollbringen. Der Herr sagt im Evangelium: ‚Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der Sünde tut, ist der Sünde Knecht‘ (Joh. 8,34). Und der Apostel Paulus spricht: ‚Das Trachten des Fleisches ist Feindschaft wider Gott; denn es unterwirft sich dem Gesetz Gottes nicht; es vermag das ja auch nicht?‘ (Röm. 8,7). In den irdischen Dingen ist der Mensch wohl trotz seinem Fall nicht ohne Verstand. Denn Gott hat ihm aus Barmherzigkeit natürliche geistige Fähigkeiten gelassen, die allerdings weit geringer sind, als was er vor dem Falle besass. Gott befiehlt auch, dass man diese übe und pflege und gibt dazu die Gaben und das Gedeihen. Und es ist offenbar, dass wir in allen Künsten nichts erreichen ohne den Segen Gottes. Die Heilige Schrift führt bestimmt alle Künste auf Gott zurück. Übrigens schreiben sogar die Heiden den Ursprung der Künste der Erfindung der Götter zu.
Endlich ist zu untersuchen, ob und inwiefern die Wiedergeborenen einen freien Willen haben. Bei der Wiedergeburt wird der Verstand erleuchtet, durch den Heiligen Geist, so dass er die Geheimnisse und den Willen Gottes erkennt. Und der Wille selbst wird durch den Geist nicht bloss verändert, sondern er wird auch mit den Fähigkeiten ausgerüstet, dass er aus innerem Antrieb das Gute will und es ausführen kann (Röm 8,1 ff.). Würden wir das nicht zugeben, so müssten wir die christliche Freiheit leugnen und die Knechtschaft des Gesetzes einführen. Aber Gott spricht auch durch den Propheten: ‚Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und es ihnen ins Herz schreiben‘ (Jer. 31,33; Ez. 36,26f.). Und der Herr sagt im Evangelium: ‚Wenn nun der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein? (Joh. 8,36). Auch Paulus schreibt an die Philipper: ‚Denn euch wurde verliehen, nicht nur an Christus zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden? (Phil. 1,29). Und wiederum: Ich vertraue … darauf, dass der, welcher in euch ein so gutes Werk angefangen hat, es vollenden wird bis zum Tage Christi Jesu‘ (Phil. 1,6). Ferner: ‚Denn Gott ist es, der in euch sowohl das Wollen als das Vollbringen wirkt‘ (Phil. 2,13).
Dabei lernen wir, sei zweierlei zu beachten. Erstens: Die Wiedergeborenen handeln bei der Entscheidung für das Gute und beim Tun des Guten nicht nur als Geschobene, sondern selbsttätig. Sie werden nämlich von Gott getrieben, dass sie selber tun, was sie tun.
Augustin führt daher mit Recht jene Wahrheit an, dass Gott unser Helfer sei. Man kann aber nur einem helfen, der selber etwas tut. Die Manichäer berauben den Menschen jeder Selbsttätigkeit und machten ihn sozusagen zu Stock und Stein. Zweitens: In den Wiedergeborenen bleibt Schwachheit zurück. Denn da die Sünde in uns wohnt und das Fleisch in den Wiedergeborenen bis ans Ende unseres Lebens dem Geiste widerstreitet, vermögen sie nicht völlig zu erreichen, was sie sich vorgenommen haben. Das wird vom Apostel Paulus in Röm. 7 und Gal. 5 bestätigt. Deshalb ist dieser unser freier Wille wegen der Überreste des uns bis ans Ende anhaftenden alten Adams und der angeborenen menschlichen Verderbnis immer schwach. Da nun die Triebe des Fleisches und die Überreste des alten Menschen immerhin nicht so wirksam sind, dass sie das Wirken des Geistes ganz auslöschen, so können deshalb die Gläubigen frei genannt werden, jedoch so, dass sie ihre Schwachheit wohl kennen und sich keineswegs des freien Willens rühmen. Die Gläubigen sollen nämlich stets das Apostelwort beherzigen, das der selige Augustin so oft anführt: ‚Was hast du aber, das du nicht empfangen hast? Hast du es aber doch empfangen, was rühmst du dich, als ob du es nicht empfangen hättest?‘ (1. Kor. 4,7). Dazu kommt, dass nicht immer das geschieht, was wir uns vorgenommen haben. Der Ausgang der Dinge liegt eben in Gottes Hand. Daher bittet Paulus den Herrn, dass er Gelingen zu seiner Reise gebe (Röm. 1,10). Daraus ist auch ersichtlich, wie schwach der freie Wille sei.
Übrigens leugnet niemand, dass in äusseren Dingen Wiedergeborene und Nichtwiedergeborene freien Willen haben. Diese Anlage hat der Mensch mit dem anderen Lebewesen gemein – ist er doch nicht niedriger als sie! – , so dass er das eine will, das andere nicht will. So kann er reden oder schweigen, von zu Hause weggehen oder daheim bleiben usw. doch ist auch hier Gottes Macht zu beachten, die bewirkt, dass Bileam nicht dahin gelangen konnte, wohin er wollte (4. Mose 24), und Zacharias beim Verlassen des Tempels nicht zu reden vermochte, wie er wollte (Luk 1). In dieser Hinsicht lehnen wir die Lehre der Manichäer ab, die leugnen, dass der Ursprung des Bösen aus dem freien Willen des gut geschaffenen Menschen gekommen sei. Wir verwerfen auch die Meinung der Pelagianer, die sagen, der gefallene Mensch habe genügend freien Willen, das gebotene Gute zu tun. Beide werden von der Heiligen Schrift widerlegt:
Denn den Manichäern wird gesagt: ‚Gott hat den Menschen gut geschaffen‘ (1. Mose 1,27; Pred. 7, 29, 30) und den Pelagianern: ‚Wenn der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein.‘ (Joh. 8,36).“ (S. 39 -43, (1)  Aus „Das Zweite Helvetische Bekenntnis“ von Henrich Bullinger, Ausgabe 1967


)

Zwei Arten von Theologie

Es gibt prinzipiell zwei Arten von Theologie: 

die natürliche Theologie 

und

die dogmatische Theologie.

Die natürliche Theologie ist praktisch ein Zweig der Metaphysik. Aristotels zum Beispiel betrieb natürlich Theologie, wenn er vom vom "unbewegten Beweger" spricht. Der kam aus seinem Denken darauf, dass es diesen unbewegten Beweger, also Gott, geben muss. Dazu schreibt Mortimer J. Adler in seinem Buch "Wie man  ein Buch liest":

"Wenn man sich beispielsweise fragt, ob das Kausalitätprinzip ein endloser Prozess ist, hat eine positive Antwort ein immer weiteres Zurückbewegen zur Folge. Man muss deshalb eine ursprüngliche Ursache postulieren, die ihrerseits ohne Ursache ist. Aristoteles nannte sie den 'unbewegten Beweger'. Man konnte andere Namen erfinden  man könnte sogar sagen, dass es sich dabei nur um eine andere Bezeichnung für Gott handelt , aber worauf es in Wahrheit ankommt, ist, dass man ohne äussere Hilfe bei dieser Vorstellung angelangt ist, durch Gedankenarbeit." (Seite 311)

Die dogmatische Theologie unterscheidet sich von dieser Vorgehensweise, indem sie sich generell von einem wichtigen Punkt dieser philosophischen Vorgesehnsweise abgrenzt. Allerdings ist der Unterschied auch nicht so gross, wie es im ersten Moment zu scheinen scheint. Denn man denkt auch hier. Nur geht man hier von Dogmen aus. Herr Adler glaubt sogar von Dogmen und der Autorität der Kirche. Aber gerade letzteres wurde von den Reformatoren hinterfragt. Martin Luther kritisierte Erasmus von Rotherdam, weil dieser den Verstand unter die Bibel und die (sichtbare) Kirche stellen wollte. Luther spricht sogar von einer neuen Religion (s. unfreier Wille (oder besser vom Lateinischen Uebersetzt: versklavten Wille) von Martin Luther). Vielmehr fordert uns die Bibel auf, die sichtbare Kirche ganz praktisch anhand der Bibel, dem Wort Gottes zu hinterfragen. Zwischen Luther und Erasmus fand also ein dogmatischer Streit ab, nämlich wer die Dogmen letztendlich bestimmt. Luther, wie alle anderen christlichen Reformatoren waren der Meinung, dass dies die Bibel und damit Gott selber tut und kein Mensch, auch nicht die sichtbare Kirche dieser Welt. Diese Ueberzeugung hinderte die Reformatoren aber nicht, Kirchenväter zu zitieren. Ganz im Gegenteil: Calvin verweist gerne auf die Kirchenväter, die dies auch so sahen.

Herr Adler fordert dabei von Nichtgläubigen etwas sehr interessantes:

"Auch wenn sie diesem Glauben nicht angehören, können Sie dennoch eines seiner religiösen Bücher richtig lesen, indem Sie die Dogmen mit demselben Respekt behandeln wie die Annahme, von denen ein Mathematiker ausgeht. Der Glaube ist für diejenigen, die ihm anhängen, die sicherste Form der Erkenntnis, er ist nichts, was man versuchsweise wählt.
Das zu verstehen scheint für viele Menschen heute schwierig zu sein. Bei theologischen Werken unterlaufen ihnen zwei typische Fehler. Erstens weigern sie sich, auch nur für eine gewisse Zeit, die Glaubensgrundsätze zu akzeptieren. Das Ergebnis ist, dass  die Leser sich mit ihnen schwer tun und dem Buch nicht die richtige Aufmerksamkeit widmen. Zweitens gehen sie davon aus, dass die auf den dogmatischen Prämissen aufgebaute Argumentation ebenfalls dogmatisch ist. Es stimmt natürlich, dass man, wenn man bestimmte Prämissen akzeptiert hat und die Argumentation stimmig ist, dann auch die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen akzeptieren muss. Sind  jedoch  die Folgerungen falsch, führen die besten Prämissen zu ungültigen Schlussfolgerungen.

Wir sprechen hier von den Schwierigkeiten, denen sich ein ungläubiger Leser bei der Lektüre eines theologischen Werks gegenübersieht. seine Aufgabe besteht darin, die Prämissen als wahr zu akzeptieren, während er das Buch liest, und es mit all der Sorgfalt zu lesen, die ein belehrendes Buch verdient. Der Gläubige sieht sich bei einem Buch, das für seinen Glauben wesentlich ist, anderen Schwierigkeiten gegenüber. Diese Probleme beschränken sich jedoch nicht auf das Lesen von theologischen Büchern."

Herr Adler ist ein sachlicher Mensch. Das Thema seines Buches ist, wie man ein Buch richtig liest. Wie versteht man die Botschaft darin. Dazu erklärt er auch, wie man vorgängig herausfindet, ob ein Buch sich lohnt, sich soviel Zeit darin zu investieren. 

Danach geht er auf Seite 312 auf kanonische Bücher ein. Da er in einem christlichen Umfeld lebte (und schon damals die Umwälzungen in den USA bemerkte), kommt bei ihm ganz natürlich zuerst die Bibel in den Sinn: "Das wichtigste Beispiel ist die Bibel, wenn man sie nicht wie Literatur, sondern als die Offenbarung Gottes liest." Aber er weitet diesen Begriff der kanonischen Bücher aus:

"Orthodoxe Juden lesen das Alte Testament auf diese Weise, Christen das Neue Testament (Ich würde anfügen und das Alte Testament ebenso), Muslime den Koran, orthodoxe Marxisten die Werke von Marx und Lenin und, je nach politischem Klima, die Stalins, orthodoxe Freudianer lesen die Werke Freuds und die Offiziere der US-amerikanischen Armee das Infantry Manual. 
Eigentlich waren wir alle schon einmal in der Situation, kanonisch lesen zu müssen. Ein junger Jurist, der das Examen bestehen will, das ihm die Zulassung als Anwalt ermöglicht, muss gewisse Texte auf gewisse Weise lesen, damit er die notwendige Punktzahl erreicht. Dasselbe gilt für Aerzte und andere akademische Berufe. Wir alle mussten als  Studenten einen Text so lesen, wie unser Professor ihn interpretierte, sonst hätten wir nicht bestanden. (Natürlich ist es nicht so, dass alle Professoren ihren Studenten durchfallen lassen, wenn sie anderer Meinung sind!)

Man kann die typische Eigenheit dieser Art des Lesens vielleicht in dem Wort 'orthodox' zusammenfassen, da es so gut wie immer passt. Es kommt aus dem Griechischen und bedeutet 'von richtiger Meinung'." (Seite 313)

Herr Adler geht diesen Gedanken noch mehr nach. Für mich als Christ möchte ich dazu natürlich erwähnen, dass ich daran glaube (= Dogma), dass die Bibel Gottes Wort ist. Es ist also wichtig, dass ich Gottes Wort lese. Da die Bibel sehr komplex ist, stellt sich allerdings noch eine andere Frage: Wie verstehe ich es, wie es in der Bibel gemeint ist. Auch das ist eine Denkarbeit + im Gebet bitte ich Gott um den Heiligen Geist als Hilfe dazu. Das alles ist nicht irrational:. Ganz im Gegenteil. Zugleich möchte ich aber mehr erfahren, als ich durch mein eigenes Denken lernen kann. Es ist also etwas, das noch weiter geht als Philosophie. (Wir erinnern uns: Philosophie ist zu Erkenntnis kommen durch das eigene nachdenken.) Da Gott ausserhalb der Schöpfung und Zeit steht, kann er nicht anhand von Naturwissenschaft beschrieben werden. Auch die Metaphysik, die erklärt, kann hier nicht ganz greifen (unvollständig schon, wie Aristoteles mit dem unbewegten Beweger). Gott muss sich selber offenbaren. Ich glaube, dass dies die Bibel ist, indem er sich vorallem offenbart. (Gott hat natürlich noch andere Möglichkeiten. Aber es ist die übliche Methode. Doch gerade auch in der Bibel finden wir Offenbarungen Gottes, die anders passierten: Das Grösste davon war Jesus Christus, der zu uns kam.)

Interessant ist, was Herr Adler auf Seite 314 noch dazu erwähnt:

"An dieser Stelle müssen wir aufhören. Die Aufgabe, die Bibel zu lesen  wenn Sie an das Wort Gottes glauben - ist die schwierigste Leseaufgabe überhaupt. Es wurden mehr Bücher darüber geschrieben, wie man die Heilige Schrift liest, als über alle anderen Aspekte der Lesekunst zusammen. Das Wort Gottes ist offenkundig das Schwierigste, was der Mensch lesen kann; aber es ist auch, wenn man daran glaubt, dass es tatsächlich das Wort Gottes ist, das Wichtigste. Man darf wohl sagen, dass es in der Tradition des Abendlandes das Buch in mehr als einer Bedeutung des Wortes ist. Es ist nicht nur das am meisten gelesene, sondern auch das am gründlichsten gelesene Buch."




Donnerstag, 25. Oktober 2018

Micha 4

Einige Post ging ich auf den Auflösungprozess des Potestantismus ein. Nun möchte ich etwas Mutmachendes dazu wiedergeben. Ich  zitiere aus einem Kommentar von Johannes Calvin über Micha 4. Ich weiss, der Dispensationalismus bezieht diese Bibelstelle auf das tausendjährige Reich. Aber dort steht nichts von diesem Reich. Vielmehr sieht man im ganzen Buch Micha, wie dieser Prophet eine korrupte biblisch geprägte Gesellschaft anprangert: Ein gottloses Gottesvolk. Er erlebt gottlose Könige, bis Hiskia ehrlich Busse tut und eine tiefgreifende Reform einleitet: Gerechtigkeit erhöht eine Nation, heisst es im Alten Testament. Calvin ermutigt uns, weil die Bibel uns in schweren Zeiten ermutigen will:

"Obwohl die Kirche zur Zeit kaum zu unterscheiden ist von einem toten oder doch kranken Mann, so darf man doch nicht verzweifeln: denn auf einmal richtet der Herr die Seinigen auf, wie wenn er Tote aus dem Grab erweckt. Das ist wohl zu beachten. Denn wenn die Kirche nicht leuchtet, halten wir sie schnell für erlsochen und erledigt. Aber so wird die Kirche inder Welt erhalten, dass sie auf einmal vom Tode aufsteht, ja, am Ende geschieht diese ihre Erhaltung jeden Tag unter vielen solchen Wundern. Halten wir fest: Das Leben der Kirche ist nicht ohne Auferstehung ,noch mehr: nicht ohne viele Auferstehungen."

(zitiert auf Seite 17 in der Zeitschrift: Reformieren - Ein Magazin zum Gedenkjahr 1517  2017)

Gott kann es. Gott schenke uns Propehten wie Micha! 

Danke Herr!

Selbstbestimmungsinitiative



Im November 2018 dürfen wir über diese eidgenössische Initiative abstimmen.

Worum geht es? Kurz gesagt möchte die Initiative die Schweizer Bundesverfassung über internationales Recht stellen.

Bei den Diskussionen fällt dabei etwas auf. Den Befürwortern geht es um die direkte Demokratie der Schweiz, die durch internationale Verträge ausgehebelt werden könnten. Die Gegner befürchten, dass durch die höher Bewertung des Schweizer Rechts die Menschenrechte ausgehebelt werden könnten. Dazu fürchten die Gegner der Initiative, dass es finanzielle Einbussen geben könnte, weil gewisse internationale Verträge anhand des Schweizer Rechts in Frage gestellt werden könnten.

Mich dünkt es, dass beide Positionen Recht haben. Das eigentliche Problem ist natürlich, dass eine absolute Demokratie gefährlich werden kann: Eine Mehrheit der Menschen könnten gegen zwingende Menschenrechte abstimmen. Die Befürworter der Initiative betonen, dass zwingende Menschenrechte selbstverständlich auch über der schweizerischen Verfassung steht. Die Frage ist nun aber, wie versteht man das zwingende Menschenrecht? Wie setzt man es um? Und vor allem, wer definiert es?

Zudem möchte ich noch zu bedenken geben: Natürlich besteht die Gefahr, dass die nationale Rechtsgebung Menschenrechte verletzen könnte. Aber diese Gefahr besteht ebenfalls für das internationale Recht. Und hier ist die Frage: Welche Rechtssicherheit haben wir, dass das das internationale Recht die Menschenrecht nicht verletzt?

In diesen Tagen bekamen wir eine kleine Broschüre von Amnesty International. Sie setzten  der ganzen Frage noch eine obendrauf: Sie sagen, sie setzen sich für die Menschenrechte ein, indem sie schreiben: „Die ‚Fremden Richter‘-Initiative der SVP ist ein Angriff auf die Menschenrechte.“ Amnasty behauptet also, dass das Schweizer Recht prinzipiell gegen die Menschenrechte sei, darum muss man das internationale Recht IMMER vorziehen, weil das internationale Recht immer den Menschenrechten entspreche. Auf der hinteren Seite wird dann dafür geworben, dass ihre Haltung dazu führt, dass keine Menschen eingeschüchtert oder verfolgt werden, weil sie ihre Meinung fei äussern. Oder das Kinder im Schulbus bombardiert werden. Oder, dass Regierungen Tausende von Gefangenen foltern und ungestraft davonkommen.

Aber: Verhindert das internationale Recht das? Und vor allem: Lässt das Schweizer Recht solches Unrecht zu?

Damit wir die Menschenrechte schützen können, müssen wir zuerst definieren, was die Menschenrechte sind. Die Menschenrechte sind ein Ausfluss der jedem Menschen inne wohnenden Würde. Darum haben wir letztendlich das Problem, wie wir die Würde des Menschen definieren „wollen“. Aus dieser Würde können wir dann die unveräusserliche Menschenrechte ableiten. Wollen habe ich in „ und “ geschrieben, weil ich nicht glaube, dass dies von unserem Wollen abhängt. Es gibt ein klar definierte Menschenwürde, da ich glaube, dass wir Menschen Gottes Ebenbilder sind. Als Ebenbilder Gottes haben wir unveräusserliche menschliche Rechte: das ist das zwingende Menschenrecht. Islamische Staaten haben die christliche Prägung der Menschenrechte erkannt, daher haben sie eine islamische Art der Menschenrechte zusammengestellt. Nun aber befindet sich der Protestantismus in einem Auflösungsprozess und auch alle anderen christlichen Einflüsse nehmen von Jahr zu Jahr ab. Damit schwindet auch die christliche Basis der Menschenrechte. Wer an ein Materialist ist, kann keine zwingende Menschenrechte definieren. Er wird logischerweise nur relatives Recht sprechen können. Natürlich hat schon Zwingli, der Reformator vor fünfhundert Jahren gesagt, dass unsere menschliche Gerechtigkeit nur menschlich ist und nicht mit der göttlichen Gerechtigkeit gleichzusetzen ist. Wir sind Sünder und wir können nicht absolut richtig und gut handeln. In diesem Sinne ist alles, was wir tun relativ. ABER es gibt trotzdem ein absolut Gutes, nachdem wir uns austrecken müssen und an dem wir uns auch immer wieder korrigieren lassen müssen. Das bewahrt uns vor Gesetzlichkeit, Selbstgerechtigkeit und zugleich vor Ungesetzlichkeit. Letztendlich kann nur Jesus Christus unsere Unvollkommenheit, ja unseren Hang zur Perversion des Guten heilen. Darum brauchen wir täglich Busse. Christlich geprägte Gesellschaften sind daher ständig auch in diesem Kampf, wie weit sie dem Bösen oder dem Guten Platz geben wollen. Aber auch als postchristliche Gesellschaft stehen wir in diesem Kampf. Daher ist es wichtig, dass wir unsere nationale Gesetzgebung immer wieder hinterfragen. ABER dafür brauchen wir einen Kompass. Da viele der Bibel als Gottes Wort und als den Kompass nicht mehr haben wollen, suchen sie einen Ersatz. Ich glaube, dass darf weder eine absolute Demokratie, noch ein absoluter Herrscher noch ein absolutes internationales Recht sein, weil sie uns alle versklaven und unfrei machen werden. Wir müssen uns unseren eigenen Dämonen stellen, d.h. unserer Sündhaftigkeit, sie Jesus übergeben und heilen lassen. Aber selbst, wenn wir das nicht wollen, weil uns der Heilige Geist dies nicht erschliesst, sollten wir trotzdem nach den Guten Gesetzen Gottes unsere Gesellschaft aufbauen. Denn von daher haben wir unsere grosse Freiheit und Ordnung erhalten. Auf dieser Grundlage lernen wir gesund streiten und nach der Wahrheit suchen. Dann wird Demokratie ein Weg nach der Suche nach Wahrheit und dem guten Kompromiss für alle in unserer Gesellschaft.

Das ist nicht einfach. Im Dezentralismus geht es besser: Möglichst viel Freiheit für jede Familie. Und nur dann muss eingeschritten werden, wenn sie es nicht mehr schaffen. Ebenso auf der Gemeindeebene: Möglichst viel Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit: Dazu gehört auch die Möglichkeit Fehler zu machen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Ebenso auf kantonaler Ebene und dann auf Bundesebene. Nur was in der untergeordneten Ebene nicht erledigt werden kann, soll die „höhere“ Ebene übernehmen. Und genauso sollte es für das internationale Recht gelten. Dann muss das internationale Recht gar nicht alles auf das Kleinste regeln. Die Regeldichte der EU zum Beispiel sind vermutlich ein Massstab des inneren Wertezerfalls des Westens. Wir übernehmen immer weniger Verantwortung, wo wir Verantwortung übernehmen sollten, damit wir frei und aufrecht leben können. Zur Verantwortung gehört natürlich immer auch die entsprechende Macht. Zur Macht gehört die Möglichkeit der Gestaltung und die Finanzen. Aber dies wird heute alles immer mehr durcheinander gebracht. Man stelle sich vor Griechenland hätte die Macht und Verantwortung? Man stelle sich vor, jede politische Gemeinde in Griechenland hätte die finanzielle Macht und finanzielle Verantwortung. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, wo eine Gemeinde sich so in etwas verrennen kann, dass der Kanton eingreifen muss. Das gibt es leider auch in der Schweiz. Aber es kommt sehr, sehr selten vor. Leider wird aber auch das heute alles immer mehr zentralisiert. Damit werden die Probleme auch zentralisiert und damit schwerer lösbar. Es ist normalerweise immer einfacher, vor Ort ein Problem zu lösen, als weit weg davon. Natürlich kann es auch einmal helfen, von einem Aussenstehenden Hilfe zu bekommen. Aber auch der hilft am besten, wenn er vor Ort ist und nicht irgendwo weit weg.

Diese Frage müssen wir ebenfalls beachten:

Wir Menschen sind Sünder. Daher neigen wir dazu, das Gute zu pervertieren. Daher neigen wir auch dazu Macht zu missbrauchen. Darum brauchen wir Formen, in denen wir zusammen Leben können. Dietrich Bonhoeffer definiert in seiner Ethik dazu vier Mandate: Einen Staat der die anderen drei Mandate schützt: Familie, Arbeit und Kirche. Wobei es die Kirche ist, die dem Staat, der Arbeit und der Familie den Bezug zu Jesus zeigt und die spirituelle Grundlage gibt, die der Staat nicht selber schaffen kann. In diesen vier Mandaten spielt sich das Leben ab. Bis zum Bund haben wir dazu rechtliche Strukturen aufgebaut. Die Gewaltentrennung ist gewahrt, auch wenn aktuell undisziplinierter damit umgegangen wird. ABER wer garantiert dies für internationale Rechte? Was ist, wenn internationale Richter ohne legislative Kontrolle Recht sprechen? Schon heute fällt auf, wie Politiker gerne ihr Handeln auf zwingende Vorgaben aus übernationalen Organisationen erklären.

Ein Beispiel: Ich darf keine Glühbirne mehr kaufen.

Es gab keine Volksabstimmung. Es wurde einfach Recht aus dem Ausland übernommen. Dieses Problem müsste für jeden ersichtlich sein.  Hier spielt es keine Rolle mehr, ob man links oder rechts steht. Denn je nach Stärke der möglichen Einflussnahme, kann auf das internationale Recht Einfluss genommen werden. Heute mag es so sein und morgen wieder anders. Hier müssen wir längerfristig denken. Die angebliche Rechtssicherheit durch internationales Recht könnte längerfristig gerade das Gegenteil bewirken, wenn sich das internationale Recht willkürlich entwickeln sollte.

Daher: Obwohl ich nicht für eine „absolute“  Demokratie bin, bin ich ein Befürworter einer direkten Demokratie, wenn sie im Geiste der Demokratie ausgelebt wird, die von der biblischen Idee der gemeinsamen Suche nach der Wahrheit und besten Weg für uns gespiessen ist. Das benötigt natürlich eine gewisse Disziplin und Verantwortungsbewusstsein der Bürger! Aber es braucht auch entsprechende dienende Leiter. Darum habe ich einmal folgenden Leserbrief geschrieben:

Demokratie ist mehr als demokratische Institutionen. Es ist eine Haltung, die nach Wahrheit + im wertschätzenden Disput einen gemeinsamen Weg sucht. Dazu braucht es verantwortungsvolle Bürger + Bürgerinnen, die eine entsprechende charakterliche Ausrichtung haben + dienende Leiter, die Ihre Macht zum Dienen und nicht für ihre Eigeninteressen einsetzen. Dem Narzissten ist dies unmöglich, daher glaubt er  –überspitzt gesagt - ein „therapeutisches Kalifat“ oder ein neues säkulares Papsttum erstellen zu müssen. Gerade durch den Verlust des spirituellen Einflusses der Bibel – die in gewissen evangelischen Strömungen schon lange am Wirken sind – muss die Gesellschaft nun einen Ersatz für die Grundlage unserer Gesellschaft suchen, die anscheinend demokratisches Leben für rechtlich unsicher empfindet.

Gott helfe uns, dass wir wieder eine Nation unter Gott sein wollen. Ansonsten werden uns andere Dämonen leiten, die Habgier, Hass und Tod predigen werden. Amnasty schreibt in der erwähnten Broschüre: „Menschenrechte machen uns stark.“ Das ist wahr. Das hat der Westen und jedes andere Land erlebt, wenn die von Gott definierten unveräusserliche Rechte der Menschen achteten. Denn  Gerechtigkeit erhöht eine Nation, wie es schon im Alten Testament heisst. Doch die Bibel sagt dies immer auch in einem Doppelgebot: Liebe Gott den Herrn der Welt und Deinen Nächsten wie Dich selber! Auch die Zehn Gebote sind aufgeteilt, indem zuerst die Beziehung zwischen Mensch zu Gott und dann zwischen Mensch zu Mensch geklärt wird. Denn nur, wenn der absolute Gott, der absolute Gerechtigkeit, absolute Macht und absolute Liebe ist, unser Massstab wird, wird auch Gerechtigkeit und liebevoll ausgeübte Macht unter uns Menschen möglich. Bis Christus wiederkommt, müssen wir uns in diesem geistlichen Kampf üben. Ich spüre, wie es mich überfordert und bin daher sehr dankbar, dass ich dazu täglich zu Jesus gehen darf, der aus meinem Zurückbleiben etwas ewig Gutes macht. Als Nation brauchen wir das auch, damit wir gesund und lebensfroh leben können.

Freitag, 19. Oktober 2018

Hebräerbrief

Auf Youtube gibt es diesen interessanten Beitrag, der äusserst kurz Wesentliches über den Hebräerbrief sagt und im wörtlichen Sinne aufzeigt.


Genial gemacht.

Dienstag, 16. Oktober 2018

Was wollte vor 500 Jahren die Reformation? Was war das Ziel?


„Wenn also dieses Wort Gottes durch rechtmässig berufene Prediger in der Kirche verkündigt wird, glauben wir, dass Gottes Wort selbst verkündigt wird und von den Gläubigen vernommen werde, dass man aber auch kein anderes Wort Gottes erfinden oder vom Himmel her erwarten dürfe: und auch jetzt müssen wir auf das Wort selber achten, das gepredigt wird, und nicht auf den verkündigenden Diener; ja, wenn dieser sogar ein arger Bösewicht und Sünder wäre, so bleibt nichtsdestoweniger das Wort Gottes wahr und gut. Nach unserer Ansicht darf man jene äussere Predigt auch nicht deshalb für gleichsam unnütz halten, weil die Unterweisung in der wahren Religion von der inneren Erleuchtung des Geistes abhänge: Obwohl nämlich (Joh 6) niemand zu Christus kommen kann, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe, und dass er inwendig vom Heiligen Geist erleuchtet sei, wissen wir doch, dass Gott will, man solle sein Wort überall auch öffentlich verkündigen.‘
Damit hat Bullinger ‚in genialer Knappheit‘ das Ziel der Reformation umschrieben, nämlich dass das Heil im Reden Gottes erfahren wird und dass es dabei nicht um eine Institution, Kirche, geht, sondern um die Gemeinschaft der Angesprochenen. Das Wort Gottes will befreien, sowohl von aller menschlichen Bevormundung und allen äusseren Autoritäten, wie auch von inneren Zwängen und Ängsten.“ (aus S. 39 + 40 zitiert von Patrik Müller in seinem Büchlein: "Heinrich Bulinger - Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker". Müller zitiert dabei aus dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis) Gottes Wort macht frei, demütig und reich!


Sein Buch „Vom einzigen und einigen Bund Gottes“ hat nebenbei den modernen, säkularen Bundesbegriff kreiert. (S. 41, aus dem gleichen Buch von Herrn Müller.) Es wäre interessant, dem nachzugehen, wie weit diese Gedanken die Bundesstaaten ermöglicht haben und wie weit dies mit der Föderaltheologie/der Bundestheologie zusammenhängt, die Bullinger vertrat. 

Heinrich Bullinger musste als Bremgartner im Kanton Aargau fliehen, als diese kleine Stadt an der Reuss wieder römisch-katholisch werden musste. In Zürich angekommen, wurde er sehr rasch zum Nachfolger von Huldrych Zwingli, dem Reformator von Zürich gewählt.

Bullinger war neben seiner Tätigkeit als Theologe, Pfarrer, Leiter der reformierten Kirche des Kantons Zürich (damals Ortes oder Standes) auch ein Schriftsteller, der Geschichtsbände, Zehntausende von Briefen, Bücher usw. schrieb. Dabei war er so gut international vernetzt, dass er sein Wissen in kleinen Brouchüren herausgab. Damit war Bullinger auch ein Vorläufer des Journalisten. (So wurde er auch im 20. Jahrhundert an der Schweizerischen Landesausstellung vor dem 2. Weltkrieg gefeiert.) Bullinger hat vermutlich auch das bekannteste Buch eines Schweizers geschrieben: Das Zweite Helvetische Glaubensbekenntnis.

Bullinger arbeitete mit Leo Jud zusammen, der vorher mit Huldrych Zwingli eng zusammengearbeitet hatte. In einer gewissen Weise war Leo Jud der strengere Zwingli Nachfolger. Und dieser Leo Jud stritt mit Bullinger über die Beziehung zwischen Staat und Kirche. Während Leo Jud eine gewisse Trennung zwischen Staat und Kirche wollte (vielleicht ähnlich wie Johannes Calvin in Genf es anstrebte), wollte Bullinger die Einheit von Staat und Kirche. Als ihr Streit auch auf der Kanzel "verkündigt" wurde, schritt die Regierung von Zürich ein. Als die Zürcher den zweiten Kappeler Krieg verloren hatten, wurde mit den Siegern vereinbart, dass sich die Pfarrer nicht mehr so politisch entfalten dürften. Diese Regelung wollte nun die Regierung so verstanden wissen, dass sie die freie Predigt der Pfarrer einschrenken wollte. Nun war es eine Bedingung von Bullinger, dass er nur die Nachfolge von Zwingli antratt, wenn er frei Predigen durfte. Und so wollte es die Situation, dass sich Bullinger, der für die Einheit von Staat und Kirche war, gegen die Regierung und für die freie Predigt einsetzte. Das Ergebnis war ein Kompromiss: Die Pfarrer erhielten das Recht jeder Zeit bei der Regierung vorzusprechen. Wenn dann keine befriedigende Lösung gefunden wurde, konnten die Pfarrer das Übel auch auf der Kanzel anprangern. Bullinger sollte dann des öfteren von dieser Fürsprache vor der Regierung gebrauch machen müssen ... Dabei ging es auch um soziale Anliegen oder die Verwendung von Kirchen-Gütern, die manchmal der Staat lieber für anderes als die Kirche oder Soziales einsetzen wollte ... Auch daraus erklärt sich, eine gewisse Tradition der Kirche, sich für Soziales einzusetezn. (Was natürlich jede christliche Kirche hat, da Diakonie eine der praktischen Seite der Gottes Liebe und Nächstenliebe ist.)






Samstag, 13. Oktober 2018

Kritik zum Buch der Mitte und gegenüber Vishal Manalwadi


Kritik an Vishal Mangalwadi (unter auch an seine Buch: Das Buch der Mitte)
Es sei ein soziales Evangelium. Es nenne nur zum Teil das Wesentliche: Nämlich die Umkehr des Sünders. Die christlichen Gesellschaften seien tatsächlich

„Aber geistlich gesprochen war und ist das „christliche Abendland“ durchgängig eine
weltliche, heidnische Zivilisation, die von Unglaube und Ungehorsam, Sünde und
Gottlosigkeit geprägt wurde und ihrem Wesen nach Finsternis war und nicht Licht, Reich
dieser Welt und nicht Gottesreich. Daher war es nur folgerichtig, was der Autor
ausblendet, dass dieses „Abendland“ in seiner historischen Entwicklung die anfänglichen
Impulse aus der Bibel immer weiter hinter sich liess.“
das-wort-der-wahrheit.de/2015/11/christentum-als-weltverbessernde-religion-das-falsche-soziale-evangelium-imbuch-
der-mitte/

Das Mangalwadi einen sozialen Einfluss des Evangeliums beschreibt, steht ausser Frage. Das christliche Gesellschaften in dieser Zwischenzeit sündig sind, ist ebenfalls korrekt festgestellt. Wir können kein Himmelreich auf Erden schaffen, dass wird Jesus Christus bei seinem zweiten Kommen bringen. ABER: Wir haben als Christen auch Verantwortung, das sich sehr wohl in unserem sozialen Verhalten äussern sollten. Natürlich rettet unser soziales Verhalten uns nicht vor unserer Versklavung unter die Erbsünde. Es tut aber unserer Gesellschaft gut, wenn wir sozialer, gerechter, fairer, barmherziger und liebevoller handeln. Gott hat geistliche Prinzipien implementiert, die jeder – auch Nichtchristen – zum eigenen Vorteil anwenden darf. Es kann nicht darum gehen, die sozialen Auswirkungen des Evangeliums gegen das persönliche Heilwirken auszuspielen. Und es ist eine Realität, dass Christus sagte, dass durch sein  erstes Kommen das Himmelreich nahe kam. Christus herrscht wirklich. Das Reich des Satans, also das Reich der Lüge, Tod und Korruption kann mit Jesus zurückgedrängt werden. Das sind historische Tatsachen, die auch der oben erwähnte Kritiker nicht leugnet. Und natürlich: Der Teufel ruht nicht. Wenn wir ihn einladen, breitet er sich wieder aus. Natürlich darf man auch das soziale Engagement nicht vergötzen. Denn seit dem Sündenfall neigen wir Menschen ja dazu alles Gute zu pervertieren. Da hat der Kritiker Recht. Nur ich sehe bei Mangalwadi das nicht. Vielmehr möchte ich den Dispensationalismus und auch gewisse täuferische Ideen in Frage stellen, die sich von der Welt zurückziehen und ihre von Gott gegebenen Fähigkeiten nicht als Dienst und zur Ehre Gottes einsetzen. Lieber ziehen sie sich in ihren frommen Kreis Gleichgesinnter zurück und bestätigen sich in der pessimistischen Betrachtung der Welt. Dabei müssen wir für unsere Obrigkeit beten, damit wir ein ruhiges Leben haben. Und wenn wir die Menschen lieben, wie wir Gott lieben, werden wir auch das Evangelium ihnen erklären wollen.
Eine christliche Gesellschaft ist nie der Himmel auf Erden. Das behauptet aber auch niemand. Zumindest weiss ich von niemanden. Aber in einer unvollkommenen Weise werden in einer christlichen Gesellschaft biblische Prinzipien umgesetzt. So wie wir persönlich immer noch Sünder und Heilige zugleich sind, ist auch jede christliche Gesellschaft von diesem Widerspruch geprägt. Dazu kommt noch, dass eine christliche Gesellschaft völlig von Gott abirren kann. Dies wird in der Bibel anhand von Israel und Judäa klar aufgezeigt. Der Kampf zwischen Licht und Finsternis ist leider auch in einer christlichen Gesellschaft in dieser Zwischenzeit Realität wie sie es auch in der Kirche und der Gemeinde Gottes Realität ist. Denn die Kirche ist in dieser Zwischenzeit immer eine kämpfende Kirche: Von aussen angegriffen und sogar von innen, wo Antichristen immer wieder aufstehen.

Gott gebe uns Gnade und Barmherzigkeit sowie Weisheit und Klarsicht in diesem Durcheinander Jesu treu zu bleiben.

Ergänzung zu Wahrheit und Wandlung (s. meinen gestrigen Blogbeitrag)


PS:
S. 274:
„Das Evangelium hat die Korruption geheilt, und das ganz ohne diktatorische Staatsformen und ohne schnelle und brutale Justiz nach islamischer oder marxistischer Art.“

S. 275
„Die Frage ist: Warum beteiligen sich die meisten Christen in nicht-protestantischen Kulturen ohne erkennbares Schuldbewusstsein an der Korruption? Wenn die Braut Christi Kompromisse mit dem Bösen eingeht und anfängt, als Satans Mätresse zu leben, gebiert sie den Tod. Der Ruf, sich gegen Korruption zu stellen, ist schlicht und einfach ein Ruf an die Gemeinde, die Braut Christi zu sein, die Frucht des Geistes hervorzubringen und eine Art von Heiligkeit zu gebären, die über menschliches Vermögen hinausgeht.“

Auf die Problematik des Drucks in sehr korrupten Ländern Bestechungsgeldern zu zahlen, meint Mangalwadi:
„Es ist grossartig, ein Waisenhaus zu bauen, aber müssen Sie um Ihrer Kinder willen nicht auch eine Nation bauen, in der sie einmal in der Lage sein werden, einen Job zu finden, ohne jemanden zu bestechen, und mit Integrität, Würde und Stolz zu leben?“
Gerade in sehr korrupten Gesellschaften ist das aber nicht einfach. Dann bekommt man unter Umständen kein Wasser, weil man keine Bestechungsgelder zahlt. Es scheint mir, in korrupten Ländern handelt es sich um Schamgesellschaften. Mangalwadi umschreibt ganz praktisch wie Schamgesellschaften funtkionieren: Sünde, also auch Korruption darf gelebt werden, solange es nicht ans Licht kommt. Das führt zu irrsinnigen Verhaltensmustern. Können so nicht auch gewisse Ehrenmorden erklärt werden? Oder man denke, wie sogar die eigenen Kinder die Verbrennung Ihrer Mutter anstreben, wenn sie Witwe wurde, die sogenannte Sati, um die Ehre der Familie zu „retten“ oder sogar zu „fördern“.
Ganz anders wird es, wenn eine Gesellschaft erkennt, dass die Scham nicht das Schlimmste ist. Wenn sie weiss, dass Jesus Christus für ihre Sünde gestorben ist. Nun darf man zu seinen Sünden stehen und sie Christus hinlegen und wissen, dass Jesus am Kreuz  dafür gestorben ist. Nun wird man frei von der Scham, von der Sünde und vom sich verstecken und  verstellen müssen.

„Korruption ist die Antithese zum Gedanken einer freien (ohne Zwänge funktionierenden) Wirtschaft, der aus der Rückkehr zu einer biblischen Spiritualität durch die europäische Reformation erwuchs.“ (S. 280)

„Nicht hat die Würde des ‚Souveräns‘ (also des Bürgers) der Republik Indien so sehr verletzt wie die Korruption im indischen Staatswesen.“ (S. 280)

„Wenn man gezwungen ist, Bestechungsgelder zu zahlen, ist man kein freier Bürger mehr. Man akzeptiert den Status eines dressierten Tieres, das für andere arbeitet und wirtschaftet, aber nicht für sich selbst.“ (S. 281)

„Korruption wäscht wie ein Krebsgeschwür“ (S. 281)

„“... bis schliesslich auch Ihr Propheten (die Presse) und Gemeindepriester (einschliesslich) mancher Bischöfe christlicher Konfessionen) korrupt sind.“ (S. 282)

„Für die ‚Mächtigen‘ ist Korruption ein Vorteil. Die ehrlichen Leute dagegen nehmen war, dass ehrliche, harte Arbeit ein Nachteil ist.“ (S. 282)

„Korruption ist eine landesfeindliche Aktivität und eine Sünde gegen Gott“ (s. 283)
„Bestechung stellt die Liebe zum Geld über die Nächstenliebe.“ (S. 283)

„Korruption wurzelt in Habgier.“ (S. 285)

Auf Seite 284 beschreibt er, wie der Sozialismus die Korruption in Indien gefördert hat. „Der Kapitalismus begrenzt die staatliche Macht und vermindert dadurch die Gelegenheiten zur Vorteilsnahme. Wo private Unternehmen im freien Wettbewerb miteinander stehen, müssen die Kunden niemanden bestechen. An Privatschulen zum Beispiel wird meist besser unterrichtet. Doch wie Amerika gerade feststellt, ermuntert der Kapitalismus dazu, Eigeninteressen zu verfolgen. Insofern ist er an sich alles andere als eine Ideologie, die Moral fördert.
Um moralisch zu bleiben und dabei erfolgreich zu sein, braucht das kapitalistische Wirtschafssystem eine kulturelle Kraft – eine Kirche, eine Heilige Schrift, ein Bildungssystem – die beständig die moralische Muskeln einer Gesellschaft stärkt.“ (S. 284) (Der Calvinismus, klassische reformierte Theologie, Puritaner und calvinistisch geprägte Baptisten machten gerade das nicht schlecht. Gerade durch die moralische Beschränkung, welches gegen den Sozialdarwinismus steht, konnte sich der Kapitalismus so gut in reformiert geprägten Ländern entwickeln. Die Schattenseiten waren Verletzungen der moralischen Grenzen, die mit der Idee des Überlebens des Stärkeren sogar noch instrumenalisiert wurden. Ein Streben nach Glück, dass auch die anderen nicht vergisst, funktioniert viel besser, als ein rein narzisstisches und egozentrisches Handeln.)

„Viele kleine religiöse Klöster, Ordensgemeinschaften und Kommunitäten funktionieren effektiv ohne Privateigentum, nach streng sozialistischen Prinzipien. Sie zeigen, dass mit einer richtigen Spiritualität sogar der Sozialismus funktionieren kann, zumindest im kleinen Masstab.“ (S. 284) Ich würde noch anfügen: Es gibt auch noch Zwischenlösungen wie die Genossenschaft, welche in der Schweiz eine alte Tradition hat. Die Schweiz selber nennt sich sogar Eidgenossenschaft. Bis heute gibt es kleine und auch sehr grosse Genossenschaften in der Schweiz, die demokratisch wirtschaftliche Ziele für ihre Genossenschafter erreichen. Auch der Verein ist ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten. Oft eher im geselligen Rahmen, der aber auch kaufmännische Ziele erreichen kann. Dies wird sogar von Treuhändern in der Schweiz oft vergessen, so stark ist die Fixierung auf Aktiengesellschaften und GmbH’s.

„Habgier ist eine Haltung, in der sich eine mangelnde Gotteserkenntnis widerspiegelt, ein Mangel an Glauben am unseren liebevollen und fürsorglichen himmlischen Vater, ein Mangel an Zufriedenheit und Dankbarkeit. Die Sünde geschieht also im Innern – in unserem Herzen –, bevor sie sich nach aussen hin in der Tat manifestiert.“ (S. 285)

„Korruption wurzelt in dem unbiblischen Gedanken, Macht sei ein Freibrief für persönliche Privilegien“ (S. 286)

„Korruption blühet, wenn wir aufhören, Gott zu fürchten“ (S. 288)

„Die Kommunisten dachten, die Völker durch bewaffnete Revolutionen umwälzen zu können, mussten aber feststellen, dass Revolutionen nicht gleich Reformen sind – so wenig, wie Unkrautjäten dasselbe ist wie Gartenbau. Die Wurzeln der Korruption reichen tiefer als bis zu einzelnen führenden Persönlichkeiten und Regimen.
Durch die Entthronung der Herrscher oder die Zerschlagung eines ‚Systems‘ entsteht selten etwas nachhaltig Gutes. Das Böse wurzelt in unseren Herzen und Gedanken (Markus 7,21). Letzten Endes ist es unser Innenleben – unsere Denkvoraussetzungen und Werte, unsere Weltanschauung, unsere Wünsche, Emotionen und  Einstellungen – sowie unsere Beziehungen, die transformiert werden müssen. Die Kommunisten konnten das Utopia nicht erschaffen, das sie sich erhofft hatten, weil verschiedene Glaubenssysteme zu verschiedenen Resultaten führen.““ (S. 290–291)

Ich würde die Frage stellen, um die Korruption zurückdrängen zu können:

Wie schaffen wir es, das wir aus unserer Schamgesellschaft eine Gesellschaft schaffen, die die Wahrheit und das Recht sucht? In Europa sind (oder vielleicht immer mehr waren) die protestantischen Ländern Gesellschaften, die die Schamgesellschaft hinter sich liessen. Lutheranern mögen dabei eher eine hierarchischere Form angewandt haben, die das Gesetz und die Regierung nahe beieinander sahen und dadurch weniger bis gar nicht Demokratien gefördert haben, während Reformiert geprägte Länder – wie schon der älter Calvin – das Problem auch bei den Regierungen und Königen sah und daher eher Machtkontrollen auch bei den Mächtigen vorsahen und so schlussendlich eher demokratische Formen der Regierungen anstrebten. Zudem betonten Reformierte mehr die allgemeine Priesterschaft der Gläubigen, was die „Laien“ dadurch automatisch viel mehr in alles einbezogen als es Lutheraner taten. Ab 1900 führte das sogar dazu, dass die deutschen Lutheraner die reformiert geprägten Länder wegen ihrer Demokratie angriffen. Sie sahen dieses „Problem“ vor allem in den angelsächsischen Ländern, die durch den Calvinismus geprägt waren. Also gewissermassen:  Calvinismus gleich Demokratie. Mangalwadi ist wohl als Inder, der auch in den USA war, durch dieses christliche Verständnis von Demokratie geprägt und daher differenziert er hier nicht. Dietrich Bonhoeffer behauptete sogar, dass nur die vom Calvinsismus geprägten angelsächsischen Christen Demokratien hervorbrachten, so stark war er als Deutscher von der hierarchischen Prägung geprägt. Dabei vergass Bonhoeffer die Niederlande, die Schweiz und andere Länder. Aber ob lutherische oder reformierte (calvinistische) Reformen, beide erreichten, dass die Scham besiegt wurde und die Freiheit des Rechts die Gesellschaft befreite. Dabei dünkt es mich, dass die reformierte Version etwas näher an der biblischen Wahrheit ist und daher dies noch besser zur Geltung brachte.

Zurück zur Frage: Wie schaffen wir es, die uns versklavende Scham loszuwerden?

Es ist das Kreuz!
(und dazu könnten wir auch Luthers Kreuzestheologie betrachten!)

„Das Kreuz ist das Emblem einer christlichen Kultur. Der Wandel durch das Kreuz begann in England mit der Generation, die die Magna Carta von 1215 verfasste. Henry de Bracton, Englands berühmtester Richter jener Zeit, legte die Bedeutung des Kreuzes aus. Das Kreuz bedeute, so sein Argument, dass Gott wolle, dass auf Erden Gerechtigkeit und Barmherzigkeit herrschen, nicht brutale Gewalt. Gott hätte ja seine Macht auch gebrauchen können, um Satan und seine Werke zu vernichten, sagte de Bracton, aber stattdessen benutzte er das Kreuz, um Satan zu besiegen. Das Kreuz steht unter anderem als Symbol für das Mittel, das Gott anwendet, um die Menschheit von der Sünde, einschliesslich der der Korruption, zu erlösen.“ (s. 291)
Nun vergleicht Mangalwadi auch, wie christliche Länder und islamische Länder mit Korruption umgehen. Dabei geht er auch auf Imran Khan ein, ein pakistansicher Kricket-Star, der zum Politiker wurde. Dabei fällt die Härte des Islams auf. .

„Das Kreuz löst das philosophische Dilemma der hebräischen Propheten auf. Gott ist heilig. Das Moralgesetz ist real. Gott wird über die Sünde richten (und hat über sie gerichtet). Aber der heilige Gott muss die Sünder nicht vernichten, weil Jesus Christus die Sünde der Welt auf sich genommen hat. Vergebung ist möglich. Unser Gewissen muss uns nicht verdammen, denn unser Richter bietet uns Vergebung an. Dank dem Kreuz Christi haben wir jetzt eine feste empirische, historische und philosophische Grundlage dafür, eine absolute Moral zu bejahen, ohne von ebendiesem Moralgesetz verdammt zu werden.“ (S. 294)

„Das Kreuz macht das Dienen zur wahren Quelle der Macht und verwandelt die Demokratie in eine Meritokratie.“ (S. 295)

Jesus gab seinen Jüngern eine ganz andere Macht, als sie es erwartet hätten. Das hat auch etwas mit der Überwindung der Scham zu tun. Nun dürfen wir uns auslachen lassen, weil wir Gott mehr fürchten als die Menschen. Am Kreuz wurden wir von der Versklavung der Sünde und auch von der Versklavung der Scham befreit! Auch dies ist ein wichtiges Verhalten, um die Korruption zu überwinden. Zudem ermöglicht es uns, auch weniger reich zu sein, ohne uns schämen zu müssen. Manchmal kann es heissen, dass wir weniger haben werden, wenn wir nicht korrupt handeln. Daher braucht es diesen Mut und diese Sicherheit.

Mangalwadi spricht nun von den Jüngern von Jesus:

„Die Macht, die er ihnen verschaffen wollte, war nicht die Macht, über andere zu herrschen. Es war auch nicht die Macht, andere auszubeuten und zu unterdrücken. Sondern es war die Macht, sich selbst für andere zu opfern.
Der Apostel Paulus hat das Wesen des Reiches Gottes auf unvergessliche Weise zusammengefasst:

„Seht auf Jesus Christus:
Obwohl er in göttlicher Gestalt war,
hielt er nicht selbstsüchtig daran fest, Gott gleich zu sein.
Nein, er verzichtete darauf
und wurde einem Sklaven gleich:
Er nahm menschliche Gestalt an
und wurde wie jeder andere Mensch geboren.
Er erniedrigte sich selbst
und war Gott gehorsam bis zum Tod,
ja, bis zum schändlichen Tod am Kreuz.    (Philipper 2,5–8)
(S. 297 und 298)

Mangalwadi beschreibt dann, wie er als dreizehnjähriger Junge von Pandit Jawaharlal Nehru, dem ersten Premierminister begeistert war. Dieser Premierminister empfand sein Amt als ‚Erster Diener‘. Das war ein Ausdruck von demokratischer Führung, die durch das Kreuz von Jesus geprägt war. Und das ist ganz unabhängig davon, ob Pandit Nehru Christ war oder nicht. Wahre Demokratie ist viel mehr als demokratische Strukturen. Sie lebt vom Geist des Dienen Wollens. Von Leitern, die gute Hirten sind und dienen. Die ihre Eigeninteressen hinter sich stellen und schauen, was zum Wohle der Gemeinschaft zu tun ist. Eben: Der Erste Diener sein. Das konnte sogar in Preussen ein König von sich sagen, der im engeren Sinne nicht Demokrat war. Jede Demokratie steht in der Gefahr durch den Eigennutz in Unordnung zu zerfallen. So war schon die Demokratie im klassischen Athen nicht nur ideal. Platon war von ihren Schattenseiten so sehr abgestossen, dass er sich eine elitäre Leitung der Fähigsten ausdachte, die von einem Philosophenkönig geführt wird, der der fähigste von allen sein sollte. Das war ein Gegenprogramm zur Demokratie, die sich dann in der Person von Alexander dem Grossen auch verwirklichen liess. Echte Demokratie ist aber noch mehr: Es ist ein gemeinsames Suchen nach der Wahrheit. Eine Form des Gehorsams, wo alle aufeinander hören und – wenn es eine biblisch geprägte Demokratie ist – ein gemeinsames Suchen nach dem Willen Gottes ist. Dazu kann auch gehören, dass eine Person ganz individuell auf der Basis der Bibel sehr kritisch wird. Dieses prophetische Amt finden wir in der Bibel immer wieder: Jemand ohne religiöse und politische Macht trifft die Wahrheit und die Gesellschaft hat nun die Wahl, diese umzusetzen oder eben nicht. Gerade in Schamgesellschaften droht einem solchen Propheten eine grosse Gefahr, da er es wagt die Scham aufzudecken. Das führt manchmal zu Ausgrenzung. Manchmal auch zum Tode des Propheten. Die alten US-amerikanischen Western liessen solche Propheten immer wieder aufstehen, indem einer gegen das Unrecht aufstand, während viele andere sich vom Unrecht gefangen nehmen liessen. Journalisten wären heute ebenfalls Propheten …
 Hier erklärt sich dann auch, war die reformierte Theologie die Demokratie förderte: Jesus Christus sollte regieren und nicht Menschen. Eigentlich sollten Christen gemeinsam auf Gott hören und dann dies umsetzen. In unserer Zwischenzeit wird dies oft zu einer Mehrheitsentscheidung, also eine Demokratie. Doch hinter der Demokratie sollte weiterhin das Streben nach dem gemeinsamen Weg stehen. In unserer Zwischenzeit ist nichts perfekt, was wir Menschen tun, darum brauchen wir für alles die Befreiung und Heiligung durch die Busse. Aber dies lässt uns auch beweglich bleiben und nicht in eine Form der selbstverliebten Selbstgerechtigkeit verfallen. Es schafft Raum für Recht und Gerechtigkeit UND Barmherzigkeit und Versöhnung.

Leider entwickelte sich die Demokratie in Indien nicht in diese Richtung, sondern – laut Mangalwadi – wurde aus der ‚grössten Demokratie der Welt‘ innert 20 Jahren ein „gewaltiger Dschungel voller autoritärer Herrscher, umgeben von Speichelleckern und Mitverschwörern. Wir haben über neunhundert registrierte demokratische Parteien, aber nicht eine davon besitzt eine demokratische innere Struktur. Warum?
Das Evangelium vom Kreuz ist zu uns gekommen, aber uns gefiel das Drehbuch besser, in dem der Held eine Verschwörung ausheckt, um dem Kreuz zu entrinnen und mit dem Schwert zu siegen.
Das Kreuz ist Macht. Aber es ist die Macht des Glaubens, die Macht, den souveränen Gott gut genug zu kennen, um ihm zu vertrauen und sich ihm deshalb unterzuordnen und auf sein Eingreifen zu warten. Das Kreuz ist die Macht, Prinzipien über die Macht zu stellen.“ (S. 298+299)

„Das Kreuz Jesu Christi symbolisiert einen radikalen Individualismus, …“ (S. 299)

„Der Individualismus, den das Kreuz symbolisiert, ist nicht nur radikal, sondern auch radikal anders als da, was sich das säkulare Denken heute darunter vorstellt. Säkularer Individualismus ist Selbstbezogenheit. Das Kreuz ist das Gegenteil davon, denn es bedeutet Verleugnung des Selbst zugunsten der Hingabe an Gott.“ (S. 300)

S 299: Das Kreuz ist die Quelle der Höflichkeit
Seite 300 geht er auf das Kreuz und Leiden ein

„Korruption, das Reich Satans also, sichert ihr Überleben durch Furcht: die Frucht vor Schande, die Furcht vor Verfolgung oder körperlichem Schaden, und an oberster Stelle durch die Furcht vor Martyrium und Tod. Das Kreuz nimmt die Waffe des Reiches Satans und richtet sie gegen ihn selbst. Das Neue Testament erklärt: ‚Die Kinder aber sind wir, Menschen aus Fleisch und Blut. Christus ist nun auch ein Mensch geworden wie wir, um durch seinen Tod dem Teufel – als dem Herrscher über den Tod – die Macht zu entreissen. So hat er alle befreit, die aus Furcht vor dem Tod ihr ganzes Leben hindurch Gefangene des Teufels waren‘ (Hebräer 2,14–15)
(S. 302)

Hier spricht er also den Gegensatz zwischen einer Gesellschaft, die sich vor Schande (oder Scham) fürchtet und eine Gesellschaft, die traditionell ein Schuldbewusstsein hat und sich vom Bewusstsein der Schuld bewegen lässt.

„Als Jesus sagte: ‚Sorget euch vor allem um Gottes neue Welt, und lebt nach Gottes Willen! Dann wird er euch mit allem anderen versorgen‘ (Matthäus 6,55), brachte er uns ein wichtiges Paradox nahe: Wohlstand wird einer Kultur dann zuteil, wenn sie starke Individuen hat, die in der Lage sind, die Schande der Armut auf sich zu nehmen, indem sie Rechtschaffenheit über Reichtum stellen.
Westliche Bibellehrer sagen nichts darüber, wie das Kreuz die Christenheit von der repressiven Kultur der Schande befreit hat. Sie konzentrieren sich auf die Verse, die davon sprechen, dass Jesus unsere Schuld auf sich nahm. Das Evangelium dagegen hat mehr dazu zu sagen. Wie Lukas erklärt, hatte das Kreuz ebenso mit Schande zu tun wie mit Sünde:“ (S. 303 und 304) Nun zitiert er Lukas 22,63–65; 23,11.35–36.38–39)

„Das Kreuz ist ein typischer Ausdruck einer asiatischen Kultur, die Schande benutzt, um ihre Angehörigen zu zwingen, sich einzugliedern und an ihren Kodex anzupassen. Das Neue Testament sagt, dass Jesus, indem er das Kreuz erduldete, die Waffe der Schande in seiner Kultur umdrehte und gegen die Kultur selbst richtete, indem er die Schande ‚nicht achtete‘ (Hebräer 12,2; Elberfelder). Er schämte sich einfach nicht für das, wofür er sich nach dem Willen der Mächtigen hätte schämen sollen. Stattdessen brachte er sie dazu, sich für das zu schämen, wofür sie sich mit Recht schämen sollten. (S. 304)

Wir sollen Jesus nachfolgen, der ‚ausserhalb der Stadt‘ gelitten hat: ‚Lasst uns zu ihm hinausgehen und die Verachtung mittragen, die ihn getroffen hat‘ (Hebräer 13,12–13).“
(S. 305)

„Eine Kultur der Korruption löscht die Unterschiede zwischen Kriminellen, Polizisten, Politkern und religiösen Führern aus! Auch Europas Kirchengeschichte ist voller Päpste und Bischöfe, die Kriminelle und Mörder waren.
Heute darf in der Gemeinde Jesu im Westen der Heilige Geist nur noch als Garant für persönliche Ekstase oder bestenfalls für emotionale Katharsis und körperliche Heilung auftreten. Im Neuen Testament bestand eine Veränderungen, die der Heilige Geist in den Jüngern bewirkte, darin, dass er ihnen die Kraft gab, in der Konfrontation mit dem Reich Satans ihr Kreuz auf sich zu nehmen. Im Garten Gethsemane waren sie vor der Verfolgung geflohen, doch der Heilige Geist verwandelte sie in Märtyrer – in Menschen, die auf Gott zu leben.
Das heutige Kreuzesverständnis im Westen übersieht, dass das Kreuz noch mehr bewirkt, als uns von unserer Sünde und deren Folgen zu befreien. Jesus starb und stand von den Toten auf, ‚um durch seinen Tod dem Teufel – als dem Herrscher über den Tod – die Macht zu entreissen‘. Führende Hindus der Vergangenheit wie Swami Vivekananda empfanden das Evangelium des Westens als abstossend billig: Es schien sich darin zu erschöpfen, dass Jesus starb, damit die Christen umsonst in den  Himmel kommen. Aber wozu forderte Jesus uns auf – zu beten, dass wir in den Himmel kommen, oder zu beten, dass das Himmelreich auf dieser Erde anbrechen möge?“ (S. 305 und 206)

„Martyrium. Das Kreuz ist der Weg ins Himmelreich, wie les dem Tod – der mächtigsten Waffe des Reiches Satans – die Macht nimmt.“ (S. 306)

„Kein Mensch ist mächtiger als derjenige, der aufgehört hat, den Tod zu fürchten. Er geht aufrecht mit dem Schwert über seinem Kopf, mit dem Kreuz auf seinen Schultern.“ (S. 307)

„Ewiges Leben ist kein selbstsüchtiges Ergötzen am Himmel; es ist ein Leben des Konflikts und des Triumphes hier auf dieser Erde, eine Spiritualität, die die Welt auf den Kopf stellt.“ (S. 307)
Das klingt wirklich nach einer Antwort auf meine Frage, warum waren die ersten Christen so viel erfolgreicher? Und warum waren vor 500 Jahren die Reformatoren so einflussreich? Warum gibt es heute Christen, die korrupt leben? Wie ist es möglich, dass es in Brasilien nun so viele Evangelikale gibt und das Land immer noch in der Korruption feststeckt?
Hat der aktuelle Protestantismus, Evangelikalismus einen Teil des Evangeliums vergessen?

„Das Kreuz hat triumphiert, weil es ihm gelang, eine freiwillige Gemeinschaft von Jüngern zu erschaffen – die Gemeinde. Aus diesem Grund gehört zu echter Spiritualität auch eine enorme heilende Wirkung im Bereich der menschlichen Beziehungen.“ (S. 307 und 208)

„Das Kreuz ist die Antithese zum hinduistischen Ideal eines spirituellen Menschen, der der Gemeinschaft entsagt, um sich selbst zu verwirklichen. Die ‚heiligsten‘ Menschen im Hinduismus sind oft diejenigen, die sich so sehr um sich selbst drehen, dass sie nicht einmal mehr mit denen sprechen, die  sie in ihrer Höhle besuchen.“ (S. 308)

Das Ziel müsse es sein, dass nicht nur der Einzelne konsequent lebt, sondern eine ganze Gemeinschaft dies umsetzt. Dazu kann ein Mensch die anderen aufrütteln, indem er konsequent ist und unter der Korruption leidet. „…, wenn nicht eine Gemeinschaft entsteht, die seine Wertvorstellungen teilt und sich durch sein freiwilliges Leiden aufrütteln lässt. So kann sein Leiden zu einem Segen für alle werden, indem es uns aus unserer Apathie reisst.
Natürlich müssen wir als Einzelne zum Kreuz kommen.“ (S. 308 und 309)

„Busse tun heisst um Vergebung für die Sünden bitten, die wir begangen haben. Als Nächstes müssen wir Gottes Heiligen Geist empfangen, damit wir nach seinem Gesetz leben und nicht nach unseren privaten Wertvorstellungen. Gottes Gesetz ist zusammengefasst in dem Gebot, Gott zu lieben mit unserem ganzen Wesen und unseren Nächsten zu leiben wie uns selbst. Busse, Umkehr zu Gott heisst deshalb auch, dass wir mit unseren Nächsten ins Reine kommen.
Wir finden Vergebung für unsere Sünden aufgrund der Gerechtigkeit Christi, nicht unserer eigenen. Aber der Beweis für die Vergebung ist, dass wir auch anderen vergeben, die gegen uns sündigen. Jesus ging sogar so weit, zu sagen, dass wir keine Vergebung bekommen und unsere Anbetung und unsere Opfer nicht angenommen werden, wenn wir nicht zuerst anderen vergeben und uns mit unseren Brüdern und Schwestern versöhnen (Matthäus 5,2–24; 6,14–15) (S. 309)
1.    Johannes 3,10.16–18 geht noch weiter, was wahre Gemeinschaft ist. Daraus legt Mangalwaid aus:
„Der Kampf gegen die Korruption ruft uns dazu auf, unser Kreuz auf uns zu nehmen und zu einer Gemeinschaft zu werden  durch die Bereitschaft, einer dem anderen zu ‚helfen, seine Last zu tragen. Auf diese Weise erfüllt ihr das Gesetz, das Christus uns gegeben hat‘ (Galater 6,2).“

„Warum nimmt die Macht der Finsternis in unserer Welt zu? Ein Grund besteht, wie wir bereits gesehen haben, darin dass viel z viele Leute Spiritualität verwechseln mit ekstatischen Erlebnissen, Meditation ‚innere Einkehr‘ oder auch mit Spiritismus, Astrologie, Numerologie, Handlesekunst und einer fatalistischen Ergebung ans Karma, an das Schicksal.
Jesu dagegen forderte uns auf, zu beten, Gottes Reich möge kommen, und sein Wille möge auf Erden geschehen wie im Himmel.“ (S. 310)

„Das Kreuz ist eine radikale Weigerung, mit den Übeln des gesellschaftlichen Status quo Kompromisse zu schliessen. Es ist eine mit einem hohen Preis verbundene Konfrontation mit der Korruption. Jesu sagte, die Welt hasse ihn, wie er ‚ihr böses Tun beim Namen nenne‘ (Johannes 7,7).“ (S. 311)

Jesus = Friedefürst, Wie passt das nun zusammen? Jesus war kein Friedensliebhaber, sondern ein Friedensstifter. „Ein Friedensliebhaber hält sich von Konflikten fern. Ein Friedensstifter ist zwangläufig auch ein Unruhestifter. Er bringt ein repressives Gesellschaftssystem durcheinander, um ‚alles neu‘ zu machen (Offenbarung 21,5). Jesu sagte: ‚Ich bin gekommen, um auf der Erde ein Feuer zu entfachen. Wie roh wäre ich, es  würde schon brennen! Vorher muss ich aber noch Schweres (das Kreuz) erleiden. Es ist für mich eine grosse Last, bis alles vollbracht ist. Meint nur nicht, dass ich gekommen bin, um Frieden auf die Erde zubringen! Nein, ich bringe Auseinandersetzung‘ (Lukas 12,49–51).
Wenn wir mit der Korruption Kompromisse schliessen, machen wir uns selbst zu Sklaven. Dadurch bauen wir eine Gesellschaft, in der wir nicht einmal die Freiheit haben, ehrlich zu sein. Das Kreuz ist kein passives Akzeptieren des Bösen, sondern eine fruchtlose Opposition gegen das Böse – und ein Akzeptieren der Folgen dieser Opposition.

WARUM vergehen wir uns an unserer eigenen Menschlichkeit, wenn wir den bösen Status quo akzeptieren?“  (S. 311)

(Korruption verwandelt jede Einrichtung von einem Diener in einen Herrn.“ S. 278: Auch darum ist die Korruption so verlockend.)

(Korruption bewertet Beziehung höher als Kompetenz (S. 279).)