Samstag, 11. Januar 2014

Gnade Psalm 25 und Augustinus, Luther und Calvin



Gnade

„Vom David
Zu Dir wott ales i miir.
DU bisch miin Gott, bi diir bin ich sicher.
Iich wett mi scho nie müese schäme vor mine finde,
wo nu über mi lached“
(Psalm 25, 1 + 2, Züritüütsch, us em Hebrèèische überträit vom Josua Boesch)

לדוד אליך יהוה נפשׁי אשׂא׃
  אלהי בך בטחתי אל־אבושׁה אל־יעלצו איבי לי׃
Hebräischer Text: Psalm 25, 1 und 2

“Von David
Nach dir, Herr, sehnt sich meine Seele.
Auf dich ,meine Gott, vertraue ich;
Lass mich nicht in Schande enden,
Lass meine Feinde nicht über mich triumphieren!”
(Psalm 25, 1 und 2 aus Genfer Studienbibel, Seite 900)

Der Psalm 25 ist ein akrostichischer Psalm. Wenn wir den gesamten Psalm in Hebräisch vor uns liegen haben würden, würden wir feststellen, dass jeder Zeilenanfang – mehrheitlich – nach dem Alphabet geordnet beginnt. Das bietet die Möglichkeit, den Psalm besser auswendig lernen zu können – in Hebräisch.

David bekennt in Vers 10 und 11:

“Alle Pfade des HERRN sind Gnade und Wahrheit denen, die seinen Bund und seine Zeugnisse bewahren.
Um deines Namens willen, o HERR, vergib meine Schuld; den sie ist gross!”

Gott verheisst, dass alle seine Wege (Pfade) Gnade und Wahrheit sind. Dann wird wie eine Bedingung angeknüpft: “die seinen Bund und seine Zeugnisse bewahren.” Luther übersetzt: “Die Wege des HERRN sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote halten.”

Wie halt man denn nun den Bund Gottes und seine Gebote? Es klingt irgendwie nach sehr viel Leistung und Anstrengung. Gerade im nächsten Vers heisst es dann:

Um deines Namens willlen, HERR, vergib mir meine Schuld, die so gross ist!” (PS 25,11, Luther)

Hier klingt eindeutig die Gnade hervor: Wir halten den Bund mit Gott, indem wir uns auf die Gnade Gottes verlassen und nicht auf unsere Leistung. David hat Sündenerkenntnis. Er ist von ihr überwältigt. Und er macht das weiseste: Er steht dazu, weil er weiss, dass der gnädige Gott ihm dies vergeben wird. Warum? David schreibt nicht, weil er besser wäre, als andere Menschen. Da steht nichts in diese Richtung. Es steht: “Um deines Namens willen, HERR,” Der Grund, warum David Vergebung liegt nicht darin, was er tut, sondern indem was GOTT IST: Gott ist gnädig und David verlässt sich auf Gott. Noch mehr: Um deines Namens willen. Der Name Gottes ist Programm. Hier steht יהוה   = JHWH. Aus lauter Ehrfurcht wurde dieser Name Gottes in Israel nicht mehr ausgesprochen. Man las anstelle dieses Namens “Adonaj”, also “unser HERR”, wie es auch in unseren zwei Uebersetzungen ins Deutsche geschehen ist. Wir wissen, dass Gott ein Dreieiniger Gott ist. Er lebt seit Ewigkeit in wertschätzender und liebevoller Gemeinschaft. Damit ist unser Gott ein liebevoller Gott, der so mächtig wie liebevolle ist. David erkannte, dass Gott liebevoll und barmherzig war, darum konnte er beten: “Um deines Namens willen, o HERR, vergib meine Schuld; denn sie ist gross!” und alle seine Wege sind Gnade und Wahrheit.

Auch Vers 8 + 9 nimmt dies auf: “Der HERR ist gut und gerecht, darum weist er die Sünder auf den Weg; er leitet die Elenden auf den rechten Pfad und lehrt die Elenden seinen Weg.”

Hier sehen wir auch die alttestamentlich Definition für einen gerechten Menschen: Es ist jemand dem Gott vergeben hat. Daraus wächst Gottesfrucht (Vers 12): “Wer ist der Mann, der den HERRN fürchtet? Er lehrt ihn den Weg, den er erwählen soll.” Und dies soll ihm in seinem Leben gut tun (s. Vers 13).
In den folgenden Versen werden neben unserer Sündhaftigkeit noch andere Probleme in unserem Leben aufgeführt. Sie warden Gott anvertraut, im Wissen, dass der HERR uns dadurch helfen wird.

“Meine Augen sind stets auf den HERRN gerichtet, dass er meinen Fuss aus dem Netze ziehe.
Wende dich zu mir und sei mir gnädig; den ich bin einsam und elend!
Erleichtere die Angst meines Herzens und führe mich heraus aus meinen Nöten!
Siehe an mein Elend und meine Plage und vergib mir alle meine Sünden!
Siehe an meine Feinde, den ihrer sind viele, und sie hassen mich grimmig.
Bewahre meine Seele und rette mich; lass mich nicht zuschanden werden; den ich traue auf dich!”
(Psalm 25, 15-20)

Und dann zeigt der Beter David, dass diese Zuversicht ihn nicht auf die dumme Idee kommen last, Unrecht mit Unrecht zu vergelten, wie ich es heutzutage immer wieder mal höre:

“Unschuld und Redlichkeit mögen mich behüten; den ich harre deiner.
O Gott, erlöse Israel aus allen seinen Nöten!” Amen, Herr mache das. Und erlöse auch uns aus allen unseren Nöten!

Die Gnade Gottes kommt im Neuen Testament noch klarer zum Vorschein, weil Gott selber, als Jesus Christus zu uns kommt. Er hat uns vorgelebt, wie Gott ist.
Dabei war Jesus der vollkommene Mensch und Gott. Auch als er sterbend am Kreuz meine Sünden übernommen hat und als er aus den Toten auferstandenden ist. Damals zerbrach er die Todesmacht. Leider müssen wir auf die vollkommene Erfüllung dieses Erbanspruchs noch warten:

“Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung; denn warum hofft auch jemand auf das, was er sieht?
Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit Ausharren.
Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; aber der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.
Der aber die Herzen erforscht, weiss, was der Sinn des Geistes ist; den er tritt für die Heiligen so ein, wie es Gott angemessen ist. Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.” (Römerbrief 8, 24 – 28)

Dies hat gewaltige Folgen für unser Christsein. Es ist absolut wahr, dass wir nicht besser, als
Nichtchristen sind. Häufig erlebe ich, dass wir Christen nicht in der ganzen Konsequenz begreifen, was dies für uns bedeutet: Wir sind wirklich errettete Sünder! Von Gott heilig gesprochen, weil Gott selber unsere Verfehlungen getragen hat. Der Unterschied ist nur Gnade. Jener Stein des Anstosses, der Christus ist. Denn wir wollen zutiefst geliebt warden, weil wir irgend etwas Gutes in uns haben und nicht nur, weil uns Gott wegen seines Namens liebt. Es bedeutet die völlige Bankrotterklärung unserer menschlichen Möglichkeiten. Und zwar nicht nur zur Errettung, sondern auch, um unser Leben heilig führen zu können. Wir können es aus eigener Kraft nichts, was Gottes liebevolle Masststäbe erfüllen könnte. Daher muss auch das Leben eines Christen, wie seine Errettung, aus Gnaden Gottes sein.

Nach den Männern des Neuen Testaments gab es drei Theologen, die dies sehr gut verstanden haben. Sie sind in dieser Sache wie drei Leuchttürme, die bis zu uns scheinen.

John Piper hat ein kleines Büchlein über diese Personen geschrieben, dass ich zur Zeit am Leben bin:
"Ueberwältigt von Gnade, Aurelius Augustinus, Martin Luther, Johanne Calvin" John Piper zitiert Seite 22 Augustin: "Wer ist nicht entsetzt über die Abgründe, die sich im Leben eines hingebungsvollen Menschen öffnen können?..." (S. 22)

John Piper schreibt u.a. dazu: "Augustinus wusste, dass ihm das Gleiche geschehen würde, wenn er aus eigener Kraft treu und rein bleiben sollte. Der Kampf für die allmächtige  Gnade war nicht theoretischer oder akademischer Natur; er war praktisch und höchst notwendig. Heiligkeit und Himmel standen auf dem Spiel. Darum kämpfte er mit aller Kraft für die Oberhoheit der Gnade gegenüber Pelagius' Verherrlichung der letztlichen Selbstbestimmung des Menschen."
Piper geht auf die Fehler dieser drei grossen Lehrer der Gnade ein. Sie seien damit und mit ihrer Lehre Zeuge der überwältigten Gnade Gottes.

"Es ist ein Buch über drei berühmte und fehlerhafte Väter der christlichen Gemeinde. Darum ist es ein Buch über die Gnade, nicht nur, weil die Treue Gottes über die Fehlerhaftigkeit der Menschen triumphierte, sondern auch, weil dies das eigentliche Thema ihres Lebens und Werkes war..... Sie hatten die Wirklichkeit der allmächtigen Gnade Gottes erfahren und bauten ihr Leben und ihren Dienst darauf auf. Insofern blieb ihre gemeinsame Leidenschaft für die Souveränität Gottes unbefleckt von menschlicher Rivalität. Jeder von ihnen bekannte öffentlich, dass das Wesentliche an erlebtem Christentum der herrliche Triumph der Gnade über das sündige Unvermögen des Menschen ist." (S. 21).

Augustinus konnte, indem er eine grössere Freude in Gott fand und indem er in allen Freuden und Liebe dieser Welt ein Geschenk Gottes sah, sich Gott freudig unterstellen. Solange er diese Freude nicht gefunden hatte, weigerte er sich Christ zu werden. Seine sexuellen Praktiken und sein philosophischer Stolz hinderten ihn, sich vor Gott zu demütigen. Ein ganz gewaltiger Gedanke. Den auch Calvin aufnimmt, wenn er schreibt: "Und es wird sich niemand Gott aus freien Stücken und willig in Gehorsam unterwerfen, der nicht seine väterliche Liebe geschmeckt hat und dadurch gereizt wurde, ihn zu lieben und ihm zu dienen." (Institutio I,5,3) Augustinus geht dann soweit, dass er sich sogar über die von Gott geschenkte Genialität der Irrlehrer und sich irrenden Philosophen freuen kann! Was für ein Gedanke. "Wer könnte der intellektuellen Brillanz genügend Gerechtigkeit widerfahren lassen, die Philosophen und Häretiker offenbaren, wenn sie ihre Irrtümer und falschen Meinungen vertreten?" (Seite 93) Was für eine positive Haltung Gott gegenüber! (Dies bedeutet natürlich nicht, dass er ihre Logik zugestimmt hätte. Im Gegenteil, Augustinus kämpfte dagegen. Aber die daraus resultierende Wertschätzung gegenüber Gottes Allmacht, muss uns gleichzeitig auch zu einer Wertschätzung unseres Nächsten führen, selbst wenn er seine von Gott geschenkte Genialität nicht sinngemäss anwendet. Bei Luther kam in dieser Situation sehr stark die Wut zum Vorschein. Manchmal ging er dabei zu weit und versündigte sich. Manchmal war es aber auch angebrachte. Vielleicht war es oft auch beides. Heute herrscht ja, vermutlich durch östliche Religiosität der Gedanke, dass Wut generell schlecht sei. Die Bibel selber hat da ein viel pragmatischeren Ansatz, wenn sie lehrt: "Zürnt und sündigt (dabei) nicht! Die Sonne gehe nicht unter über euren Zorn!" Epheserbrief 4,26) Sich über Ungerechtigkeit aufzuregen, ist nicht falsch. Gott selber tut das. Unser Problem ist, dass wir gerne unseren Zorn für den gleichen heiligen Zorn Gottes halten, wenn sich Gott über Ungerechtigkeit aufregt. Dabei vermischen sich in unserem Zorn häufig sehr egoistische Motive, diese kennt Gott nicht, und darum ist sein Zorn heilig, während unser Zorn häufig von Selbstgerechtigkeit genährt ist. Dann wird unsere Wut gewissermassen ein Verstärker unserer selbstverliebten Gerechtigkeit. Luther überschritt, leider, hin und wieder diese Grenze gegenüber Papstanhängern, Täufer und Juden. Neben all diesen Fehlern, darf man Luther aber nicht generell als menschliches Wesen die Würde abschreiben. Gott hat sehr viel durch ihn gewirkt. Luther ist, wie auch Cavlin und Augustin, mit ihrer Lehre UND ihrem unvollkommenen Leben ein Beispiel, wie Gott über unsere menschliche Unvollkommenheit triumphiert. Und Gott hat verheissen, einmal, wenn Jesus zum zweiten Mal kommen wird oder wenn wir sterben und so vor Jesus treten, dann wird er, wenn wir Jesus und seiner triumphierenden Gnade (und nicht unseren Möglichkeiten und unserer Leistung) vertrauen, dann wird er uns verherrlichen und das ganz unvollkommene wird abgetan sein: Danke Herr!

Was aber auch bleibt: Wir Christen sind in dieser Zwischenzeit im wahrsten Sinne des Wortes nicht besser als die Nicht-Christen. Wenn Luther davon spricht das wir gleichzeitig gerecht und Sünder sind und dass Gott eigentlich mit uns heuchelt, wenn er uns als Gerechte behandelt, dann sind das seine Worte, die das eindeutig erklären.

Danke Herr bist Du so voller Gnade. Lass mich - letztendlich - nie auf Menschen bauen, sondern auf Gott. Ich muss gegenüber Menschen immer wieder Vorschuss-Vertrauen bringen (sonst können sie sich nicht gesund entwickeln und ich würde zu einem "über-"kontrollierenden Menschen, der ihn Gefahr stünde, Machtmissbrauch auszuüben.), aber letztendlich gehört Dir meinem Gott mein Vertrauen. Vergib, wenn ich dass immer wieder verletze und von noch nicht verherrlichten Menschen mehr erwarte, als sie leisten können. Du allein bist gut! Du allein bist heilig und vollkommen! Du allein bist Gott in Ewigkeit. Danke, dass Du mit uns unvollkommenen, egoistischen, zur Selbstgerechtigkeit neigenden Menschen, Gemeinschaft haben willst. Danke, darf ich Dir hier und jetzt schon alles überlassen, damit Du mein unvollkommenes, irgendwo von Sünde beflecktes Wirken, heiligst und verherrlichst. (Römer 8,24 - 27)   Danke wirst Du uns einst verherrlichen. Dann, wenn das erst geistlich angebrochene voll hervortreten wird und wir sehen werden, dass all das Schöne hier im Vergleich zu dieser Herrlichkeit nur wie Schatten waren. Ich will Dir für alles Gute, dass ich hier erfahre, danken. Sie zeugen von Deiner Liebe zu mir!:

"Gib mir Gnade (o Herr) , nach Deinen Befehlen zu handeln, und befiehl mir zu tun, was Du willst! ... O Heiliger Gott ..., wenn man deinen Geboten gehorcht, dann deshalb, weil wir von dir die Kraft empfingen, ihnen zu gehorchen." (Augustinus aus "Bekenntisse") Oder kurz gesagt: "Befiel, was du willst; aber gib, was du befiehlst!"

Danke Herr.

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