Montag, 22. September 2014

Nachtrag zu 4. Mose 5,1-4

Das Abgrenzen von Unreinheit - so schockierend es ist, so gilt auch hier: Auch diese Menschen sollen wir lieben. Es ist ein Eigenschutz, der Jesus nicht nötig hatte. Darum brach er dieses Tabu und ging zu den Sündern und Zöllnern.
Und auch wenn ich nicht die Kraft habe und daher mich von gewissen Menschen distanzieren muss, gilt trotzdem, dass ich den Herrn und meinen Nächsten wie mich selber lieben soll. Und dies steht ja schon im Alten Testament. Das wir Menschen dies nicht immer machen (bezw. eigentlich gar nicht können), relativiert dies in keiner Weise. 
Ganz nebenbei: Hier sehen wir auch, wie wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen sollen, die eine ansteckende Krankheit haben. Dies wird umso aktuelle, wenn dereinst die Antibiotika gegen bakterielle Krankheiten nicht mehr wirken sollten und es gilt auch für das aktuelle Problem der Krankheit Ebola in Afrika:
Wir müssen in diesem Fall Quarantäne Einrichtungen schaffen, um die noch nicht krank gewordenen zu schützen. ABER wir sollen sie trotzdem lieben, d.h. ganz konkret auch versorgen und ihnen Geborgenheit und Schutz besorgen.

Und diese Tatsache ist nicht nur ein unerreichbares Ideal, sondern führte auch in der Menschheit immer wieder zu liebevollen und aufopfernden Handlungen. 
Nur ein Beispiel dazu: Zwingli, der Reformator von Zürich, ging bewusst zu den Pestkranken als Seelsorger. Zu jener Zeit war es eine Forderung an den Berufsstand des Pfarrers, dass er sich auch um jene kümmerte, die man aus Krankheitsgründen von der Gemeinschaft aussondern musste. (Allerdings können die Kranken und ihre Helfer eine neue Art der Gemeinschaft bilden! Und diese soll ebenfalls liebevoll und wertvoll sein.) Zwingli ging so lange zu den Kranken, bis er selber die Pest bekam. Man mag ja von Zwingli denken, was man will. Aber diese Berufsethik beeindruckt mich sehr: Hirten, die sich für die Herde Gottes aufopfern.

Gott schenkte es, dass Zwingli die Pest überlebte und es war wohl mit ein Beitrag, dass seinen christlicher Humanismus immer mehr in den Hintergrund treten liess und dafür die Bibel mit seinem grossen Schatz in den Vordergrund kam. Wie gerne hätte sich Zwingli durch eigene Anstrengungen verbessert. Er schrieb sogar an Erasmus, er müsse ihm dazu helfen, ob er nun wolle oder nicht. Aber es gelang Zwingli nicht. Gnade war es, was er brauchte. Gott selber, der ihm half und eine geistige Wiedergeburt schenkte. Der Umgang in der Politik (Zwingli war auch politisch Tätig), seine seelsorgerliche Tätigkeit und Predigt und sicherlich auch die Pestkrankheit riefen nach mehr, als nach seinen menschlichen Möglichkeiten. Der christliche Humanismus brachte ihn dazu Altgriechisch zu lernen und u.a. die Bibel zu lesen und grosse Teile des Neuen Testaments auswendig zu lernen. In diesem Schatz konnte der Heilige Geist zu ihm reden und er konnte zur Reformation - zur Erneuerung der Kirche - beitragen. In Zürich war die Reformation Teamarbeit. Daraus entstanden die Zürcher-Bibel. Wöchentlich informierten die Gelehrten, die Gottes Wort erforschten die Bevölkerung, die mit ihren eigenen Bibeln das Entdeckte nachverfolgen konnten.

Dabei war Zwingli auch nur ein Mensch, der noch auf die Verherrlichung bei der Rückkehr von Christus wartete und hoffte. Er hat Fehler gemacht - auch nach seiner noch tieferen Hinwendung zu Christus. Aber dafür ist auch Christus gestorben. Und gerade Zwingli analysiert dies ja klar in seinen Gedanken über die göttliche und menschliche Gerechtigkeit. Die menschliche Gerechtigkeit verdient nicht einmal das Wort Gerechtigkeit im Lichte der göttlichen Gerechtigkeit. Aber das soll uns nicht hindern, uns danach auszurichten und immer wieder Busse zu tun, damit wir die Freude in der Versöhnung durch Jesus Christus leben können. (So verstehe ich Zwingli. Und ich denke, dass ist zutiefst biblisch.)

PS: Ein Pastor sagte mir mal, dass er es merkwürdig finde, wenn jemand eine griechische Bibel mitnehme. Er denkt, dass Hochmut dahinter stecke. Ich nehme manchmal eine griechische Bibel mit in den Gottesdienst, obwohl ich kaum griechisch kann. Vielleicht hat er recht und es ist etwas Hochmut dahinter (vielleicht manchmal). Aber eigentlich ist doch das bei allem, was wir tun, auch bei unseren besten Werken mischt sich etwas Unreinheit, weil wir aus Gnade errettet sind und nicht aus unserer Selbsterlösung. In Christus haben wir alles, darum dürfen wir in diesem Sinne fröhliche Sünder sein (Luther). Und dann können wir auch das positive daran sehen und Freude haben: Immerhin liest da jemand die Bibel, er versucht sogar dabei Griechisch zu lernen. Für das andere muss man beten. 
Etwas ähnliches habe ich auch einmal im Hauskreis erlebt. Jemand erzählt, wie er jemanden helfen konnte. Und prompt fragt jemand, wo da der Egoismus dahinter steckt. Das kam eindeutig aus meiner Lehre! Aber ich erschrak auch: Auch wenn Egoismus (2) dahinter steckt: Man darf doch auch Freude an guten Werken haben und davon erzählen, damit das Licht scheinen kann. Für die Unreinheit darin können wir Busse tun und gleichzeitig sehr fröhlich sein. Jesus hat natürlich auch gesagt, wir sollen Gutes tun und die einte Hand (war es die Rechte?) soll nicht wissen, das die Linke tut, dann haben wir unser Lob  bei Gott. Das ist natürlich noch eine andere Variante. Aber sie schliesst die andere nicht aus. (Gerade Calvinisten neigen dazu, die guten Werke zu verstecken. Noch heute gibt es im "Daig", d.h. bei den reichen Basler (1), der Spruch: Darüber redet man nicht. Man man macht es einfach und dafür erhalten sie sicherlich Lob von Gott. Diese Demut, selbst vielleicht von Menschen, die gar nicht ein persönlicher Bund mit Gott eingegangen sind, ist ehrenwert. Und ich habe eine hohe Achtung davor. Aber die Freude und das Licht leuchten lassen, dürfen wir auch. Etwas komplex? Das liegt daran, dass Gott komplex ist und seine Schöpfung auch etwas davon abbekommen hat. Halleluja: Gut ist es so!)

Nun wünsche ich einen guten und gesegneten Tag!

AMEN!

(1) Der Daig waren oft hugenottische Flüchtlinge, also Reformierte aus Frankreich, die sehr erfolgreich in der Geschäftswelt waren. Eine ähnliche Haltung habe ich auch in Frankreich gehört. Dort sagt man, man zeigt den Reichtum nicht. 
Uebrigens auch der Rotkreuzgründer wuchs in einem calvinistisch geprägten Hause auf. Neben der Geschäftstätigkeit war es ganz normal auch sozial tätig zu sein. Seine Mutter nahm ihn auch zu ärmeren mit, als sie ihnen halb. So war der Schritt zur Gründung des Roten Kreuzes auch bei Henry Dunant ein logische Folge. Eigentlich wollte er ja dem Kaiser von Frankreich, Napoleon dem III schmeicheln für seine geschäftliche Aktivitäten. Als er aber die Not auf dem Schlachtfeld in Norditalien sah, kümmerte er sich mit vielen anderen um die Verletzten. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen dachte Dunant nun aber weiter. Wie könnte man diese Ad hoct Hilfe professionalisieren? Dies führte zum Roten Kreuz.

(2) Egoismus ist oft negativ. Doch es gibt auch ein Egoismus, der positiv ist. Ein gesundes Sorgen für sich selber. Leider hat auch dies der Sündenfall durcheinander gebracht und so wird aus dem gesunden Sorgen für sich selber, eine pervertierte Form. Dazu kommt, dass die Selbstaufgabe eine besondere (freiwillige) Hingabe an Gott sein kann.

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