Samstag, 28. März 2015

Freier Wille und die Knechtschaft des Willens

Auf Seite 1209 in der Genferstudienbibel habe ich einen interessanten Gedanken gefunden:
Hier wird zwischen freien Handeln und freiem Willen unterschieden. Dazu steht:

"Freies Handeln ist ein Kennzeichen der Menschheit als solcher. Alle Menschen handeln frei in dem sinne, dass sie frei entscheiden, was sie tun werden, wobei sie das wählen, was ihnen zusagt, gemäss ihrem gewissen, ihren Neigungen und Gedanken. Sie sind im Blick auf ihre Entscheidungen Gott und dem Rest der Menschheit gegenüber verantwortlich."

Es wird beschrieben, dass in diesem Sinne Adam vor und nachher ein frei handelnder Mensch war. Auf ähnliche weise sind auch wir heutige Menschen frei handelnd. Und dies werden wir auch nach unserer Auferstehung aus den Toten sein (wenn wir uns dieser Gnade hingegeben haben, in diesem Leben hier.). Nur dann werden wir verherrlicht sein:
"Die verherrlichten Heiligen lebe nach ihrem Willen; aber sie sind in der Gnade gefestigt, und daher können sie nicht sündigen. Ihre Entscheidungen sind das Ergebnis des freien menschlichen Handelns, getroffen in Ueberenstimmung mit ihrer Wesensart, aber nun sind diese Entscheidungen gut und richtig. die Umwandlung ihrer Herzen ist vollständig vollzogen, und sie trachten danach, zu tun, was vor Gott recht ist."

Das wird cool sein.

"Der freie Wille wurde von Lehrern der Christenheit seit dem 2. Jahrhundert definiert als die Fähigkeit, in einer bestimmten Situation aus allen denkbaren moralischen Möglichkeiten auszuwählen. Augustinus lehrte, dass diese Fähigkeit durch den Sündenfall verlorengegangen sei. Dieser Verlust ist Teil der Last der Erbsünde. Seit dem Sündenfall ist unser Herz von Natur aus nicht mehr Gott zugeneigt; unsere Herzen sind an die Sünde gebunden und können aus dieser Sklaverei nur durch die Gnade der Wiedergeburt befreit werden. diese Auffassung vom freien Willen zeigt Paulus in Römer 6,16-23.

Nur ein Wille, der freigemacht wurde, ist in der Lage, freiwillig und aus ganzem Herzen die Gerechtigkeit zu wählen. Eine dauerhafte Liebe zur Gerechtigkeit, d.i. eine Hinwendung des Herzens zu dem Lebenswandel, der Gott gefällt, ist Teil der Freiheit, die christus schenkt (Johannes 8,34 - 36; Galather 5,1.13)

Hier sehen wir, dass die calvinistische Lehre des Freien Willens eng mit dem Verständnis der Wiedergeburt zusammenhängt: Nur durch die Wiedergeburt können wir frei werden. Ohne sie können wir zwar frei handeln, aber wir haben in eben definierten Sinn keinen freien Willen. Heute wird der freie Wille natürlich anders defniert und daher müsste man - wie es bereits Jonathan Edwards getan hat, vom freien Willen des Menschen sprechens, weil damit gemeint ist, dass der Mensch frei handelt. NUR zugleich muss man anführen, dass die Menschheit seit dem Sündenfall unter die Sünde versklavt ist. Damit weist sie eine gewisse Blindheit für die eigenen Sünden auf. Sünden anderer Menschen und anderer Nationen können üblicherweise besser erkannt werden (Es sei denn, man hat sein Gewissen so vernebelt, dass man Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit erklärt.) 

Nun gibt es Christen, die glauben, sie können aus eigener Kraft sich zur Gnade Gottes hinwenden. Der Grund liegt natürlich darin, dass  sie es genau so erlebt haben: Sie haben aus innerster Ueberzeugung sich Jesus Christus als ihrem Herrn anvertraut. Sie haben Busse getan über ihre erkannten Sünden und wissen, dass Gott sie liebt, als Sünder. (Der Stolz und die Selbstliebe sucht natürlich auch dann noch nach irgendetwas in sich selber, damit Gott mich liebt. Aber dies muss auch Jesus hingelegt werden: Er liebt uns, als wir noch Sünder und Feinde Gottes waren. Und er liebt uns jetzt auch als Christen, nicht weil wir etwas Gutes tun, sondern weil er uns selbstlos liebt.) 

Zurück aber zum Bekehrungserlebnis: Man gibt sich also ganz bewusst, mit ganzem Willen Gott hin. Vielleicht geschieht dies in einem Moment, vielleicht ist es aber auch ein fortschreitender Prozess über eine längere Zeit. Aber selbst jene, die konkret den Tag sagen können, werden zugeben, dass es danach noch weiter ging. Das besondere ist nun, und ich denke da trifft der Calvnismus oder auch die anderen Reformierten, Luther, Augustinus, Jonathan Edwards, George Whitefield und wie sie alle heissen mögen, den Nagel auf den Kopf: Die eigentliche Wiedergeburt schafft Gott selber. Durch diese Befreiung wollen wir dann Wollen! Dies bringen auch folgende zwei Verse zum Ausdruck:

"Allen denen aber, die ihn aufnahmen gab er Vollmacht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen namen glauben;
die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." (Johannes 1,12+13) (2)

Hier wird klar gesagt: Wer Jesus Christus aufnimmt, bekommt die Vollmacht Gottes Kind zu werden. Es sind jene, die an Jesus Christus glauben, die zu Kindern Gottes werden.
Noch im gleichen Satz, im Vers 13 wird dann gesagt, dass dies nicht aus dem Willen des Fleisches, also nicht aus mit unseren menschlichen Möglichkeiten möglich ist. Wir können uns nicht aus eigener Kraft zu Kindern Gottes machen. Es wird noch deutlicher gesagt: Es ist eine Geburt aus Gott, die nicht aus dem Willen eines Mannes entstand. Es mögen Kinder auf diese Welt kommen, dessen Vater die Geburt nicht gewollt hat. Was er aber mit grösster Wahrscheinlichkeit wollte, war der Akt dazu. Bei Gott ist dies nicht so: Jedes Kind Gottes ist von ihm erwählt, auserwählt und gewollt!! Warum? Nicht weil dieses Kind besser wäre als andere, sondern weil er es liebt. Darum ist die Wiedergeburt ein Willensakt Gottes! Gott will!! Und darum schenkt er uns den Willen, dass wir unsere Sünden erkennen und die Barmherzigkeit Gottes für uns anerkennen wollen. 

Somit ist die Idee, dass wir uns bekehren und Gott uns dann die Wiedergeburt schenkt, für uns Christen subjektiv wahr. Die biblische Botschaft zeigt uns aber, dass Gott uns schon zuvor etwas wichtiges schenkte: die Wiedergeburt, damit wir zu Jesus kommen wollten. Das ist die objektive Wahrheit! Und damit geben wir alle Ehre Gott. Hier ist dann kein Raum mehr für die selbstbetrügerische Idee einer Selbsterlösung. Es bleibt kein Ruhm für uns. Die Ehre und der Ruhm gehört alleine Gott. UND das macht mich wirklich frei! UND auch sicher: Denn Gott selber ist der Grund für meine Errettung. Und er wird das in mir vollbrachte Werk vollenden. Ihm allein kann ich dafür danken.

Natürlich habe ich in diesem Leben meine freie Entscheidungen, meine Verantwortung nun unter dem Licht der Bibel zu tätigen. Und hier wird es nun etwas schwieriger, als vor meiner Bekehrung. Denn nun wohnt der Dreieinige Gott in mir. Mein Geist ist nun willig das Gute zu tun. Aber mein Fleisch, d.h. meine menschlichen Möglichkeiten und der alte sündhafte Mensch,  ist auch noch da. Luther meinte, er versuchte ihn zu ertränken, aber er kann schwimmen. Daher ist eben eine geistliche Kampfführung nun wichtig. Man könnte auch Heiligung sein. Es ist logisch, dass es sich hier nicht um ein sich gut machen handeln kann. Aber genau dies wird unser alter Mensch uns einreden wollen, damit er uns wieder in ein Leistungsdenken versklaven kann. Nein: In Jesus Christus habe ich alles. Da gibt es nichts mehr zu tun, Jesus hat alles getan. Dennoch bin ich verantwortlich und muss nun in meiner Freiheit in Christus bleiben. Dies beschreibt Paulus als sportlicher Wettkampf. Und zugleich musste er als - vermutlich - Choleriker (= stark willensfähig) auch zugeben, dass wenn er schwach ist, Gott stark ist. Wir sollen mit aller Kraft nach der Gnade, Barmherzigkeit und Heiligkeit streben. Aber dies beginnt nicht mit guten Werken, sondern mit dem Bleiben in Christus. Aus dieser Beziehung lernen wir uns selber immer besser kennen. Wir werden Busse über die erkannten Sünden tun und Gottes Vergebung dankbar annehmen. Dadurch bekommen wir Gott immer lieber und wir werden immer barmherziger. In dieser Haltung des Wissens um unseren Balken werden wir dann auch den Spriesser anderer ansprechen dürfen. 

Wir sind also, ob Christen oder nicht Christen, alle frei handelnde Menschen, die für ihre Entscheidungen 100 % verantwortlich sind. Wir können also sicher sein, dass unsere Tendenz die Verantwortung anderer zuzuschreiben, vor Gott nicht akzeptiert wird. Eigentlich ist dies lächerlich und zeigt eine unreife. Menschen, die Verantwortung übernehmen und um Entschuldigung bitten können, sind da viel reifer.
Wahre Christen nun, werden auch für ihre besten Werke Busse tun, weil sie wissen, dass auch in ihren besten Taten noch Sünde enthalten ist:

"Weil kein Mensch auf Erden so gerecht ist, dass er Gutes tut, ohne zu sündigen," (Prediger 7,20) 

Wer es nicht glaubt, hilft vielleicht dies:

""O Eitelkeit der Eitelkeiten! spricht der Prediger; alles ist eitel!" (Prediger 12,8)

Ich glaube Blaise Pascal sagte ebenfalls, dass alles Eitel sei. Und er, der dies sage, sage dies selber aus einer Eitelkeit heraus.

oder

"Es ist erstaunlich, das etwas, dass so offenbar ist, wie die Eitelkeit der Welt, so wenig bekannt ist, dass es befremdet und überrascht, wenn man sagt, es sei Torheit, ihre Auszeichnungen zu suchen."

"Es gibt nur zwei Arten von Menschen, die Gerechten, die sich für Sünder halten, und die Sünder, die sich für Gerechte halten."

"Wie wohl fühlt sich der Mensch, wenn er vom vergeblichen suchen des Heils im weltlichen Leben erschöpft, ermattet, seine Hände zu Gott ausstreckt."

Blaise Pascal hat als Römisch-Katholischer eine eindrückliche Wiedergeburt erlebt. Er hat es aufgeschrieben und in sein Morgenmantel genäht. Als Philosoph muss er genial sein. Sein Buch: "Denken" habe ich leider bis heute nicht gelesen. Auch als Naturwissenschaftler hat er einiges erreicht, darum messen wir den Luftdruck nach seinem Namen. Für seinen Papi erfand er die Rechenmaschine. Damit konnte der Vater als Steuereintreiber einfacher rechnen. Ich glaube heute wird er von Protestanten wie Römisch-Katholischen geschätzt. Zu seiner Zeit kamen aber, wenn es mir recht ist, einige seiner Schriften auf eine Liste, die der Pfarrer von Rom als Bücher verboten hatte. Blaise Pascal war ein Denker... (1) Und  der Heilige Geist hat ihm mit der Wiedergeburt auch einen freien Blick auf die Sünde gegeben.

Anhang
(1) laut Wickipedia wurden die "Lettre provinciales" 1660 auf dem Scheiterhaufen vom Henker verbrand.
(2) Weitere Bibelstellen zu diesem Thema:
"Jesus antwortete und sprach zu ihnen: das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glabut, den er gesandt hat." (Johannes 6,29)

"Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, dass ihn der Vater zieht, der mich gesandt hat; und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag." (Johannes 6,44: Darum ist unsere Fürbitte für andere so wichtig.)

"Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mri kommen; und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen. (Johannes 6,37)

Interessant ist, dass heute im Vergleich zu früher ein viel schlechteres Selbstbewusstsein vorhanden ist. Vielleicht wird auch darum soviel über Selbstbewusstsein gesprochen. Auf jedenfall wird mir sehr oft gesagt, dass die Erwählung verunsichere, weil man sich fragt, ob man dazu gehören könne. Hier wird also die bedingungslose Annahme nicht direkt abgelehnt, sondern man schliesst sich davon aus. Dies könnte von einem Mangel an gesundem Selbstbewusstsein hindeuten. Oder ist es ein Mangel an Lehre, dass Jesus Sünder annimmt und was Sünde wirklich ist? Denn gerade wenn wir Sünder sind, gilt uns die Vergebung der Sünden. Es ist eine schlimme Verwirrung, wenn man sich von der Auserwählung ausschliesst. Vielmehr sollte diese Unsicherheit uns dazu antreiben, uns in die liebevolle Arme Jesu zu werfen. Denn wir können sicher sein, dass Jesus Sünder annimmt. Er hat ja dafür gelitten und ist dafür gestorben. Darum: Immer wenn eine solche "ver-rückte" Idee aufkommt, zu Jesus fliehen und daran denken, dass Jesus versprochen hat:

"Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt;" (Johannes 11,25)

Dabei dürfen wir bei aller Unsicherheit wissen: Gott ist es, der Rettet. Er ist unsere Sicherheit. Er macht es. Unsere Verantwortung ist es, auf ihn zu hoffen und zu trauen und in Christus zu bleiben. Aber selbst das, ist eine Frucht, die Gott selber wachsen lässt. Irgendwie so bringt man Gottes Allmacht und unsere Verantwortung in ein gesundes Verhältnis. Leider ist unser menschlicher Verstand zu klein, um es vollständig zu erfassen. Aber wir verstehen ja vieles nicht. Trotzdem können wir im praktischen Leben damit umgehen: Wie viele verstehen die Elektrizität nicht und können trotzdem das Licht an und ausschalten? Darum kann Jesus sagen:

"Wenn jemand seinen Willen tun will, wird er erkennen, ob diese Lehre, von Gott ist, oder ob ich aus mir selber rede. Wer aus  sich selbst redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und keine Ungerechtigkeit ist in ihm." (Johannes 7,17-18)  

1 Kommentar:

  1. Amen Bruder! Danke für die gute Darstellung. Mir war Edwards da auch eine große Hilfe (in Kurzform "Die Lehren der Gnade" von Boice und Ryken)
    Weiterhin Gnade und Frieden von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.

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