Es stellt sich die Frage, ob in Deutschland (im Westen?), die Suche nach der Wahrheit noch einen genügend grossen Stellenwert hat. Könnte es sein, dass die Postmoderne ihre Dogmen intolerant vertritt? Oder noch mehr: Lässt sie ihre Dogmen nicht mehr hinterfragen?
Im Mittelalter hat man Dogmen ehrlicherweise als Dogma bezeichnet. Es gab eine intellektuelle (oder manchmal auch weniger intellektuelle) Diskussion darüber und dann hat man diese Dogmen definiert. Könnte es heute sein, dass man heute an absolute Wahrheiten glaubt und sich dessen nicht mehr bewusst ist, dass es Dogmen sind? Ein Indiz dazu könnte sein, dass man den Begriff Dogma für moderne Ueberzeugungen nicht mehr nutzt, ausser es sind Dogmen, denen man nicht zustimmt. (Dogmen haben also immer nur die anderen. Daher sind auch nur immer die anderen Fundamentalisten. Doch um etwas oder jemand zu beurteilten benötigt man eine Grundlage (= ein Fumandent). Dazu gehört auch die Ueberzeugung, dass alles relativ ist.)
Wir erinnern uns: Dieses Jahr feiern wir 500 Jahre Reformation. Während im Mittelalter lange die Kirchen und weltlichen Mächte die Waage zu halten versuchten (mit entsprechenden Konflikten), verstand sich die römische Kirche immer mehr als absolut (Was dann auch den Absolutismus in der Neuzeit förderte.): Die römische Kirche unterschied immer weniger zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche. Dabei wurden auch die menschlichen Möglichkeiten überschätzt, das wiederum dazu führte, dass die Leitung der Kirche, insbesondere das System des Papstes, zuviel Macht erhielt. (Im Mittelalter führten viele Rufe nach Reformen zu einer Machtzunahme des Papstes. Es sollte es richten. Es gab auch andere Reformbewegungen vor der Reformation, die dass differenzierter sahen, wie die Waldenser.) Zuviel Macht führt früher oder später zu Machtmissbrauch. Die Gnade Gottes und die Kraft von Jesus Christus wurden durch die menschlichen Möglichkeiten, Heiligenverehrung, Ablasshandel usw. wie überdeckt. Die Reformation versuchte dies zu korrigieren und die Kirche zu erneuern (= reformieren). Die Gegenreaktionen, besonders die Gegenreformation waren häftig und führten zu gewaltigen Kriegen (schmalkadischer Krieg und dann der grauenhafte Dreissigjährige Krieg und weitere kleinere Konflikte in Frankreich, Polen usw.).
Längerfristig führte gerade die "strengste" Gruppierung, die reformierte Theologie eines Calvins usw. zu den grössten Freiheiten und Ordnungen. Fortschritt in Wissenschaft, Wirtschaft, Schulbildung, soziale Wohlfart sind ohne die Reformation und die dann folgenden Bewegungen nicht erklärbar. Das dies heute zum Teil geleugnet wird, sagt sehr viel über unsere Zeit aus. Und stellt mir die Frage:
Können wir noch differenzieren?
Können wir noch intellektuell Denken oder führt die Postmoderne mit dem Glaubensdogma: "Es gibt keine Wahrheit." zu einem Klima des nicht mehr Lesens wegen der Bereicherung des Wissens, keine Freude am Wissen zur Ehre Gottes und Förderung der Menschlichkeit, des nicht mehr differenzierten Beurteilens von Poltikeren, Themen, Religionen usw, des nicht mehr mündigen Glaubens und Denkens?
Könnte es soweit kommen, dass wir uns immer mehr ängstlich umschauen müssen, was gerade der Zeitgeist glaubt und ja nichts mehr kritisch zu hinterfragen?
Wer die ersten Zeilen der Bibel list, der Schöpfungsbericht, wird sehen, dass Gott durch "Scheidung", dass heist durch Trennung gestalterisch wirkt. Gott differenziert. Wenn wir denken, sollten wir auch differenzieren, weil wir als Gottes Ebenbild auch so denken können. (Ich schreibe nun nicht über den Inhalt, sondern nur die Methode! Hier sollte unter vernünftigen Menschen eine Einigung möglich sein. Auf dieser Basis kann man dann die Wahrheit suchen. Dazu gehört die Faktenlage zu prüfen und dann eine Auswertung und eine Auslegung vorzunehmen. Wobei wir immer zwichen Faktenlagge und Auslegung unterscheiden müssen. Darüber darf und muss disputiert werden. Gelehrte müssten darüber denken und diskutieren. Und auch weniger Gelehrte können damit einbezogen werden, das nennt man Bildung für alle. Nebenbei sollte man anständig streiten. Das ist nicht einfach, aber für eine Demokratie und jede Art des wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, philosophischen usw. Fortschrittes eine wichtige Grundlage.)
Wer Christ ist, tut gut daran, für Freiheit des Denkens und die Suche nach der Wahrheit im Gebet einzustehen. Auch für die verantwortlichen in Wirtschaft, Lehre und Politik sollte ich mehr beten: damit wir ein ruhiges Leben führen können. Und auch allen anderen tut das gut.
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