Gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer Person, die sich vermutlich nur aus einer alternativen Informationsquelle informiert. Seine Argumentation zum Thema Ukraine-Krieg erinnerte mich an an seine Argumentation i.S. Corona. Was mich dabei erschreckt: Er ist ein lieber und vernünftiger Mann, dem ich mein Geld anvertrauen würde, aber seine Meinung in diesen zwei Themen ist zu einseitig, dass sie nicht wahr sein kann.
Seitdem ich Kind bin, kann ich mich in verschiedene Gedankenwelten hineindenken. Als Kind habe ich in meinem Zimmer mit kleinen Figürchen u.a. verschiedene Länder kreiert, die ganz verschiedene Überzeugungen vertraten. Und so mache ich das heute noch: Ich höre gerne jemanden zu und versuche so seinen Standpunkt zu verstehen und in seiner persönlichen Logik zu denken. (Manchmal kann ich mich natürlich auch darüber aufregen, weil ich etwas sehr schlimm finde.) Bei diesem Gespräch scheint die Logik aber in sich unlogisch zu sein. Und es ist mir völlig unerklärlich, wie beim Thema Corona und nun auch beim Thema Ukraine-Krieg, dass man eine Meinung vertreten kann, die in sich unlogisch ist. Und ich bemerke dies nicht nur bei ihm, sondern bei vielen anderen. Es ist enttäuschend zu erkennen, dass man mit aller Vernunft sich so verirren kann. Was ich sehe, dass hinter dieser Meinung ein tiefes Misstrauen gegenüber unserer Führungsschicht besteht. Eigentlich traut er den Mächtigen des Westens so ziemlich alles zu. Und es gäbe sicherlich Dinge, die von unseren Eliten getan werden könnte, um dieses Vertrauen wieder zu gewinnen.
Aber zurück zu seiner Argumentation:
Die Ukrainer werden von den USA gezwungen den Ukraine-Krieg zu führen. Wie ist es aber möglich, dass dieses Volk soviel Leid auf sich nimmt, um gegen Russland zu kämpfen, wenn das nur von den USA erzwungen wäre? Es erinnert eher an russische Propaganda. Und diese kann gleichzeitig davon berichten, dass die Ukrainer eine Gehirnwäsche vollzogen wurden. Nur damit gibt man ja gleichzeitig auch zu, dass es ein Wille der Ukrainer gibt, nicht von Russland erobert zu werden. Oder die aktuelle Warnung von Herrn Putin, dass die Ukrainer eine schmutzige Bombe zünden und diese dann den Russen unterstellen wollten, um dann noch mehr Hilfe zu bekommen. Wenn die Ukrainer das wollten, dann wäre es ja ganz klar, dass die Ukrainer auch einen Willen zur Unabhängigkeit von Russlang hätten. Der nette Herr aber geht noch weiter als Putin, indem er sogar den Verdacht äussert, dass die USA selber eine schmutzige Bombe zünden wollen könnte. Mit anderen Worten, er misstraut dem Westen so sehr, dass er das für möglich hält. Belegen tut er diese Vermutung, indem er darauf hinweist, dass die USA die einzige Macht ist, die jemals Atombomben einsetzten. Nur: Das war ja nicht etwas, was die USA im Geheimen gemacht hatte. Ganz im Gegenteil, dass war hoch offiziell und auf der ganzen Welt bekannt. Offiziell ging es darum, das bereits am verlierende Japan zur Aufgabe zu zwingen. Die Alternative wäre gewesen mit konventionellen Kräften Japan zu erobern, was vermutlich ebenfalls sehr viele Opfer gefordert hätte. Und es war sicher auch noch der Wille dahinter, wissenschaftlich zu sehen, was alles nach einem Atombombenabwurf geschah. Und was man da sah, war der Horror und verhindert bis heute, dass sie eingesetzt wurden. Das heute gerade von Russland immer wieder mit dem Einsatz von Atombomben gedroht wird, lässt genau diesen Schrecken aufkommen. Ich habe einen Bericht eines Japaners gesehen, der die Atombombe nur darum überlebte, weil er im betrunkenen Zustand als Sanitäter jemandem ausserhalb der Stadt helfen musste. Als er auf dem Rückweg war, kam ihm etwas Schwarzes entgegen. Seine Beschreibung dieses Menschen hatte nicht mehr viel menschliches. Die schwarze Gestalt brach dann auch zusammen und starb vor ihm . Grauenhaft. Er selber überlebte nur, weil er ausserhalb der Stadt als Sanitäter jemanden half. Jene Menschen, die sofort verdampften hatten weniger Leid, als jene, die den Atombombenabwurf überlebten. Man denke nur an all die Langzeitfolgen.
Und nun zur schmutzigen Bombe. Das wäre keine "richtige" Atombome, sondern "nur" radioaktiver Abfall, der ähnlich wie der Atombombenunfall von Tschernobyl eine Gegend praktisch unbewohnbar macht und gleichzeitig - je nach Windrichtung - grosse Teile von Europa zeitweise verseucht. Persönlich glaube ich, dass dies die Ukraine wohl kaum wollen kann, weil sie ja das Land befreien und nicht verseuchen will. Es wäre sehr pervers, wenn jemand damit mehr westliche HIlfe generieren wollte. Daher verstehe ich den Gedanken, dass es Russland selber vorgibt, um so eine Atombombe einsetzten zu können und sie dann den Ukrainern unterzuschieben. Und wenn es wahr ist, dass in einem autoritären System die Lügen nicht wirklich gut belegt sein müssen, weil man es einfach zu glauben hat, erhöht dies natürlich noch die Wahrscheinlichkeit, dass dies wahr sein könnte. Aber wissen tue ich es nicht. Mich selber verwirren diese Informationen, die sich widersprechen. Eigentlich würde ich erwarten, dass die Wahrheit in der Meinungsfreiheit ans Licht kommt. Ich habe es eben versucht mit einigen Gedanken so nachzuvollziehen.
Interessant ist nun, dass ich diese Woche auch ein Interview von der Berliner Zeitung mit Herrn Orban hörte. Er gilt ja im Westen als guter Freund von Putin. Er selber trat in diesem Interview für eine sofortige Feuerpause ein, um Friedensverhandlungen zu führen. Ich denke, die Ukraine möchte zur Zeit soviel wie möglich von ihrem Land zurückerobern, um dann aus einer möglichst starken Position Friedensverhandlungen einzugehen. Orban denkt in erster Linie, was den Ungarn am meisten bringt. Interessanterweise sieht er es auch konträr zur offiziellen Meinung der Polen, auf die sie in diesem Interview auch eingingen. Für mich war erstaunlich, wie sich Herr Orban auf die kritischen Anfragen verhielt: Er gab sich offensichtlich Mühe auch unangenehme Fragen klar zu beantworten. Als ich meinem netten Gesprächspartner von diesem Interview erzählte und dass Orban vor allem die Interessen Ungarns vertreten will und darum sofort eine Waffenruhe fordert und darauf bestand, dass er weiterhin Oel usw. von Russland bekommt UND dass er aber doch zugleich den ukrainischen Kampf gegen Russland als heroisch bezeichnete, liess dass mein Gesprächspartner nicht seine eigene Meinung hinterfragen. Er ist weiterhin davon überzeugt, dass die USA die Ukraine zwingt diesen Krieg zu führen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Ukrainer gibt, die gerne mit den Russen zusammenarbeiten. Allerdings wird dies wohl bei jenen, die unter den Bombenangriffen von Russland leiden, eher abgenommen haben. So habe ich einen Bericht gehört, wie sich ein ukrainischer Soldat über seinen Erfolg bei der Zerstörrung einer russischen Position in russischer Sprache freute. Ein russigsprachiger Urkainer, der sich für eine von Russland unabhängige Ukraine einsetzt. Zugleich gibt es aber auch ukrainische Blogger, die sich regelmässig als Freunde der russischen Eroberungskrieges outen. Auf "Welt" geht ein Journalist in Moskau den russisch-freundlichen Bloggern nach, um ihre Meinung zum Verlauf des Ukrainekrieges aus ihrer Sicht zu erkennen. Und dabei erwähnte er u.a. auch einmal, dass darunter auch Ukrainer sind. Vor dem Krieg gab es vermutlich viele Ukrainer mit Sympathien zu Russland. Ich vermute, dass diese aber unter der agressiven Politik und Krieges von Putin abgenommen hat. Aber definitiv wissen, kann ich es natürlich nicht. Ich deute die mir vorliegenden Informationen so und es erscheint mir so am wahrscheinlichsten. Und dann gibt es wohl auch viele, gerade in den besetzten Gebieten, die sich der Besatzungsmacht auch einfach beugen, um besser überleben zu können. Und vielleicht gibt es auch einige Ukrainer, denen es bis zu diesem Krieg nicht so wichtig war. Vielleicht schuf Putin mit seiner Agressionen eine Ukraine die entschlossen sich von Russland distanzieren will? Auf jeden Fall wird die Agression Russland genau dies fördern, wie es ja auch Finnland und Schweden in die Nato trieb. Natürlich gibt es auch den anderen Effekt: Terror lässt manchmal die Opfer sich mit den Terroristen psychisch verbinden. Und Machtmenschen, die nur Unterwerfung wollen, nutzen gerne diesen Effekt. Allerdings klappt das nicht immer und es kann genau das Gegenteil bewirken.
Und wenn es wahr ist, was ich gestern las, das 2000 ukrainische Kinder nach Russland gebracht wurden und diese nun zum Teil adoptiert werden und sie dabei gezwungen werden, keine ukrainische Lieder oder gar Hymnen zu singen, sondern nur noch Russische, dann wäre das ein weiterer Beweis, dass es Russland um die Verdrängung der ukrainischen Kultur ginge. Wenn man nun bedenkt, dass die Ukraine die Mutter der russischen Kultur ist, dann ist das auch aus historischer Perspektive pervers. Warum kann Russland nicht weiser handeln?
Wie kann man diese Spirale der Gewalt beenden? Manches erinnert an den ersten Weltkrieg: Es ist so sinnlos. Hoffen wir, dass nicht alles den Bach hinuntergeht, wie beim ersten Weltkrieg. Schon jetzt leidet nicht nur die Ukraine, auch der Westen und vor allem Russland selber: Russland schwächt sich selber längerfristig. Bis vor Kurzem hat Herr Putin Russland aussenpolitisch als wichtigen Player viel Einfluss gewinnen lassen. Und in einem gewissen Sinne nimmt es auch jetzt noch zu, Bsp. Weissrussland. Nun aber gerät Russland unter die Achseln Chinas, wie es Herr Orban im bereits erwähnten Interview nannte. Mir wäre es viel lieber, Russland wäre ein guter und selbstbewusster und auch selbständiger Partner des Westens, als das was wir hier erleben. Es wäre für alle besser. Es ist eine völlig verfahrene Situation und es ist zu hoffen, dass der Konflikt nicht noch weiter eskaliert, sondern zu einem vernünftigen Ende führt, indem Russland wieder Vertrauen austrahlen könnte. Das haben wir im Westen vergessen, aber nach den napoleonischen Kriegen war Russland für Europa ein Stabilisator. Das zaristische Russland unterstützte die Schweiz in ihren Wünschen und half sogar mit Entwicklungshilfe in der Schweiz. Das mag etwas erklären, warum in den Alpen, bei der Teufelsschlucht, bis heute ein grosses russisches Kriegsdenkmal aus dieser Zeit stammt. Ich wünschte mir, Russland würde zu einer solchen politischen Ausstrahlung zurückfinden.
Aber was mich noch viel mehr bewegt, warum gibt es im Westen, wo wir ja die Freiheit haben, ein solch grosses Misstrauen gegen die Führungsschicht im Westen, dass man ihnen alles Hinterhältige zutraut?
Und hier kommen wir an einen Punkt, wo es besonderst theologisch und philosophisch wird: Können wir im Westen noch nach der Wahrheit in aller Freiheit suchen? Ich bin überzeugt, dass hat den Westen in der Vergangenheit so erfolgreich gemacht.
Prinzipiell glaube ich schon, dass wir noch Raum für die Wahrheitssuche haben. Wir sind immer noch viel freier, als manch andere Weltregion. Aber im Vergleich zu meiner Jugendzeit hat es abgenommen. Durch die Postmoderne werden die eigene Wünsche und Gefühle viel stärker betont, als die Selbstreflektion: Wir vernachlässigen das differenzierte Denken. Immer öfter werden Prinzipien unterschiedlich angewandt. Und leider fördern unsere Medien das kurzfristige denken. Unsere Schulen verlieren an Qualität, was mit Selbstbewusstsein kompensiert wird. Lieber Feiern wir anstelle gründlich nachzudenken. Und wenn man dann gründlich denkt, wie dieser nette Herr, dann verlieren wir uns in unserer eigenen Logik, weil wir unsere eigene Logik nicht mehr differenziert betrachten können.
Zur differenzierten Logik gehört es auch, etwas stehen zu lassen. Oder einfach zu versuchen zuzuhören. Einfach zu sehen, was ist wirklich da. Es gibt aber immer mehr die Tendenz mit einer Übermoralisierung die eigenen Eindrücke allen Menschen aufzudrücken. Im Christentum kennt man das gut. Die Bibel ist voll von diesem Thema. Und auch in unserer Philosophiegeschichte ging es immer wieder darum, was ist wirklich wahr, wie ist es wirklich. Im Mittelalter war dies der Nominalismus. Heut nennen wir die Vertreter des Nominalismus Realisten. Im Mittelalter nannte man die Anhänger Platons Realisten, die wir heute Idealisten nennen. Aber auch diese suchten die Wahrheit. Nur waren sie der Meinung, dass das, was wir hier sehen nur ein Abbild von der wirklichen Realität ist. Also den Stuhl, den wir sehen, ist ein Abbild eines realen und idealen Stuhls. Darum nannte man diese Position im Mittelalter Realismus. Wir aber betonen heute den ideellen Charakter dieser Denkweise, darum Idealismus. Es zeugt auch davon, dass unsere Philosophie seit Platon und Aristotels ein Problem hat, dem Ganzen einen Sinn zu geben und dem Einzelnen. Platon deutet darum "In der Schule von Athen", einem Fresko von Raffaelo, dass er 1510 bis 1511 für den Papst gemalt hat, auf das Allgemeine in die Höhe, während Aristoteles mit seinem Finger hinunter- oder nach vorne zeigt und das Einzelne betont. Der biblische Standpunkt gab den Reformatoren eine gute Haltung in dieser Spannung, weil die Bibel beide Bedeutungen im richtigen Licht erklärt. Wie die biblische Prädestinationslehre oder das Verständnis von Mann und Frau oder die Trinitätslehre, wird die Spannung der Gegensätze erhalten (= des Einzelnen und dem Ganzen). Diese Antinomie findet in ihrer detaillierten und differenzierter Betrachtung ihr gesundes Verhältnis: Bsp. bei der Prädestinationslehre: Gottes Allmacht UND unsere Verantwortung. Drei Personen und doch eine. Oder die Ergänzung von Mann und Frau oder Leib und Geist = eine lebendige Seele usw.
Martin Luther studierte in Erfurt. Dies war eine nominalistisch geprägte Universität. Luther war also sehr auf das fokussiert, zu überprüfen, was wirklich war. (Ockam war der Nominalist des Mittelalters, der den Empirismus damit förderte.) Zugleich trieb ihm die ockhamische Bussenlehre in die Verzweiflung. Denn Wilhelm von Ockham (ca. 1288 bis 1347) lehrte, dass man zuerst durch eine tiefe Zerknirschung zur unegostischen Liebe durchdringen müsse, bevor man Vergebung erlangen könne. Martin Luther aber spürte in sich etwas ganz anderes: All seine Versuche Gott wirklich zu lieben, förderten eher einen Hass gegen Gott. Und so muss es auch sein: Wir sind als Menschen nach dem Sündenfall unter die Sünde verkauft und versklavt. Die wirklich guten Gebote Gottes, die wirklich gutes und glückliches Leben bedeutet, facht unsere Sündhafte Natur nur noch mehr an. Als gefühlsmässiges Genie konnte Martin Luther das in aller Klarheit erfahren und trieb ihn in eine tiefe Depression. Sein Mönchsvater wies auf die Gnade hin. Aber erst als er im Römerbrief erkannte, dass es nicht um eine aktive Gerechtigkeit geht, sondern um eine passive Gerechtigkeit, begriff er dies wirklich. Und das war sein berühmtes Turmerlebnis (über das heute in der Fachwelt viel diskutiert wird, ob es wirklich in einem Turm war, ob es vielleicht auch auf der Toilette im Turm war oder gar nicht usw.) Das wahr Luthers Bekehrung zur Gnade. Nun las er die Bibel ganz anders. Gerechtigkeit als Geschenk, als Treue Gottes zu uns. Und tatsächlich, was wir heute in der Theologie richtende Gerechtigkeit Gottes nennen, wird in der Bibel als Zorn Gottes wiedergegeben. Der Begriff Gerechtigkeit hat in der Bibel viel mehr mit Gottes Treue zu uns zu tun. UND er schenkt uns seine Gerechtigkeit, d.h. die Gerechten der Bibel haben sich nicht selber gerecht gemacht (nicht aktive Gerechtigkeit), sondern sie haben die Gerechtigkeit Gottes von Gott geschenkt bekommen (=passive Gerechtigkeit) und nun leben sie in dieser Treue und Liebe Gottes. Oder anders gesagt: Wir dürfen, ja wir können nur als Sünder zu Jesus Christus gehen und uns von Gottes Vergebung und Befreiung beschenken lassen. Denn Jesus Christus starb am Kreuz für uns, damit Gott uns im rechtlichen Sinne vergeben darf. Mit dem Opfer von Jesus Christus wurde das Gesetz erfüllt. Jesus Christus trug unser Sünden ans Kreuz. Jesus trug unseren Fluch. Er wurde zum Fluch, damit wir ihn nicht mehr tragen müssen. Nun dürfen wir in Christus die Realität des Wesens Christi anziehen. Natürlich ist das alles noch unter dem eschatologischen Aspekt des "Schon-jetzt-und-noch nicht". Noch ist es Hoffnung, die man noch nicht sieht und doch ist es schon geistliche Realität. Erst wenn Jesus Christus zum zweiten Mal kommt, wird es für alle sichtbar und wir als Christen werden nicht mehr sündigen können. Dann ist auch unser Zwiespalt in unserem Herzen überwunden.
Auf dieser Basis könnten wir nun auch überlegen, ob Herr Putin Christ ist. Ich weiss es nicht. Er und Gott wissen es. Benützt er den Staat und die Kirche nur als Machtinstrument? Oder nur als Instrument, um seine eigene Logik zu realisieren und hat Mühe in der Selbsterkenntnis (Selbstreflektion) und Gotteserkenntnis voranzukommen? Verstrickt er sich gar in seinen eigenen Lügen? Gibt es in naher Zukunft eine Revolution, wo diese Selbstgerechtigkeit durch eine andere (vielleicht noch Schlimmere) weggefegt wird? Oder bricht das riesige Russland auseinander, weil sich die Minderheiten nicht mehr als Kanonenfutter benützen lassen wollen? Und/oder bricht der Westen zusammen, weil wir selber innerlich verwirrt sind und nicht mehr wissen, was wir mit all unseren Möglichkeiten wollen?
Selbst wenn das wahr ist, bedeutet es noch nicht, dass er kein Christ ist. Die Gnade Gottes ist eben grösser als unsere Leistung. Und trotzdem erkennt man den Glauben auch an den Früchten. Vielleicht benötigte Putin wie einst König David einen Propheten, der ihm die Wahrheit über sich sagen kann? Allerdings ist die Frage, ob Putin das zulassen würde. Auch in der Geschichte reagierten nicht alle wie David. So wollte Saul, der Vorgänger von David, dass sein Unrecht vertuscht wird. In der Menschheitsgeschichte gab es noch extremere Reaktionen auf die gottesfürchtigen Propheten: Sie wurden auch für die Wahrheit getötet. Gewisse Morde können daher auch auf die Haltung einer Person hindeuten. Aber vergessen wir nicht, auch David hatte einen indirekten Mord gemacht. Aber letztendlich stand er vor Gott und in der Öffentlichkeit zu seiner öffentlichen Sünde, weil ihm die Gnade Gottes und damit die Wahrheit wichtiger war als sein Stolz.
Auf der anderen Seite können wir uns so in unserem Denken verirren, dass Martin Luther den Verstand eine Hure nannte. Zu meinem erstaunen meinte dazu ein Jurist, der sehr originell denkt, natürlich ist das so. Was machen wir denn anderes ... Er meinte wohl, dass es Rechtsgelehrte gibt, die nicht den Sinn der Gesetze umsetzen wollen, sondern das Recht für den eigenen Vorteil, bzw. für den Auftraggeber umbiegen. Das ist sicherlich eine Folge, was Luther meinte. Luther ging es aber um noch mehr. Solange der Rechtsverdreher noch weiss, dass er das Recht verdreht (was schlimm genug ist), dann ist er noch besser dran, als wenn er es nicht einmal mehr merkt. Auch mein Gesprächspartner von gestern oder generell unser Denken im Westen und auch ich, kann mich in meiner eigenen privaten Logik verlieren. Und was mich dabei aufschreckte: Es muss nicht immer so sein, dass ich dazu in eine sehr mächtige Position erhoben werden muss, wo alle nur noch nach meiner Meinung tänzeln, um ihren Vorteil zu ergattern, sondern dies kann in aller "Freiheit" der Unfreiheit meines Denkens geschehen. Darum ist es eine Befreiung, wenn man diese erkennen kann. Dann kann man wirklich sein Leben usw. freier gestalten und muss nicht gefangen in den eigenen Gedanken und Gefühlen leben.
Interessant in diesem Zusammenhang: Putin sieht den Westen am Niedergang. Ich selber denke, dass wir im Westen einen Höhepunkt erreicht haben, der nun viele dekadente Faktoren Raum gibt. Dazu gehört der Mangel an Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis. Noch haben wir sehr viele Möglichkeiten. Die militärische Macht und das Wissen ist immer noch überbordend. Aber es fehlt immer mehr die Weisheit mit unseren Möglichkeit weise umzugehen. Ein kleines Beispiel: Deutschland hatte so Mühe, die drei letzten Atomkraftwerke über den ganzen Winter weiter laufen zu lassen. Dabei wäre es wichtig gewesen, auch die drei im letzten Jahr abgestellten Atomkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. Damit hätte man die Stromkosten um ca. 50% senken können. Es gibt andere Meinungen, die sehen keinen solch grossen Effekt. Aber es ist wahrscheinlicher, dass dies der Fall ist. Aber man macht es nicht und gefährdet damit die Wirtschaft und längerfristig den Industriestandort Deutschlands. Mal ganz zu schweigen, was dies für politische Folgen haben kann. (Interessant ist auch, dass sich die Regierungsparteien bei diesem Entscheid nicht auf demokratischen Wege einigen konnten. Vielmehr musste der Bundeskanzler mit seiner Richtlinienkompetenz eingreifen. Für D war es kein Problem, dass dieser undemokratische Akt angewandt wurde. Ganz im Gegenteil: Man sieht darin einen positiven charakterlichen Führungsaspekt. Dabei wäre es wichtig, dass die Menschen auch Fehler machen können, um dann daraus zu lernen und reifer zu werden. In diesem Fall muss ich natürlich auch zugeben, dass der Lerneffekt sehr teuer gewesen wäre ... Aber ich sehe darin nichts Positives, eher eine in dieser Zwischenzeit notwendige und nicht ideale Methode, um noch Schlimmeres zu verhindern (in diesem Fall: noch weniger Strom im Winter zu haben). Aber das nur so nebenbei.)
Für meinen netten Gesprächspartner ist es einfach: Die USA wollen den Niedergang Europas. Das erinnert mich an die eigene Logik: Generell schieben wir Menschen unseren Teil der Verantwortung auf andere. Das ist wohl auch der Nährboden der nicht realistischen Verschwörungstheorien. Es werden Fakten mit Vermutungen und manchmal auch wilde Fantastereien zusammengemischt und als absolute Wahrheit dargestellt und wirklich als Realität geglaubt: Verloren im Realismus (im mittelalterlichen Sinne) ohne Nominalismus, um den eigenen Anteil der Verantwortung auf die "Verschwörer" zu überwälzen. Aber selbst, wenn es diese Verschwörer gäbe, ist man für seinen Teil immer noch verantwortlich!
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, wie Herr Putin den Begriff Nationalismus nutzt. Wird dieser nicht auch bei uns ähnlich genutzt, wenn es darum geht, unsere Grenzen zu öffnen oder Grossreichpolitik zu machen? (Wie kann man die EU als Friedensreich moralisch überhöhen?) Hat der Westen selber immer mehr Tendenzen, sich im Idealismus zu verlieren und den Empirismus zu vernachlässigen, d.h. sich in einer Traumwelt oder ideologischen Ideen zu verlieren? Ich gebe natürlich zu: Auch hier haben wir das Problem zwischen Platon und Aristoteles, zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen. Oder anders gesagt: Wie können wir der Welt gerecht werden und unserem Land? Wie können wir der Wirtschaft und dem einzelnen Arbeiter gerecht werden? (usw.) Dabei hilft es nicht, wenn wir diese Spannung einfach negieren und jede kritische Anfrage ablehnen. Nein, wir müssen uns dieser stellen und damit auch dazu gelangen, die verschiedenen Standpunkte zu verstehen. Wobei es besonders wichtig ist, unseren EIGENEN Standpunkt und unsere EIGENEN Motive für unseren Standpunkt zu verstehen. Erst dann werden wir besser alles einordnen können.
Hilfreich wäre da natürlich auch wieder die Unterscheidung zwischen menschlicher und göttlicher Gerechtigkeit (Zwingli). D.h., dass Bewusstsein, dass wir in der Politik wie überall nur menschliche Gerechtigkeit und nicht die göttliche Gerechtigkeit verwirklichen können. Letzteres braucht Gnade und wir sind auf Jesus Christus angewiesen. Das hilft, effektiver sich selber zu reflektieren und sich nicht in unseren eigenen Gedanken und im Idealismus zu verlieren: Gesunder Relativismus der eigenen Position im Gegensatz zur idealistischen Übermoralisierung der eigenen Position. Dies ist auch im Krieg wichtig, damit wir den Feind nicht übermässig verteufeln und uns selber nicht selbstgerecht Überhöhen. (Und natürlich brauchen wir auch das Ideale, um sich kritisch hinterfragen zu können.)
Dabei wird immer die passive Gerechtigkeit Gottes uns helfen, wenn wir es wollen, weil sie uns hilft die wirkliche Realität zu erkennen. Sie macht es möglich, dass wir uns auch unseren negativsten Motive stellen, weil wir wissen, dass Jesus Christus dafür ans Kreuz ging und in Christus alles gut wird. Es kann trotzdem sehr weh tun, sich so zu erkennen. Aber die Freiheit und Versöhnung mit Gott (und damit auch mit seinem eigenen Leben) ist soviel mehr Wert! Es macht uns wirklich glücklich und gibt einer Freude Raum, die uns in die Ewigkeit begleiten wird. Es trägt bis in alle Ewigkeit! Und so können wir unser Leben und vielleicht sogar ein Stück unserer Welt wirklich verbessern.