Samstag, 31. Dezember 2022

Martin Luther heutige Theologen Rebell wider willen?

Ein interessantes Interview / Gespräch zum Thema Martin Luther.

Mit dabei auch ein römisch-katholischer Theologe. Dieser meint sogar, dass die römische-katholische Kirche nur Dank Martin Luther überleben konnte. Die andere Teilnehmer sehen eine Chance, wie die westliche alte Kirche nicht auseinandergebrochen wäre: Die Reformen ernst nehmen. Interessant war auch der Vorschlag Luther heilig zu sprechen. Die interessante Reaktion der Protestanten: Das wäre eine Verhöhnung Luthers. Die Umarmungen auch des aktuellen Papstes müsste sich auch in konkrete rechtliche Schriften äussern.

Sehr interessant.




Interessant: Martin Luther war gegen einen religiösen Krieg gegen die Türken, da die Türken die Zuchtrute Gottes sei. Später hat er sehr wohl eine militärische Abwehr befürwortet, wie er genial der Sinn der Armee (und ich vermute auch der Polizei) sah.


Das Schlusswort ist ein Zitat von Martin Luther:

"Es ist kein Mensch so böse, das nicht irgendetwas an ihm zu leben wäre."

Das gilt auch für Luther.

Samstag, 19. November 2022

John Piper und der Trost der Vorsehung Gottes für uns

 Ein interessantes Interview mit John Piper. U.a. stellt er sein neues Buch vor, indem er u.a. zum Ausdruck bringt, wie tröstlich es ist, dass Jesus Christus alles in Händen hält. Im Gegenzug dazu findet er den offenen Theismus nicht so tragend und offen (obwohl der offene Theismus besonders offen sein will und die traditionelle reformierte Theologie als Determinismus versteht.)

Schade ist John Piper nun pensioniert.




Freitag, 4. November 2022

Interessante Musik und interessante Philosophen:

 


Der nächste Beitrag ist sehr theoretisch, aber interessant:

Frau Barbara Bleisch interviewt Herr  Philipp Hübl und Herr Holm Tetens im Schweizer Fernsehen.

Herr Philipp Hübl ist ein Atheist und Herr Holm Tetens ist ein Theist (oder Deist? Ich bin mir nicht sicher.) Ihre Argumente sind interessant. Der Theist zeigt beim Atheisten, welche nicht ein reiner Naturalist ist, seinen Dualismus?

Der Atheist hält sich für ein Idealist. Damit Ist er ein Realist im mittelalterlichen Sinne  oder heute würden wir eben sagen Idealist(s. mein Beitrag Verschwörungstheorien, Nominalismus und Realismus bezw. Realismus und Idealismus). Martin Luther war an einer nominalistischen Schule geschult = Universität Erfurt), was wir heute Realismus nennen. Man kann also auch Thheist und Realist (= im heutigen Sinn, was im Mittelalter Nominalist genannt wurde sein).

Der Theist ist kein Christ. Herr Tetens denkt, dass es Idealisten, Dualisten und ... (ich glaube Naturalisten) gibt. Kann es sein, dass man sich heute nicht mehr vorstellen kann, dass man Nominalist (= Realist im heutigen Sinne) sein kann und an Gott glauben kann? Herr Tetens zitiert sogar Wilhelm von Ockham (1288 - 1347) indem er vom "Ockhams Rasiermesser" als philosophisches Prinzip anwendet, um seinen Atheismus zu erklären. Ockham war Nominalist (= Realist im heutigen Sinne) und ein Beförderer des empirischen Denkens. Aber Wilhelm von Ockham war auch Theist und Christ. Es ist interessant, wie selbst Atheisten in unserer Kultur von Christen beeinflusst sind. In einem anderen Beitrag im Deutschen Fernsehen disputierten zwei Theologen und eine Theologin, ob es Jesus Christus als historische Person gegeben habe. Auch sie argumentierten auf einer ähnlichen Basis wie diese zwei Nicht-Christen: Ein Denken, dass den ganzen Raum der Theoloie nicht mehr Raum gibt. Was bei Herrn Hübl noch verständlich ist: Er will sich keine moralischen Vorschriften von Gott machen lassen, ist bei Theologen dabei erstaunlich. Insbesondere, wenn man sie mit den Theologen vor 500 Jahren vergleicht. Man bringt es tatsächlich fertig, zu glauben, dass man als Realist (im heutigen Sinne) nicht mehr in einem nominalistischen (= heutigen Sinne realen) Denkweise glauben kann. Zugleich weiss man aber, dass es solche Theologen noch gibt, aber man ist ganz tief davon überzeugt, dass dies unvernünftig ist. Einer der drei Theologen hat trotzdem, irgendwie vielleicht in einem "Sprung des Glaubens" wie es Kierkegaard nannte, in einem beinahe mythologischen oder idealistischen Sinne als wahr anschaut. Dadurch wird der Glaube aber unvernünftig und idealistisch und eben nicht wie Luthers Glauben empirisch nachvollziehbar.  Hat sich unsere universitären Gelehrsamkeit, die sich schon seit der Antike und über das Mittelalter in idealistische (= realistische im Mittelalter) und Realistische (= im Mittelalter nominalistische) Denkweise aufgeteilt hat, entschieden nur noch im idealistischen Sinne an Gott glauben zu wollen? Beziehungsweise: Haben unsere Intellektuellen den realistischen (= mittelalterlich nominalistisch) Glauben an Gott denkerisch ausgeschlossen? Würde Martin Luther hierzu sagen, dass es letztendlich einfach darum geht, dass wir  selber Gott sein wollen? Oder anders ausgedrückt: Wir wollen der Massstab sein. Gott ist tot, bedeutet dann einfach, Gott hat uns nichts zu sagen. Logischerweise darf dann natürlich die Bibel als Gottes Wort auch nicht mehr der Massstab sein. Das würde auch erklären, was für ein riesiger Unterschied zwischen Martin Luther und Erasmus von Rotterdam zu den heutigen Theologen besteht. Tatsächlich gibt es natürlich die realistischen Theologen immer noch, aber sie befinden sich ausserhalb der offiziellen Wahrnehmungswelt. Und doch leuchten sie hinein. Allerdings nur wie ein schwarzer Schatten vor dem man Angst hat. Das würde auch erklären, warum ein Thimoty Keller praktisch nicht zitiert wird. Immerhin ein reformierter Theologe, der Pastor einer presbyterianischen (= reformierten) Kirche in New York ist und der u.a. ein Buch wie "Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit" geschrieben hat. Dieses Buch ist in New York ein Bestzeller. Bei uns wird es praktisch nur im evangelikalen Raum wahrgenommen. Mir scheint Timothy Keller ein realistisch denkender Theologe ist, der an die reale Existenz Gottes und Jesus Christus glaubt. Darum kann er auch vernünftig und nachvollziehbar argumentieren. Damit beweist er, dass man auch heute vernünftig an Gott glauben kann. Und natürlich übersteigt der reale Gott unsere Fähigkeiten, auch unsere Denkfähigkeiten. Das finde ich auch so genial: Bei Gott kommt man an die menschlichen Grenzen und das ist auch so befreiend und macht mich so glücklich und lässt mich Gott anbeten! Es löst genau jenes Dilemma, was uns die Idee bringt, wenn wir Menschen das Mass aller Dinge wären: Es wäre ein Horror. Obwohl ich mittlerweilen auch lernte, dass es moralisch sehr hochstehende Menschen gibt, die Gott in ihrem Denken ausgeschlossen haben. Die Frage ist nur, ob das eben doch ein Einfluss der Bibel ist. Denn selbst der Atheist in diesem Interview nutzt das ockhamische Rasiermesser für seine Rationalität und da kann es gut sein, dass er seine moralischen Massstäbe ebenso aus dem Schatz der Bibel schöpft: Indirekt über die in unserer westlichen Welt herrschenden Einflüsse der Bibel. Vermutlich ist es auch gemixt mit natürlichen Erkenntnissen Gottes. Ja, vielleicht zeigen diese zwei Denker auch davon, was möglich ist zu erkennen, wenn man nicht vom Heiligen Geist getrieben ist. Und das ist ja auch wieder erstaunlich viel. Bei den erwähnten drei Theologen kann ich nicht beurteilen, wie weit sie von der Muse geküsst oder vom Heiligen Geist getrieben sind. Vielleicht ist der eine Theologe, der irgendwie in einem idealistischen aber nicht in einem realistischen Sinne an die Wahrheit der Bibel glaubt, vom Heiligen Geist getrieben. Aber der Verstand ist immer noch im Idealismus gefangen, daher sucht er eine idealistische Lösung, doch an Jesus Christus glauben zu können. 

Das alles wären interessante Fragen, die ich gerne als Interviewer gestellt hätte.

Die zwei Herren kommen auch auf die Frage der Thodizee, d.h. wie Gott das Böse zulassen kann. Herr Hübl fragt sich, warum - wenn es denn Gott gäbe - hat Gott die Menschen nicht etwas besser gemacht. Als traditioneller Christ und Reformierter habe ich eine Antwort. Gott hat uns Menschen sehr gut gemacht. ABER unsere Eltern entschieden sich, den Sündenfall zu tun und versklavten sich unter die Sünde. Nun sind unsere tiefsten Motive verbogen. Darum brauchen wir für die guten und schlechten Werke Busse: Weil wir nicht Sünder sind, weil wir sündigen, sondern wir sündigen, weil wir Sünder sind. Und daher reicht es nicht, uns nur zusammenzunehmen, sondern ein Wunder, dass unsere tiefste Motivation neugeschaffen wird: Die geistliche Wiedergeburt. Allerdings können wir es auch dann noch nicht oder wie es Paulus im Römerbrief sagt: Nun will er, d.h. der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, d.h. meine menschlichen Möglichkeiten reichen immer noch nicht aus, um perfekt in Liebe und dem Guten zu handeln. Darum brauche ich auch für die guten Werke Busse, d.h. ich muss  und darf ich zu Jesus gehen, der alles gut macht. Das war ja auch der Weg Martin Luthers: Er erkannte, dass die ockamische Bussenlehre sich irrt. Sie trieb Luther in die Verzweiflung, weil er Gott nicht selbstlos lieben konnte. Ganz im Gegenteil: Durch das gute Gesetz Gottes mit seinem "Du sollst" entfachte es in ihm seine Sündhaftigkeit und er stand immer wieder in der Gefahr sogar Gott zu hassen. Schon sein Chefmönch wies auf die Gnade hin. Und es ist bezeichnet für die damaligen Augustiner, dass sie eine Martin Luther, der so an Gott verzweifelte, an die Universität schickten, um Theologieprofessor zu werden. Und sie hatten recht: Martin Luther verstand anhand des Römerbriefes, dass es eben keine aktive Gerechtigkeit ist, von der die Bibel spricht. Was wir unter Gerechtigkeit verstehen, ist in der Bibel mit dem Zorn Gottes wiedergegeben und wir nennen es richtende Gerechtigkeit. ABER in der Bibel ist immer von passiver Gerechtigkeit die Rede. D.h. die Gerechtigkeit wird uns von Gott gegeben. Damit ist gemeint, dass Gott zu uns treu ist. Und darum können und müssen wir als Sünder zu Christus, denn Christus ist nur für Sünder gestorben und nicht Selbstgerechte. Diese Aussage ist nicht ganz korrekt, denn Jesus Christus ist für alle Menschen am Kreuz gestorben, auch für die Selbstgerechten. Aber ein Selbstgerechter lehnt das Geschenk, die Gnade ab und in seiner Ablehnung wählt er die richtende Gerechtigkeit Gottes. In diesem Sinne ist ja auch der dritte Punkt des Fünfpunkte Calvinismus nicht ganz richtig: Jesus Christus ist nicht nur für die Erwählten gestorben, denn Jesus Christus ist für alle Menschen gestorben. Aber letztendlich sind beide Aussagen auch wahr, weil sie uns drastisch vor Augen führen: Es ist die Gnade und nicht unsere Leistung, unser Werk, die uns rettet. Es ist Jesus Christus der uns rettet und nicht mal unsere Entscheidung, d.h. unser Akzeptieren, dass wir Sünder sind, die die Gnade brauchen ist eine Leistung, sondern ein Geschenk Gottes. (Obwohl natürlich subjektiv gesehen, wir handeln, ist die geistliche Wahrheit, dass wir vom Heiligen Geist getrieben sind. Nur merken wir das oft gar nicht, weil es uns so normal vorkommt, dass wir das Wunder gar nicht sehen. ABer wenn wir diesen genialen Denkern zuhören, können wir erahnen, was für ein Wunder es ist, dass wir im realen Sinne an Gott glauben dürfen.)

Mit der Zeit wird sogar Gregor Gysin zitiert, der als Atheist die Folgen des zunehmenden Abnahme der Gottesglauben für  soziale Einflüsse beängstigend findet. Herr Tetens sieht hier kein Problem. 

Herr Tetens denkt, dass wir für die Werte keinen Gott brauchen. Da bin ich mir nicht so sicher. Das Theisten (und auch Christen) nicht moralisch besser sind, stimme ich aber auch zu. Aber wenn Gott als absoluter Massstab ausserhalb von uns fehlt, so glaube ich, dass mit der Zeit das was Mitte des 20. Jahrhundert in Europa möglich wurde, schnell wieder aus der tiefe unseren Herzen empor kriecht. Daher verstehe ich Gregor Gysin gut. Allerdings kann dies natürlich auch in Form religiöser Strukturen möglich sen. Interessanterweise kennt die die Bibel ja auch gottlose Theiste, ja sogar gottlose Kirchenmitglieder. Genauso spricht sie von gottesfürchtige Heiden. Die Welt ist komplexer, als man im ersten Moment annimmt. Das gilt für alle Bereiche: Physik, Psychologie, Geschichte, die Bibel, Gott usw.

Zuletzt geht Herr Hübl auch darauf ein, dass es kein angenehmer Gedanke ist, dass es einmal ein Ende nach dem Tode gäbe. Als Kind hatte er Angst, dass Gott alles von ihm hört. Darum war es für ihn erleichternd, als er glauben konnte, dass es keinen Gott gibt. Und wie bereits erwähnt, würde es ihm nicht gefallen, dass Gott Vorschriften machen würde. Vielleicht liegen hier seine tiefsten Gründe und seine persönliche Logik, warum er Atheist ist. Auch das wäre eine interessante Frage gewesen. Gleichzeitig ist er aber kein extremer Atheist. Er kann sich als Philosoph in Theisten und Deisten eindenken, glaube ich zumindest. Wobei es vermutlich schwierig wird, bei Theisten, die vom Heiligen Geist "geküsst" wurden, um im Oben verwendeten Bild zu reden. Denn ein Eingriff Gottes in unseren Glauben gibt, verändert alles. Allerdings bedeutet das noch nicht, dass sich unser Denken verändert hat. Darum spricht die Bibel davon dass man dann noch sein Denken erneuern muss: Metanoia heisst der griechische Begriff. Und darum begann Martin Luther seine 95 Thesen mit diesem Thema, was ja der Anfang der Reformation vor 500 Jahren war. 

Ein Zitat von Camus wird ebenfalls angesprochen. Wenn es Gott nicht gebe, dann ist es feige, dies nicht zuzugeben. Das ist aber nur feige, wenn es Gott nicht gibt!!!! 

Und was mir gerade in den Sinn kommt: Man muss ein Prinzip immer auf die eigene Position anlegen/beziehen: Kann es sein, dass es auch Feige ist, nicht an Gott glauben zu wollen, wenn es Gott gibt?



Samstag, 29. Oktober 2022

Verschwörungstheorien, Nominalismus und Realismus bezw. Realismus und Idealismus

Gestern hatte ich ein interessantes Gespräch mit einer Person, die sich vermutlich nur aus einer alternativen Informationsquelle informiert. Seine Argumentation zum Thema Ukraine-Krieg erinnerte mich an an seine Argumentation i.S. Corona. Was mich dabei erschreckt: Er ist ein lieber und vernünftiger Mann, dem ich mein Geld anvertrauen würde, aber seine Meinung in diesen zwei Themen ist zu einseitig, dass sie nicht wahr sein kann.

Seitdem ich Kind bin, kann ich mich in verschiedene Gedankenwelten hineindenken. Als Kind habe ich in meinem Zimmer mit kleinen Figürchen u.a. verschiedene Länder kreiert, die ganz verschiedene Überzeugungen vertraten. Und so mache ich das heute noch: Ich höre gerne jemanden zu und versuche so seinen Standpunkt zu verstehen und in seiner persönlichen Logik zu denken. (Manchmal kann ich mich natürlich auch darüber aufregen, weil ich etwas sehr schlimm finde.) Bei diesem Gespräch scheint die Logik aber in sich unlogisch zu sein. Und es ist mir völlig unerklärlich, wie beim Thema Corona und nun auch beim Thema Ukraine-Krieg, dass man eine Meinung vertreten kann, die in sich unlogisch ist. Und ich bemerke dies nicht nur bei ihm, sondern bei vielen anderen. Es ist enttäuschend zu erkennen, dass man mit aller Vernunft sich so verirren kann. Was ich sehe, dass hinter dieser Meinung ein tiefes Misstrauen gegenüber unserer Führungsschicht besteht. Eigentlich traut er den Mächtigen des Westens so ziemlich alles zu. Und es gäbe sicherlich Dinge, die von unseren Eliten getan werden könnte, um dieses Vertrauen wieder zu gewinnen.

Aber zurück zu seiner Argumentation:

Die Ukrainer werden von den USA gezwungen den Ukraine-Krieg zu führen. Wie ist es aber möglich, dass dieses Volk soviel Leid auf sich nimmt, um gegen Russland zu kämpfen, wenn das nur von den USA erzwungen wäre? Es erinnert eher an russische Propaganda. Und diese kann gleichzeitig davon berichten, dass die Ukrainer eine Gehirnwäsche vollzogen wurden. Nur damit gibt man ja gleichzeitig auch zu, dass es ein Wille der Ukrainer gibt, nicht von Russland erobert zu werden. Oder die aktuelle Warnung von Herrn Putin, dass die Ukrainer eine schmutzige Bombe zünden und diese dann den Russen unterstellen wollten, um dann noch mehr Hilfe zu bekommen. Wenn die Ukrainer das wollten, dann wäre es ja ganz klar, dass die Ukrainer auch einen Willen zur Unabhängigkeit von Russlang hätten. Der nette  Herr aber geht noch weiter als Putin, indem er sogar den Verdacht äussert, dass die USA selber eine schmutzige Bombe zünden wollen könnte. Mit anderen Worten, er misstraut dem Westen so sehr, dass er das für möglich hält. Belegen tut er diese Vermutung, indem er darauf hinweist, dass die USA die einzige Macht ist, die jemals Atombomben einsetzten. Nur: Das war ja nicht etwas, was die USA im Geheimen gemacht hatte. Ganz im Gegenteil, dass war hoch offiziell und auf der ganzen Welt bekannt. Offiziell ging es darum, das bereits am verlierende Japan zur Aufgabe zu zwingen. Die Alternative wäre gewesen mit konventionellen Kräften Japan zu erobern, was vermutlich ebenfalls sehr viele Opfer gefordert hätte. Und es war sicher auch noch der Wille dahinter, wissenschaftlich zu sehen, was alles nach einem Atombombenabwurf geschah. Und was man da sah, war der Horror und verhindert bis heute, dass sie eingesetzt wurden. Das heute gerade von Russland immer wieder mit dem Einsatz von Atombomben gedroht wird, lässt genau diesen Schrecken aufkommen. Ich habe einen Bericht eines Japaners gesehen, der die Atombombe nur darum überlebte, weil er im betrunkenen Zustand als Sanitäter jemandem ausserhalb der Stadt helfen musste. Als er auf dem Rückweg war, kam ihm etwas Schwarzes entgegen. Seine Beschreibung dieses Menschen hatte nicht mehr viel menschliches. Die schwarze Gestalt brach dann auch zusammen und starb vor ihm . Grauenhaft. Er selber überlebte nur, weil er ausserhalb der Stadt als Sanitäter jemanden half. Jene Menschen, die sofort verdampften hatten weniger Leid, als jene, die den Atombombenabwurf überlebten. Man denke nur an all die Langzeitfolgen. 

Und nun zur schmutzigen Bombe. Das wäre keine "richtige" Atombome, sondern "nur" radioaktiver Abfall, der ähnlich wie der Atombombenunfall von Tschernobyl  eine Gegend praktisch unbewohnbar macht und gleichzeitig - je nach Windrichtung - grosse Teile von Europa zeitweise verseucht. Persönlich glaube ich, dass dies die Ukraine wohl kaum wollen kann, weil sie ja das Land befreien und nicht verseuchen will. Es wäre sehr pervers, wenn jemand damit mehr westliche HIlfe generieren wollte. Daher verstehe ich den Gedanken, dass es Russland selber vorgibt, um so eine Atombombe einsetzten zu können und sie dann den Ukrainern unterzuschieben. Und wenn es wahr ist, dass in einem autoritären System die Lügen nicht wirklich gut belegt sein müssen, weil man es einfach zu glauben hat, erhöht dies natürlich noch die Wahrscheinlichkeit, dass dies wahr sein könnte. Aber wissen tue ich es nicht. Mich selber verwirren diese Informationen, die sich widersprechen. Eigentlich würde ich erwarten, dass die Wahrheit in der Meinungsfreiheit ans Licht kommt. Ich habe es eben versucht mit einigen Gedanken so nachzuvollziehen. 

Interessant ist nun, dass ich diese Woche auch ein Interview von der Berliner Zeitung mit Herrn Orban hörte. Er gilt ja im Westen als guter Freund von Putin. Er selber trat in diesem Interview für eine sofortige Feuerpause ein, um Friedensverhandlungen zu führen. Ich denke, die Ukraine möchte zur Zeit soviel wie möglich von ihrem Land zurückerobern, um dann aus einer möglichst starken Position Friedensverhandlungen einzugehen. Orban denkt in erster Linie, was den Ungarn am meisten bringt. Interessanterweise sieht er es auch konträr zur offiziellen Meinung der Polen, auf die sie in diesem Interview auch eingingen. Für mich war erstaunlich, wie sich Herr Orban auf die kritischen Anfragen verhielt: Er gab sich offensichtlich Mühe auch unangenehme Fragen klar zu beantworten. Als ich meinem netten Gesprächspartner von diesem Interview erzählte und dass Orban vor allem die Interessen Ungarns vertreten will und darum sofort eine Waffenruhe fordert und darauf bestand, dass er weiterhin Oel usw. von Russland bekommt UND dass er aber doch zugleich den ukrainischen Kampf gegen Russland als heroisch bezeichnete, liess dass mein Gesprächspartner nicht seine eigene Meinung hinterfragen. Er ist weiterhin davon überzeugt, dass die USA die Ukraine zwingt diesen Krieg zu führen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Ukrainer gibt, die gerne mit den Russen zusammenarbeiten. Allerdings wird dies wohl bei jenen, die unter den Bombenangriffen von Russland leiden, eher abgenommen haben. So habe ich einen Bericht gehört, wie sich ein ukrainischer Soldat über seinen Erfolg bei der Zerstörrung einer russischen Position in russischer Sprache freute. Ein russigsprachiger Urkainer, der sich für eine von Russland unabhängige Ukraine einsetzt. Zugleich gibt es aber auch ukrainische Blogger, die sich regelmässig als Freunde der russischen Eroberungskrieges outen. Auf "Welt" geht ein Journalist in Moskau den russisch-freundlichen Bloggern nach, um ihre Meinung zum Verlauf des Ukrainekrieges aus ihrer Sicht zu erkennen. Und dabei erwähnte er u.a. auch einmal, dass darunter auch Ukrainer sind. Vor dem Krieg gab es vermutlich viele Ukrainer mit Sympathien zu Russland. Ich vermute, dass diese aber unter der agressiven Politik und Krieges von Putin abgenommen hat. Aber definitiv wissen, kann ich es natürlich nicht. Ich deute die mir vorliegenden Informationen so und es erscheint mir so am wahrscheinlichsten. Und dann gibt es wohl auch viele, gerade in den besetzten Gebieten, die sich der Besatzungsmacht auch einfach beugen, um besser überleben zu können. Und vielleicht gibt es auch einige Ukrainer, denen es bis zu diesem Krieg nicht so wichtig war. Vielleicht schuf Putin mit seiner Agressionen eine Ukraine die entschlossen sich von Russland distanzieren will? Auf jeden Fall wird die Agression Russland genau dies fördern, wie es ja auch Finnland und Schweden in die Nato trieb. Natürlich gibt es auch den anderen Effekt: Terror lässt manchmal die Opfer sich mit den Terroristen psychisch verbinden. Und Machtmenschen, die nur Unterwerfung wollen, nutzen gerne diesen Effekt. Allerdings klappt das nicht immer und es kann genau das Gegenteil bewirken.

Und wenn es wahr ist, was ich gestern las, das 2000 ukrainische Kinder nach Russland gebracht wurden und diese nun zum Teil adoptiert werden und sie dabei gezwungen werden, keine ukrainische Lieder oder gar Hymnen zu singen, sondern nur noch Russische, dann wäre das ein weiterer Beweis, dass es Russland um die Verdrängung der ukrainischen Kultur ginge. Wenn man nun bedenkt, dass die Ukraine die Mutter der russischen Kultur ist, dann ist das auch aus historischer Perspektive pervers. Warum kann Russland nicht weiser handeln?

Wie kann man diese Spirale der Gewalt beenden? Manches erinnert an den ersten Weltkrieg: Es ist so sinnlos. Hoffen wir, dass nicht alles den Bach hinuntergeht, wie beim ersten Weltkrieg. Schon jetzt leidet nicht nur die Ukraine, auch der Westen und vor allem Russland selber: Russland schwächt sich selber längerfristig. Bis vor Kurzem hat Herr Putin Russland aussenpolitisch als wichtigen Player viel Einfluss gewinnen lassen. Und in einem gewissen Sinne nimmt es auch jetzt noch zu, Bsp. Weissrussland. Nun aber gerät Russland unter die Achseln Chinas, wie es Herr Orban im bereits erwähnten Interview nannte. Mir wäre es viel lieber, Russland wäre ein guter und selbstbewusster und auch selbständiger Partner des Westens, als das was wir hier erleben. Es wäre für alle besser. Es ist eine völlig verfahrene Situation und es ist zu hoffen, dass der Konflikt nicht noch weiter eskaliert, sondern zu einem vernünftigen Ende führt, indem Russland wieder Vertrauen austrahlen könnte. Das haben wir im Westen vergessen, aber nach den napoleonischen Kriegen war Russland für Europa ein Stabilisator. Das zaristische Russland unterstützte die Schweiz in ihren Wünschen und half sogar mit Entwicklungshilfe in der Schweiz. Das mag etwas erklären, warum in den Alpen, bei der Teufelsschlucht, bis heute ein grosses russisches Kriegsdenkmal aus dieser Zeit stammt. Ich wünschte mir, Russland würde zu einer solchen politischen Ausstrahlung zurückfinden. 

Aber was mich noch viel mehr bewegt, warum gibt es im Westen, wo wir ja die Freiheit haben, ein solch grosses Misstrauen gegen die Führungsschicht im Westen, dass man ihnen alles Hinterhältige zutraut?

Und hier kommen wir an einen Punkt, wo es besonderst theologisch und philosophisch wird: Können wir im Westen noch nach der Wahrheit in aller Freiheit suchen? Ich bin überzeugt, dass hat den Westen in der Vergangenheit so erfolgreich gemacht.

Prinzipiell glaube ich schon, dass wir noch Raum für die Wahrheitssuche haben. Wir sind immer noch viel freier, als manch andere Weltregion. Aber im Vergleich zu meiner Jugendzeit hat es abgenommen. Durch die Postmoderne werden die eigene Wünsche und Gefühle viel stärker betont, als die Selbstreflektion: Wir vernachlässigen das differenzierte Denken. Immer öfter werden Prinzipien unterschiedlich angewandt. Und leider fördern unsere Medien das kurzfristige denken. Unsere Schulen verlieren an Qualität, was mit Selbstbewusstsein kompensiert wird. Lieber Feiern wir anstelle gründlich nachzudenken. Und wenn man dann gründlich denkt, wie dieser nette Herr, dann verlieren wir uns in unserer eigenen Logik, weil wir unsere eigene Logik nicht mehr differenziert betrachten können.

Zur differenzierten Logik gehört es auch, etwas stehen zu lassen. Oder einfach zu versuchen zuzuhören. Einfach zu sehen, was ist wirklich da. Es gibt aber immer mehr die Tendenz mit einer Übermoralisierung die eigenen Eindrücke allen Menschen aufzudrücken. Im Christentum kennt man das gut. Die Bibel ist voll von diesem Thema. Und auch in unserer Philosophiegeschichte ging es immer wieder darum, was ist wirklich wahr, wie ist es wirklich. Im Mittelalter war dies der Nominalismus. Heut nennen wir die Vertreter des Nominalismus Realisten. Im Mittelalter nannte man die Anhänger Platons Realisten, die wir heute Idealisten nennen. Aber auch diese suchten die Wahrheit. Nur waren sie der Meinung, dass das, was wir hier sehen nur ein Abbild von der wirklichen Realität ist. Also den Stuhl, den wir sehen, ist ein Abbild eines realen und idealen Stuhls. Darum nannte man diese Position im Mittelalter Realismus. Wir aber betonen heute den ideellen Charakter dieser Denkweise, darum Idealismus. Es zeugt auch davon, dass unsere Philosophie seit Platon und Aristotels ein Problem hat, dem Ganzen einen Sinn zu geben und dem Einzelnen. Platon deutet darum "In der Schule von Athen", einem Fresko von Raffaelo, dass er 1510 bis 1511 für den Papst gemalt hat, auf das Allgemeine in die Höhe, während Aristoteles mit seinem Finger hinunter- oder nach vorne zeigt und das Einzelne betont. Der biblische Standpunkt gab den Reformatoren eine gute Haltung in dieser Spannung, weil die Bibel beide Bedeutungen im richtigen Licht erklärt. Wie die biblische Prädestinationslehre oder das Verständnis von Mann und Frau oder die Trinitätslehre, wird die Spannung der Gegensätze erhalten (= des Einzelnen und dem Ganzen). Diese Antinomie findet in ihrer detaillierten und differenzierter Betrachtung ihr gesundes Verhältnis: Bsp. bei der Prädestinationslehre: Gottes Allmacht UND unsere Verantwortung. Drei Personen und doch eine. Oder die Ergänzung von Mann und Frau oder Leib und Geist = eine lebendige Seele usw.

Martin Luther studierte in Erfurt. Dies war eine nominalistisch geprägte Universität. Luther war also sehr auf das fokussiert, zu überprüfen, was wirklich war.  (Ockam war der Nominalist des Mittelalters, der den Empirismus damit förderte.) Zugleich trieb ihm die ockhamische Bussenlehre in die Verzweiflung. Denn Wilhelm von Ockham (ca. 1288 bis 1347) lehrte, dass man zuerst durch eine tiefe Zerknirschung zur unegostischen Liebe durchdringen müsse, bevor man Vergebung erlangen könne. Martin Luther aber spürte in sich etwas ganz anderes: All seine Versuche Gott wirklich zu lieben, förderten eher einen Hass gegen Gott. Und so muss es auch sein: Wir sind als Menschen nach dem Sündenfall unter die Sünde verkauft und versklavt. Die wirklich guten Gebote Gottes, die wirklich gutes und glückliches Leben bedeutet, facht unsere Sündhafte Natur nur noch mehr an. Als gefühlsmässiges Genie konnte Martin Luther das in aller Klarheit erfahren und trieb ihn in eine tiefe Depression. Sein Mönchsvater wies auf die Gnade hin. Aber erst als er im Römerbrief erkannte, dass es nicht um eine aktive Gerechtigkeit geht, sondern um eine passive Gerechtigkeit, begriff er dies wirklich. Und das war sein berühmtes Turmerlebnis (über das heute in der Fachwelt viel diskutiert wird, ob es wirklich in einem Turm war, ob es vielleicht auch auf der Toilette im Turm war oder gar nicht usw.) Das wahr Luthers Bekehrung zur Gnade. Nun las er die Bibel ganz anders. Gerechtigkeit als Geschenk, als Treue Gottes zu uns. Und tatsächlich, was wir heute in der Theologie richtende Gerechtigkeit Gottes nennen, wird in der Bibel als Zorn Gottes wiedergegeben. Der Begriff Gerechtigkeit hat in  der Bibel viel mehr mit Gottes Treue zu uns zu tun. UND er schenkt uns seine Gerechtigkeit, d.h. die Gerechten der Bibel haben sich nicht selber gerecht gemacht (nicht aktive Gerechtigkeit), sondern sie haben die Gerechtigkeit Gottes von Gott geschenkt bekommen (=passive Gerechtigkeit) und nun leben sie in dieser Treue und Liebe Gottes. Oder anders gesagt: Wir dürfen, ja wir können nur als Sünder zu Jesus Christus gehen und uns von Gottes Vergebung und Befreiung beschenken lassen. Denn Jesus Christus starb am Kreuz für uns, damit Gott uns im rechtlichen Sinne vergeben darf. Mit dem Opfer von Jesus Christus wurde das Gesetz erfüllt. Jesus Christus trug unser Sünden ans Kreuz. Jesus trug unseren Fluch. Er wurde zum Fluch, damit wir ihn nicht mehr tragen müssen. Nun dürfen wir in Christus die Realität des Wesens Christi anziehen. Natürlich ist das alles noch unter dem eschatologischen Aspekt des "Schon-jetzt-und-noch nicht". Noch ist es Hoffnung, die man noch nicht sieht und doch ist es schon geistliche Realität. Erst wenn Jesus Christus zum zweiten Mal kommt, wird es für alle sichtbar und wir als Christen werden nicht mehr sündigen können. Dann ist auch unser Zwiespalt in unserem Herzen überwunden.

Auf dieser Basis könnten wir nun auch  überlegen, ob Herr Putin Christ ist. Ich weiss es nicht. Er und Gott wissen es. Benützt er den Staat und die Kirche nur als Machtinstrument? Oder nur als Instrument, um seine eigene Logik zu realisieren und hat Mühe in der Selbsterkenntnis (Selbstreflektion) und Gotteserkenntnis voranzukommen? Verstrickt er sich gar in seinen eigenen Lügen? Gibt es in naher Zukunft eine Revolution, wo diese Selbstgerechtigkeit durch eine andere (vielleicht noch Schlimmere) weggefegt wird? Oder bricht das riesige Russland auseinander, weil sich die Minderheiten nicht mehr als Kanonenfutter benützen lassen wollen? Und/oder bricht der Westen zusammen, weil wir selber innerlich verwirrt sind und nicht mehr wissen, was wir mit all unseren Möglichkeiten wollen?

Selbst wenn das wahr ist, bedeutet es noch nicht, dass er kein Christ ist. Die Gnade Gottes ist eben grösser als unsere Leistung. Und trotzdem erkennt man den Glauben auch an den Früchten. Vielleicht benötigte Putin wie einst König David einen Propheten, der ihm die Wahrheit über sich sagen kann? Allerdings ist die Frage, ob Putin das zulassen würde. Auch in der Geschichte reagierten nicht alle wie David. So wollte Saul, der Vorgänger von David, dass sein Unrecht vertuscht wird. In der Menschheitsgeschichte gab es noch extremere Reaktionen auf die gottesfürchtigen Propheten: Sie wurden auch für die Wahrheit getötet. Gewisse Morde können daher auch auf die Haltung einer Person hindeuten. Aber vergessen wir nicht, auch David hatte einen indirekten Mord gemacht. Aber letztendlich stand er vor Gott und in der Öffentlichkeit zu seiner öffentlichen Sünde, weil ihm die Gnade Gottes und damit die Wahrheit wichtiger war als sein Stolz.

Auf der anderen Seite können wir uns so in unserem Denken verirren, dass Martin Luther den Verstand eine Hure nannte. Zu meinem erstaunen meinte dazu ein Jurist, der sehr originell denkt, natürlich ist das so. Was machen wir denn anderes ... Er meinte wohl, dass es Rechtsgelehrte gibt, die nicht den Sinn der Gesetze umsetzen wollen, sondern das Recht für den eigenen Vorteil, bzw. für den Auftraggeber umbiegen. Das ist sicherlich eine Folge, was Luther meinte. Luther ging es aber um noch mehr. Solange der Rechtsverdreher noch weiss, dass er das Recht verdreht (was schlimm genug ist), dann ist er noch besser dran, als wenn er es nicht einmal mehr merkt. Auch mein Gesprächspartner von gestern oder generell unser Denken im Westen und auch ich, kann mich in meiner eigenen privaten Logik verlieren. Und was mich dabei aufschreckte: Es muss nicht immer so sein, dass ich dazu in eine sehr mächtige Position erhoben werden muss, wo alle nur noch nach meiner Meinung tänzeln, um ihren Vorteil zu ergattern, sondern dies kann in aller "Freiheit" der Unfreiheit meines Denkens geschehen. Darum ist es eine Befreiung, wenn man diese erkennen kann. Dann kann man wirklich sein Leben usw. freier gestalten und muss nicht gefangen in den eigenen Gedanken und Gefühlen leben.

Interessant in diesem Zusammenhang: Putin sieht den Westen am Niedergang. Ich selber denke, dass wir im Westen einen Höhepunkt erreicht haben, der nun viele dekadente Faktoren Raum gibt. Dazu gehört der Mangel an Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis. Noch haben wir sehr viele Möglichkeiten. Die militärische Macht und das Wissen ist immer noch überbordend. Aber es fehlt immer mehr die Weisheit mit unseren Möglichkeit weise umzugehen. Ein kleines Beispiel: Deutschland hatte so Mühe, die drei letzten Atomkraftwerke  über den ganzen Winter weiter laufen zu lassen. Dabei wäre es wichtig gewesen, auch die drei im letzten Jahr abgestellten Atomkraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. Damit hätte man die Stromkosten um ca. 50% senken können. Es gibt andere Meinungen, die sehen keinen solch grossen Effekt. Aber es ist wahrscheinlicher, dass dies der Fall ist. Aber man macht es nicht und gefährdet damit die Wirtschaft und längerfristig den Industriestandort Deutschlands. Mal ganz zu schweigen, was dies für politische Folgen haben kann. (Interessant ist auch, dass sich die Regierungsparteien bei diesem Entscheid nicht auf demokratischen Wege einigen konnten. Vielmehr musste der Bundeskanzler mit seiner Richtlinienkompetenz eingreifen. Für D war es kein Problem, dass dieser undemokratische Akt angewandt wurde. Ganz im Gegenteil: Man sieht darin einen positiven charakterlichen Führungsaspekt. Dabei wäre es wichtig, dass die Menschen auch Fehler machen können, um dann daraus zu lernen und reifer zu werden. In diesem Fall muss ich natürlich auch zugeben, dass der Lerneffekt sehr teuer gewesen wäre ... Aber ich sehe darin nichts Positives, eher eine in dieser Zwischenzeit notwendige und nicht ideale Methode, um noch Schlimmeres zu verhindern (in diesem Fall: noch weniger Strom im Winter zu haben). Aber das nur so nebenbei.)

Für meinen netten Gesprächspartner ist es einfach: Die USA wollen den Niedergang Europas. Das erinnert mich an die eigene Logik: Generell schieben wir Menschen unseren Teil der Verantwortung auf andere. Das ist wohl auch der Nährboden der nicht realistischen Verschwörungstheorien. Es werden Fakten mit Vermutungen und manchmal auch wilde Fantastereien zusammengemischt und als absolute Wahrheit dargestellt und wirklich als Realität geglaubt: Verloren im Realismus (im mittelalterlichen Sinne) ohne Nominalismus, um den eigenen Anteil der Verantwortung auf die "Verschwörer" zu überwälzen. Aber selbst, wenn es diese Verschwörer gäbe, ist man für seinen Teil immer noch verantwortlich! 

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, wie Herr Putin den Begriff Nationalismus nutzt. Wird dieser nicht auch bei uns ähnlich genutzt, wenn es darum geht, unsere Grenzen zu öffnen oder Grossreichpolitik zu machen? (Wie kann man die EU als Friedensreich moralisch überhöhen?) Hat der Westen selber immer mehr Tendenzen, sich im Idealismus zu verlieren und den Empirismus zu vernachlässigen, d.h. sich in einer Traumwelt oder ideologischen Ideen zu verlieren? Ich gebe natürlich zu: Auch hier haben wir das Problem zwischen Platon und Aristoteles, zwischen dem Ganzen und dem Einzelnen. Oder anders gesagt: Wie können wir der Welt gerecht werden und unserem Land? Wie können wir der Wirtschaft und dem einzelnen Arbeiter gerecht werden? (usw.) Dabei hilft es nicht, wenn wir diese Spannung einfach negieren und jede kritische Anfrage ablehnen. Nein, wir müssen uns dieser stellen und damit auch dazu gelangen, die verschiedenen Standpunkte zu verstehen. Wobei es besonders wichtig ist, unseren EIGENEN Standpunkt und unsere EIGENEN Motive für unseren Standpunkt zu verstehen. Erst dann werden wir besser alles einordnen können.

Hilfreich wäre da natürlich auch wieder die Unterscheidung zwischen menschlicher und göttlicher Gerechtigkeit (Zwingli). D.h., dass Bewusstsein, dass wir in der Politik wie überall nur menschliche Gerechtigkeit und nicht die göttliche Gerechtigkeit verwirklichen können. Letzteres braucht Gnade und wir sind auf Jesus Christus angewiesen. Das hilft, effektiver sich selber zu reflektieren und sich nicht in unseren eigenen Gedanken und im Idealismus zu verlieren: Gesunder Relativismus der eigenen Position im Gegensatz zur idealistischen Übermoralisierung der eigenen Position. Dies ist auch im Krieg wichtig, damit wir den Feind nicht übermässig verteufeln und uns selber nicht selbstgerecht Überhöhen. (Und natürlich brauchen wir auch das Ideale, um sich kritisch hinterfragen zu können.)

Dabei wird immer die passive Gerechtigkeit Gottes uns helfen, wenn wir es wollen, weil sie uns hilft die wirkliche Realität zu erkennen. Sie macht es möglich, dass wir uns auch unseren negativsten Motive stellen, weil wir wissen, dass Jesus Christus dafür ans Kreuz ging und in Christus alles gut wird. Es kann trotzdem sehr weh tun, sich so zu erkennen. Aber die Freiheit und Versöhnung mit Gott (und damit auch mit seinem eigenen Leben) ist soviel mehr Wert! Es macht uns wirklich glücklich und gibt einer Freude Raum, die uns in die Ewigkeit begleiten wird. Es  trägt bis in alle Ewigkeit! Und so können wir unser Leben und vielleicht sogar ein Stück unserer Welt wirklich verbessern. 


Samstag, 15. Oktober 2022

Das Evangelium bringt uns an die Grenzen unseres Denkens u. a. am Beispiel des Disputs zwischen Martin Luther und Erasmus

Der Text hat Schreibfehler. Leider habe ich keine Zeit, diese zu korrigieren. Ich hoffe, der Text dient Ihnen trotzdem.

Hier lese ich vor den Text vor:



Und hier ist der Text:

Gestern Abend las ich wieder in Luthers Antwort an Erasmus. Erasmus soll sich auf Origenes und Hieronymus bezogen haben. Luther: "Gibt es doch unter den Autoren der Kirche kaum irgendwelche, die unpassender und ungereimter die göttlichen Schriften behandelt haben als Origenes und Hieronymus." Seite 188
Ich glaube von Dir hörte ich, dass Sierzyin meinte, dass es typisch pietistisch ist, dass der Glaube, das herzliche Vertrauen auf Jesus wichtiger ist, als die Irrtümer von Origenes. Und auch die alte Kirche urteilte so. Origenes lehrte Irrlehren, aber er gehört zu Christus. Darum kein Kirchenvater, aber er zeugte trotz seiner heftigen Irrtümer bis zum Tode für Christus.
Und so ist es wohl auch heute. Die Gnade Gottes ist wichtiger als unsere Irrtümer. Oft verrennen wir uns in etwas, Thema Corona. Oder wir sind uns nicht bewusst, warum wir die Klarheit und Wahrheit nicht wissen wollen.
Und dann gibt es Dinge, die man beim besten Willen unterschiedlich sehen können. Das durfte ich bei der Eschatologie so deutlich erkennen. Martin Bucer meinte sogar, dass er niemand kenne, der ganz genau das gleiche Glaube. Daher ist es problematisch, jeden verdammen zu wollen, der nicht genau die gleiche Meinung hat. Allerdings klang er dann bei Servet anders, mit vielen anderen strenger als Calvin ...
Cool, das ist doch ein starkes Indiz, dass das Evangelium wahr ist und wir es nicht unter Kontrolle heben: Es ist grösser als wir es fassen können. Wir können es nicht aus "fleischlicher", mit unseren menschlichen Möglichkeiten. Es ist wahrer, als wir es in der ganzen Tiefe und Breite erfassen können, weil es von Gott stammt. Das Evangelium ist eine Schöpfung Gottes und keine menschliche.
Zugleich "wissen" wir dass es genau so ist, obwohl wir es nicht in Händen haben. Dabei schwingt in unserem Wissen, unserer Erkenntnis auch ein Erahnen, eine Überzeugung mit, dass uns das Evangelium an die Grenze unseres Fassungsvermögens bringt. Was uns wiederum zur Anbetung Gottes führt, weil er so genial ist. Wir erahnen etwas von Gottes Genialität und überreichen Wirken und Liebe. Und das alles ist so vernünftig und fördert unsere Gottesfurcht und damit unsere Weisheit, weil es unsere Grenzen und auf Gottes überwältigende liebevolle Realität hinweist.
Das gleiche unterstreicht die Dreieinigkeit oder die biblische Prädestinationslehre: Sie bringt uns zur Anbetung Gottes. Ich spüre ein diesen Gedanken Gottes Barmherzigkeit, Güte und Liebe. Und fieser Gott ist für Dich und mich gestorben, obwohl wir es nicht wirklich fassen können und obwohl wir aus uns nicht würdig sind. Dieser Gott opfert sich für uns auf. Das kann Gott natürlich nicht im Tod halten. Er steht von den Toten wieder auf und schafft so noch viel mehr Leben: Ewiges, heiliges, wertschätzendes und liebevolles Leben. Das eschatologische schon jetzt und noch nicht Aspekt lässt uns noch auf die volle Erfüllung warten, ausharren und hoffen. Und doch ist diese Realität schon da. Aber es ist ein Hoffen, da wir es noch nicht sehen. Und wohl in seiner ganzen Breite uns Tiefe noch nicht verstehen. Paulus ist der Meinung, dass wir in dies hineinwachsen sollen.

In Epheser 4,18 schreibt Paulus davon. Der Satz beginnt aber ab Vers 14 (und eigentlich müsste man auch das 2. Kapital hierzu lesen: Man merkt, wie gut das tut, wie die Bibel das alles viel klarer erklärt):

14 «Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater unseres Herrn Jesus Christus,

15 nach dem jede Vaterschaft im Himmel UND auf Erden genannt wird,

16 dass er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit verleihe, durch seinen Geist mit Kraft gestärkt zu werden am inwendigen Menschen,

17 dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne damit ihr in Liebe gewurzelt und gegründet,

18 imstande seid, mit allen Heiligen zu begreifen, welche die Breite, die Länge, die Tiefe und die Höhe sei,

19 und die Liebe des Christus erkennt, die doch alle Erkenntnis übertrifft, DAMIT ihr erfüllt werdet bis zur ganzen Fülle Gottes.

20 Dem aber, der weit über die Massen mehr zu tun vermag, als wir bitten oder verstehen, gemäss der Kraft, die in uns wirkt,

21 ihm sei die Ehre in der Gemeinde in Christus Jesus, auf alle Geschlechter der Ewigkeit der Ewigkeiten! Amen.» (Epheser 3,14–21)

 

Luther zu Erasmus, Joh.1,12 (1). "Johannes spricht nicht von irgendeinem Werk des Menschen, weder von einem grossen noch von einem kleinen, sondern von der Erneuerung selbst und der Umwandlung des alten Menschen, der ein Kind des Teufels ist, in einen neuen Menschen, der ein Kind Gottes ist. Hier verhält sich der Mensch rein passiv, wie man sagt, und tut nicht irgendetwas, sondern "wird" ganz und gar, das heisst, lässt ganz an sich geschehen. Von Werden nämlich spricht Johannes, er sagt, dass sie durch die uns von Gott geschenkte Kraft Gottes Kinder werden, nicht durch das Vermögen des uns eingepflanzt freien Willens.
Unsere Diatribe jedoch schließt hieraus, dass der freie Wilke so viel vermöge, dass er zu Kinder Gottes mache. Oder aber sie ist bereit zu erklären, dass das Wort des Johannes lächerlich und unwirksam ist. Wer aber hat jemals den freien Willen - zumal einen solchen, der das Gute nicht wollen kann, wie es die Diatribe annimmt - so hoch erhoben, dass er ihm Kraft zugestanden hat, zu Kindern Gottes zu machen?"

 

Was ich unvollständig wider gab: Helmut lehnt die doppelte Prädestination ab. Ich weiss nicht, ob er an die einfache glaubt. Ich verstand auch nicht, warum er einen Unterschied zwischen der einfachen und doppelten sieht. Selbst bei den Vertretern der doppelten las ich, dass sie sagen, dass bei den Erwählten Gott Aktiven ist: er schenkt ihnen, die Wiedergeburt. Zwangsläufig errettet das die anderen nicht Darum hat schon John Wesley gesagt, praktisch gebe es keinen Unterschied. Allerdings sehe ich ein, dass in unserer menschlichen Logik ein Unterschied im Bereich der Begriffe und Moral besteht. Gott der verdammt und nicht erwählt, scheint nicht zu einem liebenden Gott zu gehören. Da klingt es besser, dass Gott due einen sich selber in ihrer Sünde überlässt.
Aber das ist menschlich gedacht. Wir ziehen damit, was natürlich vermessen ist und gar nicht möglich, Gott auf unser Niveau hinunter.
Besser ist da Luther, der hier von der dunklen Seite Gottes spricht. Denn wir können nur das über Gott wissen (ausser der natürlichen Erkenntnis), was Gott uns offenbart hat. Luther meint mit dunkel natürlich, das nicht wissen können und kein moralischer Ausdruck. Calvin sagt es gediegener: Wohl gelehrte Unwissenheit, die «docta ignorantia». (Institutio).

Auch hier haben wir es nicht in Händen. Darum müssen wir Freiheit geben, damit, wenn Gott will, der Heilige Geist wirken kann und wir dem Heiligen Geist nicht im Wege stehen. Das wir das überhaupt können. Aber das hat wohl mit Gottes Allmacht und unserer Verantwortung zu tun, die eine Antinomie ist und somit wieder auf Christus wirft, wie das ganze Evangelium. Wir können es nicht (ganz verstehen), aber Jesus Christus unser Herr kann es. Ihm allein gehört die Ehre und das Lob. Das macht uns glücklich.

 

Anhang

(0) Ich zitiere hier aus Luthers Schrift: «Vom unfreien Willen». Das Original ist in Latein geschrieben und heisst: De servo arbitrio. (1525 bei Joh. Lufft, Wittenberg) Man könnte auch «Vom verknechteten Willen» übersetzen.

 

(1) Johannes 1,12 +13

12 «Allen denen aber, die ich ihn aufnahmen, gab er Vollmacht Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinem Namen glauben;

13 die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.»    Johannes 1,12+13

 

Mich dünkt, der Vers 13 erklärt den Vers 12. Hier haben wir eine dieser typischen Bibelstellen, die uns klar die Antinomie lehren: Gottes Allmacht und alleiniges Wirken UND unsere Verantwortung. Man kann es natürlich auch so verstehen: Ich gehe zu Jesus, bekehre mich also und dann schenkt Jesus eine geistliche Wiedergeburt. ABER Luther macht auf das Verb «werden» aufmerksam. Wir machen uns nie zu Kindern Gottes, sondern wir werden, d.h. Gott macht uns zu seinen Kindern. Hier sind wir ganz passiv. Natürlich müssen wir zu Jesus Christus. Aber als geistlich Tote wollen wir nicht. Das Evangelium ist uns vielmehr als Menschen, die natürlicherweise seit dem Sündenfall unter die Sünde versklavt sind, ein Geruch des Todes: «den einen ein Geruch des Todes zum Tode, den anderen aber ein Geruch des Lebens zum Leben.» (2. Korinther 2,16). Das Wunder ist, dass wir zu Jesus gehen wollen und von ihm unsere Sünden ans Kreuz heften lassen, damit wir frei von unseren Sünden sind. Das es dazu ein Wunder braucht, zeigt, wie fest wir im Sündenfall hocken. Darum ist hier kein Platz für Leistungsdenken und Sklaverei, sondern wir müssen ganz in die Freiheit in Christus tauchen, der uns reinwäscht. Dazu muss Gott uns aber erst den Willen geben. Darum müssen wir zuerst durch Gott neu geboren werden, damit wir zu Jesus Christus als Sünder gehen wollen. Und in Christus werden wir sündlos. Wir erhalten gewissermassen das Wesen von Jesus Christus als Geschenk. Und darum darf uns nun Gott auch als seine Kinder adoptieren: Damit werden wir zu Gottes Kindern. Somit ist es wichtig allen das Evangelium zu verkünden. Der Heilige Geist wird, wenn er will, zu seiner Zeit daraus einen inneren Ruf machen, indem der Heilige Geist eine geistliche Wiedergeburt schafft. Oder anders gesagt: Indem der Heilige Geist den Willen und die Freiheit schenkt, dass Evangelium als Evangelium (= frohe Botschaft) verstehen zu können und damit zu Jesus Christus gehen zu wollen, d.h. sie bekehren zu wollen.

Somit gibt es zwei Wahrnehmungen:

Die persönliche Wahrnehmung: Ich verstehe das Evangelium als frohe Botschaft zum ewigen Leben, darum gehe ich zu Jesus Christus. Ich kehre um von meinen alten Wegen und will nun Jesus Christus als Herrn. Ich will nicht mehr sündigen, sondern in der Liebe der Dreieinigkeit leben. Ein Prozess bis zu meinem physischen Tod oder der zweiten Wiederkunft von Jesus Christus beginnt.

Von der zweiten Wahrnehmung weiss ich nur, wenn ich die Bibel lese: Damit ich das wollte, musste mir zuerst Gott einen neuen Willen geben. Der menschliche freie Wille will eben gar nicht das Gute, weil es unter die Sünde versklavt ist. Eigentlich weiss dies auch Erasmus. Aber Luther weist in in seinem Buch nach, wie er sich widerspricht und eigentlich dem freien Willen alles zuspricht. Und so wird Erasmus auch bis heute verstanden, wenn ich mich nicht irre. Damit wird aber die Bekehrung zu einer moralischen Leistung für die wir Gott nicht brauchen. Und das wiederum ist das Einfalltor für unser Leistungsdenken, indem wir doch wieder unsere eigene Erlösung fabrizieren wollen, denn wir wollen ja Gott sein und uns nicht von Gott beschenken lassen. Aber das führt konsequenter Weise wieder in die Sklaverei des Leistungsdenken. Wieder wird menschliches Tun absolut gesetzt anstelle Gott und seine Leistung absolut zu akzeptieren, die uns doch so frei und glücklich machen würde.

 

Darum schreibt Luther

(S. 176–177): «Lasst uns es doch bitte einmal ansehen: Johannes spricht nicht von irgendeinem Werk des Menschen, weder von einem grossen noch von einem kleinen, sondern von der Erneuerung selbst und der Umwandlung des alten Menschen, der ein Kind des Teufels ist, in einen neuen Menschen, der ein Kind Gottes ist. Hier verhält sich der Mensch rein passiv, wie man sagt, und tut nichts irgendetwas, sondern ‘wird’ ganz und gar, das heisst, lässt ganz an sich geschehen. Vom Werden nämlich spricht Johannes; er sagt, dass sie durch die uns geschenkte Kraft Gottes Kinder Gottes werden, nicht durch das Vermögen des uns eingepflanzten freien Willens.

Unsere Diatribe jedoch erschliesst hieraus, dass der freie Wille so viel vermögen, dass er zu Kindern Gottes mache. Oder aber sie ist bereit zu erklären, dass das Wort des Johannes lächerlich und unwirksam ist. Wer aber hat jemals den freien Willen – zumal einen solchen, der das Gute nicht wollen kann, wie es die Diatribe annimmt – so hoch erhoben, dass er ihm die Kraft zugestanden hat, zu Kindern Gottes zu machen? Doch dies mag mit den übrigen so oft wiederholten Folgerungen hingehen, durch welche nichts bewiesen wird. Wenn etwas bewiesen wird, dann nur das, was die Diatribe verneint, nämlich, dass der freie Wille alles vermöge. Johannes aber will dies sagen: Dadurch, dass Christus in die Welt kommt durch das Evangelium, in welchem die Gnade angeboten, nicht aber ein Werk gefordert wird, eröffnet sich allen Menschen die wahrhaft herrliche Möglichkeit, Gotts Söhne zu sein, wenn sie glauben wollen. So wie der freie Wille im Übrigen dieses Wollen, dieses Glauben an seinen Namen niemals gekannt noch es vorher im Sinne gehabt hat, so vermag er es noch viel weniger aus eigenen Kräften. Denn wie könnte die Vernunft denken, dass der Glaube an Jesus als Gottes- und Menschensohn notwendig, wo sie es doch niemals begreifen oder glauben kann, selbst wenn die ganze Schöpfung laut riefe: Es gibt nur eine Person, die zugleich Gott und Mensch sei? Sondern sie nimmt vielmehr an solcher Rede Anstoss, wie Paulus in 1. Korinther 1,23 sagt. So weit ist sie davon entfernt, dass sie glauben will oder kann.»

 

Cool finde ich, dass das Evangelium wirklich allen Menschen angeboten wird. Alle könnten theoretisch, aber nur jene Wollen, die einen neuen Willen erhalten haben, weil der «freie Wille» eben nicht so frei ist, sondern unter die Sünde versklavt ist. Das führt im 5-Puntke Calvinismus zu einem Punkt, ich glaube es ist der dritte, indem behauptet wird, dass Jesus nur für die Erwählten gestorben ist. Ich glaube, dass ist eine vernünftige logische Folgerung: ABER sie ist nicht ganz biblisch. Laut der Bibel ist Jesus Christus für alle Menschen gestorben und wie Luther es sagt: «allen Menschen die wahrhaft herrliche Möglichkeit, Gottes Söhne zu sein, wenn sie glauben wollen.» Interessanterweise erklären das Vertreter des Fünfpunkte Calvinismus letztendlich auch so, wenn sie sich an der Richtschnur der Bibel orientieren. Diese fünf Punkte wurde ja auch in einem Streit in den Niederlanden entwickelt. Man nahm damals mit fünf Punkte an der Dordrechter Synode gegen fünf Punkte Stellung des Herrn Jacobus Arminius. Daher kommt der Name Arminianer oder Arminianismus. Er war Theologieprofessor an der Universität Leiden. Daraus entstanden die Remonstranten. Praktisch wird aber im deutschsprachigen Raum oft die Herr Arminius gedacht, weil es gut zu unserem menschlichen Denken passt. Zugleich finde ich es aber gefährlich, mit der gleichen menschlichen Denkweise zu antworten. Tatsächlich ist der Komplexität acht zu geben. Und ich denke auch Calvin hatte gegen diese menschliche Logik, wie sie Aristoteles lehrte, seine Bedenken. Nach der Reformation schufen die verschiedenen Konfessionen gewaltige Dogmatiken und auch die Reformierten bedienten sich der Logik eine Aristotles. Aber Gottes Logik übersteigt unsere Logik. Wir können sie hier in dieser Zwischenzeit nie ganz fassen. Darum würde ich auf einer gewissen Weise dem Fünfpunkte Calvinismus recht geben, zugleich ist es aber notwendig es genau zu erklären. Und mir gefällt gerade für den 3 Punkt Luther besser, der einfach biblisch sagen kann: Jesus Christus ist für alle Menschen gestorben, aber es werden nur jene kommen, die der Heilige Geist vorher befreit hat und diese sind jene, welche Gott vorherbestimmt hat. Die logische Abkürzung lässt die biblische Komplexität aus. Sogar mein Satz, indem ich versuche Luthers Meinung wiederzugeben (ich hoffe, es ist so korrekt und nicht nur die meine oder noch wichtiger, es ist so, wie es Gott haben möchte.) kann missverstanden werden. Denn es ist offensichtlich, dass Gott nicht nur vorherweiss, sondern auch wirkt. Die daraus resultierende Antinomie müssen wir stehen lassen. Die Spannung muss wie zwischen Mann und Frau, wo neues Leben entsteht oder beim Strom: positiv und negativ, stehen gelassen werden, weil die gedankliche Auflösung davon, zwar die Spannung in unserem Denken weg nimmt, aber lebensgebende und liebevolle Lebenskraft und die gesunde tiefere für uns nicht fassbare Wahrheit und Anbetung Gottes in unserem Bewusstsein zerstören würde. Oder noch einfacher gesagt, wenn wir uns vorstellen, wir sässen auf einem Pferd, dass Prädestination heisst: Entweder fallen wir auf die eine Seite der Werkgerechtigkeit und Leistungsdenken oder auf die Seite des Fatalismus. Die Bibel lehrt aber weder das eine noch das andere, sondern etwas viel Komplexeres, weil sie von Gottes Offenbarung spricht.

 

Luther geht es bei diesen Fragen um das Wesentliche im Christentum. Darum schreibt er

 

(S. 33): «Es ist daher nicht gottlos, vorwitzig oder überflüssig, sondern vor allem heilsam und notwendig für einen Christen, dass er weiss, ob der Wille in Sachen des ewigen Heils etwas bewirkt oder nicht. Vielmehr, damit du es weisst: Hier liegt der Dreh- und Angelpunkt in unserem Streit hierum dreht sich alles! Denn darum geht es uns: zu untersuchen, was der feie Wille vermag, worin er passiv ist und wie er sich zur Gnade Gottes verhält. Wenn wir das nicht wissen, dann wissen wir überhaupt nichts vom christlichen Glauben und werden schlimmer dran sein als die Heiden.» … «Wenn wir gottgefällig leben wollen, müssen wir daher aufs Deutlichste zwischen Gottes Leistung und der unsrigen unterscheiden, zwischen Gottes Werken und den unsrigen.»


Dienstag, 27. September 2022

Karl Barth zum Gedenken an das 500 jährige Jubiläum der Institutio von Johannes Calvin 1559 bis 1959

 Interessante Gedanken des berühmten Basler Theologen Karl Bart von 1959 über Johannes Calvin und seine Insitutio, welche 1559 die heutige Ausführung erreicht hat. 

Würde Calvin, wenn er noch leben würde, in Genf seine Statue in Genf entfernen lassen?

Würde er uns heraufordern?

Hätten wir Freude über ihn? 

Auf jeden Fall würde er uns zum wahrhaftigen Denken und Bibelstudium ermutigen.

Hier zu hören:


PS: Karl Barth soll ein gemässiger positiver Theologe gewesen sein. Er ist am 18.5.1886 in Basel geboren und am 10.12.1968 in Basel gestorben. Ein Freund, der selber Theologe und Prediger ist, lebte eine Zeitlang neben dem Karl-Barth-Archiv auf dem Bruderholz in Basel, das gleichzeitig auch der letzte Wohnort von Karl Bart gewesen ist.

Interessanterweise kenne ich viele "positive" Theologen oder Menschen, die zur Bibel positiv eingestellt sind: Entweder sind sie von Karl Barth und seiner Theologie begeistert oder aber sie haben grosse Bedenken. Zwei Theologe meinten zu unterschiedlichen Zeiten sogar, er habe mit seinem Dualismus oder seiner dialektischen Theologie die Kirchen leer gepredigt. (Dieses es ist so und dann doch wieder nicht.) Die nationalsozialistische Ideologie entlarvte Karl Barth mutig. Vielleicht sah er auf dem linken Auge nicht so klar? Es wäre sehr  interessant, sich mit ihm zu beschäftigen. Gerade weil er als einer der wichtigsten reformierten Theologen des 20. Jahrhundert betrachtet wird. Eigentlich erstaunlich in einer Zeit, wo doch die liberale Theologie soviel mehr glänzte? 

Karl Barth wurde und wird so geachtet, dass er auch als Kirchenvater des 20. Jahrhundert beschrieben wird, was er selber aber immer ablehnte. (Übrigens auch Johannes Calvin unterschied sehr klar, zwischen sich und den Kirchenvätern, indem er die erste Priorität der Bibel gab, dann denn Kirchenvätern, die sich auch an der Bibel korrigiert wissen wollten und dann den aktuellen Auslegern, die sich an der Bibel und den Kirchenvätern orientieren. Wobei die Kirchenväter ganz selbstverständlich an der Bibel gemessen werden wollten. Hier lag ja ein Unterschied zu sich herausbildenden römisch-katholischen Kirche, welche die Kirchenväter, die Tradition und manchmal auch der Papst selber mit der Autorität der Bibel auf die gleiche Stufe stellen wollten. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob es auch heute unter den Protestanten Theologen gibt, die gerne ihre Theologie auf die Stufe der Kirchenväter oder noch mehr: den Aposteln gleichsetzen wollten. Apostolische Autorität würde dann bedeuten, dass man biblische Autorität, also göttliche Autorität beanspruchte. Aber aus Gnade errette und in einer Zeit des "Schon-jetzt-und-noch-nicht-Aspekts" kann solcher Idealismus zu einem Gefängnis des ideologischen Perfektionismus führen.

Obwohl ich zwar glaube, dass Gott das Wunder schaffen kann, dass er durch den Heiligen Geist durch das Bibellesen oder auch durch eine Predigt zu uns reden kann, so ist das nicht mit der Idee zu vergleichen, dass Menschen selber diese Autorität hätten. Gott kann einen Prediger durch den Heiligen Geist nutzen, selbst wenn der Prediger nicht einmal, das glaubt, was er laut der Bibel korrekt weitergibt. Ich selber weiss von einer Jugendgruppe, die eine nicht glaubende Pfarrerin als Dorfpfarrerin hatten. Das störte die Jugendgruppe auch nicht, weil sie auch nicht glaubten. Aber auf einmal bekehrte sich einer nach dem anderen und auf einmal sprach das ganze Dorf von den Heiligen vom Bahnhof. Denn am Bahnhof hatten sie ihren Jugendraum. Eine Firma hatte ihnen dies zur Verfügung gestellt. Mit der Zeit organisierte diese Jugendgruppe sogar eine Evangelisation in diesem Dorf. 

Viele Jahre später sagte mir jemand aus dieser Jugendgruppe, die es mittlerweilen nicht mehr gibt, dass dieses Dorf von Gott besonders gesegnet wird. Nun haben sie schon wieder einen gläubigen Pfarrer. Immer wieder wirkt hier Gott und man weiss gar nicht, warum. Sie selber sind leider ausgetreten und suchten in einer Freikirche ihr Glück. Allerdings wandte sich diese Freikirche liberalen und feministischen Ideen zu, daher gingen sie in eine andere. Dort aber gibt es ein Prediger, der etwas eigenwillig ist: Ein gründlicher Bibelausleger, der leider manchmal glaubt, auf alles eine Antwort zu haben. Die gelehrte Unwissenheit eines Calvins ist ihm noch nicht bekannt, dafür greift er fleissig Calvin an und vergleicht die traditionelle reformierte Theologie mit der Irrlehre, die einst Augustinus geglaubt hatte, bevor er Christ wurde. Meine bisher drei Briefe, indem ich ihm versuchte den Unterschied zwischen Calvinismus und Manichäismus zu erklären, fruchteten leider nicht. Sein Video, indem er behauptet Augustinus und mit ihm Calvin lehren dies, und damit auch ein Fatalismus, ist immer noch auf Youtube zu sehen. Schade. Vielleicht könnte ihm Karl Barth hier weiter helfen.

Das alles zeigt aber auch: Wir leben leider noch nicht im Himmel, sondern in einer Zwischenzeit mit dem eschatologischen "Schon-jetzt-und-noch-nicht-Aspekt". So wie durch unser Herz die Grenze zwischen Hölle und Himmel geht, geht es auch durch die Kirchen und unsere Welt. Aber in Christus sind wir sicher und kommt alles gut. In seiner Gnade und seiner Wahl und seinem Willen und nicht in uns, liegt unser Heil. 

Auch wenn ich einen Misst glaube und mir damit nicht gut tue, wird mich Jesus Christus in die gute Ewigkeit bringen, wenn ich in seiner Gnade ausharre. Man denke nur an Origenes (185-253 oder 254 n.Chr.). 

Denn aus Glauben sind wir gerettet und das nicht aus uns.

"Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch den glauben, und  das nicht aus euch - Gottes Gabe ist es;" schreibt Paulus im Vers 8 des 2. Kapitels an die Epheser. Und so werden wir staunen, wer wir dereinst in der Ewigkeit alles sehen werden und wer wir leider auch nicht sehen werden.





Sonntag, 25. September 2022

Talk im Turm: Mein Zwingli. Die Reformation in unseren Köpfen Wie gross war der Einfluss Zwinglis auf Calvin?

Diese Veranstaltung der Universität Zürich mit einem Historiker und einem Theologen zum Thema, wieviel Zwingli in unseren Köpfe ist, ist interessant.

Wie wirkt bis heute Zwingli auf uns?

Was denken heutige Professoren darüber?

Insbesondere die Auswirkungen von Zwingli auf Calvin, die kurz erwähnt werden, finde ich bemerkenswert. Auch bei meinen Recherchen für mein Buch "Menschen der Reformation" bin ich zum Beispiel darauf gestossen, dass die Bundestheologie nicht von Johannes Calvin stammte, sondern um Zwingli, vermutlich von Zwingli selber, entdeckt worden ist. Und dies gilt wohl für weitere Aspekte. 

Wobei Calvin vermutlich nicht oft direkt von Zwingli beeinflusst wurde. Dies war mehr indirekt: Zum Beispiel durch Capito und Martin Bucer in Strassbourg. Vielleicht war sich Calvin dessen selber nicht so bewusst ...?

Hier ist dieser Talk, ein Gespräch mit Interview-Charakter zu hören und zu sehen:





Freitag, 2. September 2022

Sind Reformierte Kunstfeinde und Musikfeinde?

 Das dies nicht der Fall ist, beweist dieser Beitrag. Im Gegenteil, nicht nur Martin Luther, sondern auch die Reformierten revolutionierten im kirchlichen Bereich die Musik. 

Allerdings war in Zürich zur ersten Zeit der Chorgesang eingestellt worden und noch nicht der Gemeindegesang eingeführt. Aber während im Gottesdient alleine das Wort Gottes, die Bibel neu entdeckt worden ist, wurde die Musik in der Ausbildung und im privaten Bereich praktiziert: Huldrych Zwingli der Reformator von Zürich war sehr musikalisch und beherrschte viele wenn nicht alle damaligen Musikinstrumente. Er nutzte aber im Gegensatz zu Martin Luther diese Gabe nicht im Gottesdienst. Trotzdem wurde ihm seine Musikalität vorgeworfen: Denn er musizierte viel zu Hause und man weiss, dass er auch für ein Schultheater die musikalische Begleitung schaffte. Leider sind seine Lieder nicht wirklich überliefert, ausser der Text zu seinem bekanntesten Lied: Sein Pestgesang. Mit diesem Lied verarbeitet er seine Pesterkrankung.

Hier fand ich dazu mit folgenden Text:

Vorreformatorisch (?) von 1519: Hilf, Herr Gott, hilf in dieser Not! Zwingli war 1519 in Zürich an der Pest erkrankt, hat die Infektion aber überstanden. Eine mehrstimmige Version von Zwingli selbst ist nicht erhalten, hat aber existiert (siehe Altstimme in der Universitätsbibliothek Basel). Der 4stg Männerchorsatz stammt von Karl Gerstberger (1946). Aufgenommen mit einem Waldhorn von EINhorn.zollikerberg


Hier der Text (aus

https://www.zhref.ch/themen/reformationsjubilaeum/allgemeine-informationen/huldrych-zwingli/zwingli-lexikon-von-a-bis-z-1/lexikon-p/pestlied-zwinglis  per 2.9.2022):

Pestlied Zwinglis

Im Anfang der Krankheit

(Original)
(Übersetzung von Georg Finsier)


Hilff, herr gott,
Hilf, Herr Gott,

hilff in diser not!
hilf in dieser Not!

Ich mein, der tod
Ich mein', der Tod

sey an der thür.
sei an der Tür.

Stand, Christe, für;
Christ', bleib' bei mir;

dann du in überwunden hast!
denn Du ihn überwunden hast!

Zu dir ich gilff:
Zu Dir ich schrei';

Ist es dein will,
Ist es Dein Will',

züch uss den pfyl,
zieh aus den Pfeil,

der mich verwundt!
der mich verwund't!

Nit lasst ein stund
Es läßt kein Stund

mich haben weder ruw noch rast!
mich haben weder Ruh noch Rast!

Wilt du dann glych
tod haben mich
in mitz der tagen min, so sol es willig sin.
Kommt doch der Tod
auf Dein Gebot inmitten meiner Tag,
so folg ich ohne Klag.

Thu, wie du wilt:
Ist doch dein Will'

mich nüt befilt.
mir nicht zuviel.

Din haf 1) bin ich.
Dein Ton bin ich.

Mach gantz ald brich;
Form oder brich;

dann, nimpst du hin
denn nimmst Du hin

den geiste min
mir Geist und Sinn

von diser erd,
von dieser Erd,

thust du's, dass er nit böser werd,
tust Du's, daß er nicht böser werd,

ald andem nit
und andem nicht

befleck ir läben fromm und sit 2).
befleck ihr Leben fromm und licht.


Inmitten der Krankheit

Tröst, herr gott, tröst!
Tröst, Herr Gott, tröst!

Die kranckheit wachsst,
Die Krankheit wächst,

wee und angst
Weh und Angst faßt

faßt min seel und lyb.
mein Seel und Leib.

Darumb dich schyb
Darum, o bleib

gen mir, einiger trost, mit gnad,
bei mir, einziger Trost, mit Gnad,

die gwüss erlösst
die gern erlöst

ein yeden, der
ein' jeden, der

sin hertzlich bgär
all sein Begehr

und hoffung setzt
und Hoffnung setzt

in dich, verscherzt
in Dich und schätzt

darzu diss zyt all nutz und schad.
gering all zeitlich Nutz und Schad.

Nun ist es umm.
Nun ist es um.

Min zung ist stumm,
Mein Zung ist stumm,

mag sprechen nit ein wort.
mag sprechen nicht ein Wort.

Min sinn sind all verdort.
Mein Sinn sind all verdorrt.

Darumb ist zyt,
Drum ist es Zeit,

dass du min stryt
daß meinen Streit

fuerist fürhin,
Du führst fürhin,

so ich nit bin
da ich nicht bin

so starck, dass ich
so stark, dass ich

mög dapfferlich
mög' tapferlich

tun widerstand
tun Widerstand

des tüfels facht und fränner hand.
des Teufels Netz und Frevlerhand.

Doch wirt min gmuet
Doch mein Gemüt

stät blyben dir, wie er ioch wuet.
stets bleibt bei dir, wie er auch wüt'.


In der Besserung

G'sund, Herr Gott, gsund!
G'sund, Herr Gott, g'sund!

Ich mein', ich ker
Ich mein', ich kehr

schon widrumb her.
schon wied'rum her.

Ja, wenn Dich dunckt,
Ja, wenn Dich dünkt,

der sünden funck
daß nimmer sinkt

werd nit mer bherrschen mich uff erd,
mein Wesen in der Sünde Macht,

so muss min mund
so muß mein Mund

din lob und leer
Dein Lob und Lehr

ussprechen mer
aussprechen mehr

denn vormals ye,
denn vormals je,

wie es ioch gen,
- wie es auch geh -

einfaltigklich on alle gferd.
einfältiglich bei Tag und Nacht.

Wiewol ich muss
Obschon ich muss

dess todes buss
des Todes Buss

erleyden zwar ein mal
erleiden zwar einmal

vilicht mit grösserm qual,
vielleicht mit grössrer Qual,

dann yetzund wer
als jetzt es mir

geschähen, her,
geschehen schier,

so ich sunst bin
da fast ich bin

nach gfaren hin;
gefahren hin;

so wil ich doch
so will ich doch

den trutz und boch
trotzig Gepoch

in diser wält
auf Erden schon

tragen frölich umb widergelt
ertragen froh um Himmelslohn

mit hilffe din,
mit Hilfe Dein,

on den nüt mag vollkommen sin.
ohn' den nichts kann vollkommen sein!


1) "Hafen" = Topf, Krug, Geschirr. Zwingli nimmt hier Röm 9,20ff auf. Dies ist die grundlegende Stelle für Zwinglis Erwählungs-, Berufungs- und Yorsehungsglauben.

2) "sit" - Sitte oder sittsam.

3) "gferd" = Gefährdung. Hier denkt Zwingli wohl nicht an die äussere Gefahr für den Verkündiger, wonach sein Leben für seine Überzeugung in Gefahr kommt, sondern an die Gefahr einer Abweichung oder eines Abfalls von seiner Berufung, die er eben in der Krise des "Pest"-Erlebnisses überwunden hat.

Aus Ernst Saxer: Huldrych Zwingli. Ausgewählte Schriften. 1988

Hier noch  ein Versuch den Text musikalisch zu interpretieren:

und hier der zweite Teil:


Hier noch ein Loblied, als weiterer Trost:





 Hier ein Ausschnitt aus "Musik zur Ehre Gottes" aus https://www.erf.de/lesen/themen/glaube/musik-zur-ehre-gottes/2803-542-6656 (2.9.22) Hier wird über den Stellenwert der Musikqualität in der Kirche nachgedacht. Man sieht, die Frage ist so aktuell wie vor 500 Jahren. Hier der Ausschnitt:

"Eine reine Frage der Qualität?

Ich folge der Auffassung von Timothy Keller: Je größer eine Gemeinde ist, desto mehr Planung muss in Veranstaltungen investiert werden. Die Erwartungshaltung an höhere Qualität steigt mit der Größe der Gemeinde. Veranstaltungen können nicht einfach so zusammengeschustert werden, denn auch die ästhetische Messlatte wird höher gesteckt, je größer eine Gemeinde ist. Timothy Keller schreibt:

In kleineren Gemeinden basiert das Erleben der Anbetung vor allem auf den horizontalen Beziehungen unter denjenigen, die teilnehmen. Musikalische Darbietungen von ungeübten und nicht besonders talentierten Sängern werden nichtsdestotrotz geschätzt, weil „wir sie alle kennen“ und sie Mitglieder der Gemeinschaft sind.3 – Timothy Keller


Auch spielt die Qualität in „geschlossenen Kreisen“ eine nicht so große Rolle wie in evangelistisch offenen Kreisen. Das ist besonders bei Gemeinde-Neugründungen zu berücksichtigen. Gravierende musikalische Mängel sind unter Freunden akzeptabel, für Gäste, die in keiner Beziehung zu den Musikern stehen, allerdings maximal tolerierbar. Gekünstelte Professionalität ist aber ebenso falsch wie chronisch gewollte Unprofessionalität. Der Gottesdienst ist kein Konzert und muss nicht unbedingt dem kulturellen Angebot Konkurrenz machen.

Mein persönlicher Wunsch ist, dass wir die Frage der Musik in unseren Gemeinden nicht in erster Linie zur Geschmacksfrage machen. Es geht über Qualitätsfragen noch hinaus: C.S. Lewis antwortete in einem Buch auf die Frage, ob ein Christ Mitglied einer christlichen Gemeinde werden sollte, wie folgt:

Ich kam mit anderen Leuten zusammen, die ganz andere Ansichten und eine ganz andere Erziehung hatten, und nach und nach begann meine Einbildung einfach abzublättern. Ich merkte, dass der alte Mann mit den ausgetretenen Schuhen in der Kirchenbank gegenüber diese Lieder (und sie waren wirklich nur sechstklassige Musik) mit echter Hingabe und geistlichem Gewinn sang – und dann erkennt man mit einem Mal, dass man es nicht wert ist, seine Schuhe zu putzen. Da vergeht einem die Überheblichkeit, die sich in der Abgeschiedenheit eingenistet hat.4 – C.S. Lewis

 

Mir ist bewusst, dass die musikalischen Möglichkeiten in jeder Gemeinde unterschiedlich sind. Jedoch möchte ich aus meiner Musiker-Perspektive auch betonen, dass es immer wünschenswert ist, unsere Musik so schön wie möglich erklingen zu lassen, da sie zur Ehre Gottes gespielt wird. Es ist die primäre Aufgabe der Musiker in der Gemeinde, den Text des Liedes – und damit die intendierte Botschaft – zunächst zu begreifen und zu verstehen. ..."