Gnade
„Vom David
Zu Dir wott ales i miir.
DU bisch miin Gott, bi
diir bin ich sicher.
Iich wett mi scho nie
müese schäme vor mine finde,
wo nu über mi lached“
(Psalm 25, 1 + 2, Züritüütsch, us em Hebrèèische überträit
vom Josua Boesch)
לדוד אליך יהוה נפשׁי אשׂא׃
אלהי בך בטחתי אל־אבושׁה אל־יעלצו איבי לי׃
Hebräischer
Text: Psalm 25, 1 und 2
“Von David
Nach dir, Herr, sehnt
sich meine Seele.
Auf dich ,meine Gott,
vertraue ich;
Lass mich nicht in Schande
enden,
Lass meine Feinde nicht
über mich triumphieren!”
(Psalm 25,
1 und 2 aus Genfer Studienbibel, Seite 900)
Der Psalm
25 ist ein akrostichischer Psalm. Wenn wir den gesamten Psalm in Hebräisch vor
uns liegen haben würden, würden wir feststellen, dass jeder Zeilenanfang –
mehrheitlich – nach dem Alphabet geordnet beginnt. Das bietet die Möglichkeit,
den Psalm besser auswendig lernen zu können – in Hebräisch.
David
bekennt in Vers 10 und 11:
“Alle Pfade des HERRN
sind Gnade und Wahrheit denen, die seinen Bund und seine Zeugnisse bewahren.
Um deines Namens willen,
o HERR, vergib meine Schuld; den sie ist gross!”
Gott
verheisst, dass alle seine Wege (Pfade) Gnade und Wahrheit sind. Dann wird wie
eine Bedingung angeknüpft: “die seinen Bund und seine Zeugnisse bewahren.”
Luther übersetzt: “Die Wege
des HERRN sind lauter Güte und Treue für alle, die seinen Bund und seine Gebote
halten.”
Wie halt man
denn nun den Bund Gottes und seine Gebote? Es klingt irgendwie nach sehr viel
Leistung und Anstrengung. Gerade im nächsten Vers heisst es dann:
“Um deines Namens willlen, HERR, vergib
mir meine Schuld, die so gross ist!” (PS 25,11, Luther)
Hier klingt
eindeutig die Gnade hervor: Wir halten den Bund mit Gott, indem wir uns auf die Gnade Gottes verlassen und nicht auf unsere Leistung. David hat Sündenerkenntnis. Er ist von ihr überwältigt.
Und er macht das weiseste: Er steht dazu, weil er weiss, dass der gnädige Gott
ihm dies vergeben wird. Warum? David schreibt nicht, weil er besser wäre, als
andere Menschen. Da steht nichts in diese Richtung. Es steht: “Um deines Namens
willen, HERR,” Der Grund, warum David Vergebung liegt nicht darin, was er tut,
sondern indem was GOTT IST: Gott ist gnädig und David verlässt sich auf Gott.
Noch mehr: Um deines Namens willen. Der Name Gottes ist Programm. Hier steht יהוה = JHWH. Aus lauter Ehrfurcht wurde dieser Name
Gottes in Israel nicht mehr ausgesprochen. Man las anstelle dieses Namens “Adonaj”,
also “unser HERR”, wie es auch in unseren zwei Uebersetzungen ins Deutsche
geschehen ist. Wir wissen, dass Gott ein Dreieiniger Gott ist. Er lebt seit
Ewigkeit in wertschätzender und liebevoller Gemeinschaft. Damit ist unser Gott
ein liebevoller Gott, der so mächtig wie liebevolle ist. David erkannte, dass
Gott liebevoll und barmherzig war, darum konnte er beten: “Um
deines Namens willen, o HERR, vergib meine Schuld; denn sie ist gross!” und alle seine Wege sind Gnade
und Wahrheit.
Auch Vers 8
+ 9 nimmt dies auf: “Der HERR ist gut und gerecht, darum weist er die
Sünder auf den Weg; er leitet die Elenden auf den rechten Pfad und lehrt die
Elenden seinen Weg.”
Hier sehen
wir auch die alttestamentlich Definition für einen gerechten Menschen: Es ist
jemand dem Gott vergeben hat. Daraus wächst Gottesfrucht (Vers 12): “Wer
ist der Mann, der den HERRN fürchtet? Er lehrt ihn den Weg, den er erwählen
soll.” Und dies soll
ihm in seinem Leben gut tun (s. Vers 13).
In den folgenden
Versen werden neben unserer Sündhaftigkeit noch andere Probleme in unserem
Leben aufgeführt. Sie warden Gott anvertraut, im Wissen, dass der HERR uns
dadurch helfen wird.
“Meine Augen sind stets auf den HERRN gerichtet, dass er meinen Fuss aus
dem Netze ziehe.
Wende dich zu mir und sei mir gnädig; den ich bin einsam und elend!
Erleichtere die Angst meines Herzens und führe mich heraus aus meinen
Nöten!
Siehe an mein Elend und meine Plage und vergib mir alle meine Sünden!
Siehe an meine Feinde, den ihrer sind viele, und sie hassen mich
grimmig.
Bewahre meine Seele und rette mich; lass mich nicht zuschanden werden; den
ich traue auf dich!”
(Psalm 25, 15-20)
Und dann zeigt der
Beter David, dass diese Zuversicht ihn nicht auf die dumme Idee kommen last,
Unrecht mit Unrecht zu vergelten, wie ich es heutzutage immer wieder mal höre:
“Unschuld und Redlichkeit mögen mich behüten; den ich harre deiner.
O Gott, erlöse Israel aus allen seinen Nöten!” Amen, Herr mache das. Und erlöse auch uns aus
allen unseren Nöten!
Die Gnade Gottes kommt
im Neuen Testament noch klarer zum Vorschein, weil Gott selber, als Jesus Christus
zu uns kommt. Er hat uns vorgelebt, wie Gott ist.
Dabei war Jesus der
vollkommene Mensch und Gott. Auch als er sterbend am Kreuz meine Sünden übernommen
hat und als er aus den Toten auferstandenden ist. Damals zerbrach er die
Todesmacht. Leider müssen wir auf die vollkommene Erfüllung dieses Erbanspruchs
noch warten:
“Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die
man sieht, ist keine Hoffnung; denn warum hofft auch jemand auf das, was er sieht?
Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit
Ausharren.
Ebenso kommt aber auch der Geist unseren Schwachheiten zu Hilfe. Denn
wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; aber der Geist
selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern.
Der aber die Herzen erforscht, weiss, was der Sinn des Geistes ist; den er
tritt für die Heiligen so ein, wie es Gott angemessen ist. Wir wissen aber,
dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem
Vorsatz berufen sind.” (Römerbrief 8, 24 – 28)
Dies hat gewaltige
Folgen für unser Christsein. Es ist absolut wahr, dass wir nicht besser, als
Nichtchristen sind. Häufig erlebe ich, dass wir Christen nicht in der ganzen Konsequenz
begreifen, was dies für uns bedeutet: Wir sind wirklich errettete Sünder! Von
Gott heilig gesprochen, weil Gott selber unsere Verfehlungen getragen hat. Der
Unterschied ist nur Gnade. Jener Stein des Anstosses, der Christus ist. Denn
wir wollen zutiefst geliebt warden, weil wir irgend etwas Gutes in uns haben
und nicht nur, weil uns Gott wegen seines Namens liebt. Es bedeutet die völlige
Bankrotterklärung unserer menschlichen Möglichkeiten. Und zwar nicht nur zur
Errettung, sondern auch, um unser Leben heilig führen zu können. Wir können es
aus eigener Kraft nichts, was Gottes liebevolle Masststäbe erfüllen könnte. Daher muss auch das Leben eines Christen, wie seine
Errettung, aus Gnaden Gottes sein.
Nach den Männern des
Neuen Testaments gab es drei Theologen, die dies sehr gut verstanden haben.
Sie sind in dieser Sache wie drei Leuchttürme, die bis zu uns scheinen.
John Piper hat ein kleines Büchlein über diese Personen
geschrieben, dass ich zur Zeit am Leben bin:
"Ueberwältigt von Gnade, Aurelius Augustinus, Martin
Luther, Johanne Calvin" John Piper zitiert Seite 22 Augustin: "Wer
ist nicht entsetzt über die Abgründe, die sich im Leben eines hingebungsvollen
Menschen öffnen können?..." (S. 22)
John Piper schreibt u.a. dazu: "Augustinus wusste, dass ihm das Gleiche
geschehen würde, wenn er aus eigener Kraft treu und rein bleiben sollte. Der
Kampf für die allmächtige Gnade war nicht theoretischer oder akademischer
Natur; er war praktisch und höchst notwendig. Heiligkeit und Himmel standen auf
dem Spiel. Darum kämpfte er mit aller Kraft für die Oberhoheit der Gnade
gegenüber Pelagius' Verherrlichung der letztlichen Selbstbestimmung des
Menschen."
Piper geht auf die Fehler dieser drei grossen Lehrer der Gnade ein. Sie seien
damit und mit ihrer Lehre Zeuge der überwältigten Gnade Gottes.
"Es ist ein Buch über drei berühmte und fehlerhafte Väter der christlichen
Gemeinde. Darum ist es ein Buch über die Gnade, nicht nur, weil die Treue
Gottes über die Fehlerhaftigkeit der Menschen triumphierte, sondern auch, weil
dies das eigentliche Thema ihres Lebens und Werkes war..... Sie hatten die
Wirklichkeit der allmächtigen Gnade Gottes erfahren und bauten ihr Leben und ihren
Dienst darauf auf. Insofern blieb ihre gemeinsame Leidenschaft für die
Souveränität Gottes unbefleckt von menschlicher Rivalität. Jeder von ihnen
bekannte öffentlich, dass das Wesentliche an erlebtem Christentum der herrliche
Triumph der Gnade über das sündige Unvermögen des Menschen ist." (S. 21).
Augustinus konnte, indem er eine grössere Freude in Gott fand und indem er in
allen Freuden und Liebe dieser Welt ein Geschenk Gottes sah, sich Gott freudig
unterstellen. Solange er diese Freude nicht gefunden hatte, weigerte er sich
Christ zu werden. Seine sexuellen Praktiken und sein philosophischer Stolz
hinderten ihn, sich vor Gott zu demütigen. Ein ganz gewaltiger Gedanke. Den
auch Calvin aufnimmt, wenn er schreibt: "Und es wird sich niemand Gott aus
freien Stücken und willig in Gehorsam unterwerfen, der nicht seine väterliche
Liebe geschmeckt hat und dadurch gereizt wurde, ihn zu lieben und ihm zu
dienen." (Institutio I,5,3) Augustinus geht dann soweit, dass er sich
sogar über die von Gott geschenkte Genialität der Irrlehrer und sich irrenden
Philosophen freuen kann! Was für ein Gedanke. "Wer könnte der
intellektuellen Brillanz genügend Gerechtigkeit widerfahren lassen, die
Philosophen und Häretiker offenbaren, wenn sie ihre Irrtümer und falschen
Meinungen vertreten?" (Seite 93) Was für eine positive Haltung Gott
gegenüber! (Dies bedeutet natürlich nicht, dass er ihre Logik zugestimmt hätte.
Im Gegenteil, Augustinus kämpfte dagegen. Aber die daraus resultierende
Wertschätzung gegenüber Gottes Allmacht, muss uns gleichzeitig auch zu einer
Wertschätzung unseres Nächsten führen, selbst wenn er seine von Gott geschenkte
Genialität nicht sinngemäss anwendet. Bei Luther kam in dieser Situation sehr
stark die Wut zum Vorschein. Manchmal ging er dabei zu weit und versündigte
sich. Manchmal war es aber auch angebrachte. Vielleicht war es oft auch beides.
Heute herrscht ja, vermutlich durch östliche Religiosität der Gedanke, dass Wut
generell schlecht sei. Die Bibel selber hat da ein viel pragmatischeren Ansatz,
wenn sie lehrt: "Zürnt und sündigt (dabei) nicht! Die Sonne gehe nicht
unter über euren Zorn!" Epheserbrief 4,26) Sich über Ungerechtigkeit
aufzuregen, ist nicht falsch. Gott selber tut das. Unser Problem ist, dass wir
gerne unseren Zorn für den gleichen heiligen Zorn Gottes halten, wenn sich Gott
über Ungerechtigkeit aufregt. Dabei vermischen sich in unserem Zorn häufig sehr
egoistische Motive, diese kennt Gott nicht, und darum ist sein Zorn heilig,
während unser Zorn häufig von Selbstgerechtigkeit genährt ist. Dann wird unsere
Wut gewissermassen ein Verstärker unserer selbstverliebten Gerechtigkeit.
Luther überschritt, leider, hin und wieder diese Grenze gegenüber
Papstanhängern, Täufer und Juden. Neben all diesen Fehlern, darf man Luther
aber nicht generell als menschliches Wesen die Würde abschreiben. Gott hat sehr
viel durch ihn gewirkt. Luther ist, wie auch Cavlin und Augustin, mit ihrer Lehre
UND ihrem unvollkommenen Leben ein Beispiel, wie Gott über unsere menschliche
Unvollkommenheit triumphiert. Und Gott hat verheissen, einmal, wenn Jesus zum
zweiten Mal kommen wird oder wenn wir sterben und so vor Jesus treten, dann
wird er, wenn wir Jesus und seiner triumphierenden Gnade (und nicht unseren
Möglichkeiten und unserer Leistung) vertrauen, dann wird er uns verherrlichen
und das ganz unvollkommene wird abgetan sein: Danke Herr!
Was aber auch bleibt: Wir Christen sind in dieser Zwischenzeit im wahrsten
Sinne des Wortes nicht besser als die Nicht-Christen. Wenn Luther davon spricht
das wir gleichzeitig gerecht und Sünder sind und dass Gott eigentlich mit uns
heuchelt, wenn er uns als Gerechte behandelt, dann sind das seine Worte, die
das eindeutig erklären.
Danke Herr bist Du so voller Gnade. Lass mich - letztendlich - nie auf Menschen
bauen, sondern auf Gott. Ich muss gegenüber Menschen immer wieder
Vorschuss-Vertrauen bringen (sonst können sie sich nicht gesund entwickeln und
ich würde zu einem "über-"kontrollierenden Menschen, der ihn Gefahr
stünde, Machtmissbrauch auszuüben.), aber letztendlich gehört Dir meinem Gott
mein Vertrauen. Vergib, wenn ich dass immer wieder verletze und von noch nicht
verherrlichten Menschen mehr erwarte, als sie leisten können. Du allein bist
gut! Du allein bist heilig und vollkommen! Du allein bist Gott in Ewigkeit.
Danke, dass Du mit uns unvollkommenen, egoistischen, zur Selbstgerechtigkeit
neigenden Menschen, Gemeinschaft haben willst. Danke, darf ich Dir hier und
jetzt schon alles überlassen, damit Du mein unvollkommenes, irgendwo von Sünde
beflecktes Wirken, heiligst und verherrlichst. (Römer 8,24 - 27)
Danke wirst Du uns einst verherrlichen. Dann, wenn das erst geistlich
angebrochene voll hervortreten wird und wir sehen werden, dass all das Schöne
hier im Vergleich zu dieser Herrlichkeit nur wie Schatten waren. Ich will Dir für
alles Gute, dass ich hier erfahre, danken. Sie zeugen von Deiner Liebe zu mir!:
"Gib mir Gnade (o Herr) , nach Deinen Befehlen zu handeln, und befiehl mir
zu tun, was Du willst! ... O Heiliger Gott ..., wenn man deinen Geboten
gehorcht, dann deshalb, weil wir von dir die Kraft empfingen, ihnen zu
gehorchen." (Augustinus aus "Bekenntisse") Oder kurz gesagt:
"Befiel, was du willst; aber gib, was du befiehlst!"
Danke Herr.