Zu diesen Themen findet man im Ideaspektrum 4.2018 zwei interessante Themen von Herrn Manuel Schmid, ICF-Pastor (Gott hat keinen Plan für dein Leben!) und dem reformierten Theologieprofessor Rolf Wischnath (Das barmherzige Gericht Gottes).
Dies hat mich sehr bewegt. Nach einigen Tagen stellte ich folgende Gedanken zusammen:
Interessant, was Herr Manuel Schmid, ICF-Pastor
schreibt. Es erinnert mich an John Lock (1632-1704), der aus einem
puritanischen Familie stammte und traditionelle reformierte Theologie
säkularisierte. Damit förderte Lock eine wichtige Grundlage für Ordnung und
Freiheit aus der Bibel. Aber die Säkularisierung bedeutet immer auch ein Verlust
von der gesamten Vielfalt der Bibel. Seine Philosophie verlor durch die
Säkularisierung eine gewisse biblische innere Folgerichtigkeit.
Prinzipiell scheint mir eine Theologie oder eine
Philosophie, die eine Brille darstellt, wie man die Bibel liest, problematisch.
Diese Kritik möchte ich auch an den reformierten Theologen Rolf Wischnaht
anbringen. Auch ich hätte gerne, dass schlussendlich alle Menschen in den
Himmel kommen würden. Aber es ist nicht massgebend, was ich möchte, sondern was
Gott offenbart hat. Ob dann Gott neben seinen Zusagen noch grosszügiger ist,
ist seine Sache. Wir sollten uns hüten, mehr zu lehren, als Gottes Wort uns
verspricht, sonst könnten wir schuld sein, dass jemand das ewige Heil verpasst:
Denn hier und jetzt entscheidet sich, wie wir die Ewigkeit verbringen werden:
Wir haben die Wahl: Entweder Freiheit und Gnade in Christus oder die gerechte
ewige Strafe für uns. Entweder machen wir uns hier und jetzt auf den Weg der
Gnade, Liebe und Barmherzigkeit in Christus oder aber wir verhärten und
verrohen bis in alle Ewigkeit. Wenn wir die Gnade Gottes ablehnen und
stattdessen die Werkgerechtigkeit oder die selbstsüchtige Gesetzlosigkeit
wählen, werden wir uns in uns selber verlieren und beim Jüngsten Gericht wird unser
Gewissen zu einem lodernden Feuer, das in der Ewigkeit nicht gelöscht werden
wird.
Die Bibel - Altes und Neues Testament - ist Gottes
Wort und legt sich selber aus. Wie jedes Buch hat es auch die Bibel verdient,
dass man dieses Buch der Bücher so liest, wie es der Schriftsteller gemeint hat:
"Ein Text sagt das, was der Autor sagen wollte." (Prof. E. D. Hirsh,
geb. 1928). Ich weiss, das ist nicht Postmodern. Aber Postmodern ist oft
antiintellektuell und manchmal sogar
irrational. Da es sich bei der Bibel um Gottes Wort handelt, ist es noch
wichtiger, dass wir ständig dem nachgehen, wie es Gott gemeint hat. Jesus
selber bezieht sich extrem auf das Alte Testament, wenn er sagt
"gegrapta", was bedeutet: Es steht (in der Bibel) geschrieben. Und Jesus
war es, der dafür sorgte, dass die zwölf Apostel, die Augenzeugen, die Bibel
durch das Neue Testament ergänzten und endgültig für uns vollendeten. In diesem
Sinne ist das AT und NT die apostolische Sukzession und unsere Autorität, da
durch diese Bibel Gott zu uns spricht. So wie sich Jesus der Heiligen Schrift
unterordnete, weil es Gottes Wort ist, sollten wir das auch tun. „Denn die
Schrift ist die Schule des Heiligen Geistes.“ (1) Wir werden so das Maximum an
möglichem Wissen über Gottes Willen erfahren. Damit haben wir hier auf dieser
Erde das ganze Leben zu tun. Kein Theologe wird hier je zu Ende damit kommen. Dabei
werden wir auf Antinomien treffen, wie die Dreieinigkeit Gottes, Prädestination
und unsere Verantwortung, Gottes Allmacht und unsere Freiheit usw.
Es wird komplexer als die determinierte Theologie
des offenen Theismus oder eine an die menschlichen Grenzen angepasste
reformierte Theologie (was dann eigentlich keine „klassische“ reformierte
Theologie mehr ist.) es je erfassen könnte. Daher konnte Manuel Schmid auch
nicht John Piper in seiner Komplexität kritisieren. Schmid hat die
calvinistisch-baptistische Theologie von Piper - und damit eine reformierten
Theologie - nicht in seiner Komplexität verstanden, weil sein offener Theismus
Gott in unser menschliches Denken determiniert. Ich finde die angebrachte
Kritik an Piper als unfair, denn erst wer den anderen richtig verstanden hat,
kann wirklich gut und für alle gewinnbringend kritisieren. Vielleicht sollte
man zuerst das Buch Donald A. Carson „Ach Herr, wie lange noch?“ lesen. Der
Kollege von John Piper stosst tröstend unser Denken in Richtung Allmacht Gottes
auf. Piper selber hat einfache und gute Bücher geschrieben: Zum Beispiel:
Überwältigt von Gnade, Aurelius Augustinus, Martin Luther, Johannes Calvin oder
Standhaft im Leiden John Bunyan, William Cowper, David Brainerd oder Beharrlich
in Geduld, John Newton, Charles Simeon, William Wilberforce.
Denn es ist sehr tröstlich, dass Gott allmächtig
ist und auch die schlimmsten Umstände in Händen hält. Gott mag heute das Böse
„nur“ beschränken – bis er dann am Jüngsten Gericht alle Dinge wieder
herstellt. Für seine Leute soll aber alles in diese Zwischenzeit zum Segen
dienen, sogar Unverständliches, das Angesicht der Allmacht Gottes doch einen
verborgenen Sinn hat. Letztendlich ist auch die biblische Prädestinationslehre
ein Mittel von Gott, um uns in dieser Zwischenzeit zu trösten, weil es uns
ermutigt, uns nicht auf uns oder andere Menschen, sondern alleine auf Jesus
Christus zu verlassen. Die biblische Prädestinationslehre führt uns – wie das
gerechte Gesetz Gottes – direkt in die Arme von Jesus Christus, weil wir dann
alles von ihm und nicht von uns erwarten. Denn wir können es nicht, obwohl wir
voller Güte und Liebe sein sollten.
Zugegeben: Der lebendige Gott ist für unseren
Verstand nicht ganz fassbar, vielmehr fasst er uns ganz. Aber so muss es auch
sein, wenn wir dem lebendigen Gott und nicht einem selbstgebastelten Götzen
nacheifern wollen. Ole Hallesby, ein nun verstorbener norwegischer lutherischer
Theologe, beschreibt genau diese Erfahrung, als er als liberaler Theologe
bemerkte, dass es Gott wirklich gibt: Sein selbstgemachter Götze war absolut
verständlich. Nach seiner Bekehrung verstand er Gott nicht mehr in allen
Punkten, dafür konnte er ihn nun wirklich anbeten.
Ich wünsche mir
Theologen, die anstelle Eisegese gute Exegese ausarbeiten und so Gottes Volk
inspirieren. Solche Theologen können und müssen nicht alles Wissen, weil sie
selber ständig am Lernen sind und weil Gott nicht alles offenbart hat. Johannes Calvin sprach daher von einer „wohlgelehrten
Unwissenheit“ (Institutio III,21,2).
Könnte es sein, dass
die heutige Theologie in einem ähnlichen Zustand ist, wie am Vorabend der
Reformation?
André Gujer,
2.2.2018
Anhang
(1) Johannes Calvin,
Insitutio III, 21,3
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