Freitag, 7. August 2020

 Im engeren Sinn ist dieser Beitrag nicht "theologisch". Allerdings finde ich den Youtube-Beitrag sehr differenziert und eine logische Folge der Reformationszeit: Bibel = Gottes Wort erforschen + Naturwissenschaft = Gottes Schöpfung erforschen. In der Zwischenzeit (500 Jahren) haben wir das vielleicht etwas vergessen. Und natürlich gab es auch andere Bewegungen, die Wissenschaft betrieben.Aber nur eine Wissenschaft, die sich auf eine Grundlage wie jene der Reformation stützte, konnte, trotz aller Fehler, einen solche Entwicklung zu sehr viel Wissen, Wohlstand und Bildung, Gerechtigkeit  für immer mehr Menschen, usw. entwickeln. (Bei allen aktuellen Problemen: Es gab wohl noch nie soviel Wohlstand) Ich vermute, dass alles ist heute u.a. gefährdet, weil wir diese Grundlage vergessen haben. Desto mehr freut es mich, wie intelligent und differenziert Frau Mai Thi Nguyen-Kim dies angeht:

Gerade das Differenzieren kommt heute viel zu kurz. Daher ist es eine Wohltat, diesen Beitrag zu hören. 

Übrigens glaube ich als Christ an Dogmen. Dies ist eine Hoffnung auf Dinge, die ich noch nicht sehe. Und so, wie ich in der Naturwissenschaft weiss, dass es absolute Wahrheiten gibt, diese aber schwer erkennbar sind und ich mich irren kann, weil ich nicht alles erfasse, so gilt dies auch für mein Wissen über Gott und den geistlichen Bereich. Wobei ich natürlich kein rein materialistisches Weltbild vertrete. Unsere heutige westliche Welt ist sehr materialistisch. Daher versuchen wir auch, alles aus der Materie zu erklären. Bereits vor längerer Zeit hat Platon den Materialismus entlarvt. Die Atomisten seiner Zeit griffen damals schon zu kurz. Dafür muss man nicht Christ sein, um das erkennen zu können. Davon zeugt schon Platon.

Allerdings glaube ich auch nicht an den anderen Monismus: Es sei nur das geistliche Wirklichkeit, wie in der östlichen Mystik oder vermutlich auch in "unserer" Gnosis.

Auch die klassisch humanistische Sichtweise dünkt mich nicht ganz treffend, die ja auch an die Gnosis erinnert: Der Geist sei im Körper gefangen und der Tod sei die Befreiung des Geistes vom Körper. Oder nur schon der Gedanke, dass geistliche sei wertvoller als  das körperliche.

Da gefällt mir die biblische Sichtweise viel besser:

Der Mensch ist Körper und Geist. Es gehört zusammen. Leider unterliegen wir durch den Sündenfall einer gewissen Verbogenheit und pervertieren daher alles von Gott gut geschaffene und machen so unsere eigene Hölle. Aber unsere Gottähnlichkeit ist dennoch immer noch sehr beachtlich. (Auch dieses intelligente Video / Youtube-Beitrag zeugt davon.) Gott selber misst uns Menschen unveräusserliche Rechte zu. Eine Würde, die mehr ist, als sich ein Materialist erklären kann und trotzdem absolut wahr ist. Es ist wichtig, dass wir das wissen, damit wir miteinander würdevoll, d.h. in unserer von Gott gegebenen Würde leben.

Glaubens- und Meinungsfreiheit beruhen auf dem Wissen, dass wir nach absoluter Wahrheit suchen dürfen. Natürlich bringen wir es fertig, dass wir auch das pervertieren können. Daher gab es schon immer Versuche der Zensur. Aber schon John Milton machte darauf aufmerksam, dass dann die Gefahr besteht, dass man auch die Wahrheit zensurieren könnte. Dieser Puritaner hat viel für echte Pressefreiheit getan. Dies stellt einer jener Gedanken, den ich als Grundlagen aus der Reformationszeit sehe, die unsere Freiheit und Ordnung sowie Wohlstand - trotz unserer Prägung zum Unrecht - ermöglichte. 

Es gibt auch andere Prägungen: Letzthin sprachen wir mit einem Verkäufer in der Migros, der aus der ehemaligen DDR stammte. Er war der Überzeugung, dass der absolute Staat DDR mit seiner gelenkten und diktatorischen Form besser sei als die unsere. Denn in der DDR herrschte Ordnung. Wenn sie am Abend Tischtennis spielten, wurde  das von einem Polizisten überprüft. Denn man wollte nicht, dass Junge herumhängen. Es war eindrücklich und interessant. Er sah nicht, dass es ein wesentlicher Unterschied ist, wenn ihn ein Arbeitgeber entlässt und wenn der Staat ihn "entlässt". Bei einer Firma hat man immer noch die Freiheit etwas anderes zu suchen oder selber etwas anzufangen. Natürlich könnte es sein, dass man unter der Brücke schlafen muss. Aber ein absoluter Staat lässt nicht mal das mehr zu! Dieser Mann aus der DDR wählt die Unfreiheit, um mehr Sicherheit zu haben. Zugleich sieht er die Eigenverantwortung der Menschen nicht mehr und die Freude, etwas selber aufzubauen. Er kann sich nicht mal vorstellen, dass wenn der Staat nicht alles macht, es ja immer noch andere Menschen gibt, die in Freiheit, Gutes tun könnten. Und das wiederum ist nur möglich, wenn die Freiheit dazu da ist. Ja überhaupt: Wie soll jemand verantwortungsvoll Leben lernen, wenn er nicht dazu die Freiheit bekommt? Dressur und Erziehung sowie Bildung sind nicht das selbe!!!!

Letztendlich sind die Gedanken des ehemaligen DDR-Bürgers nichts Neues. Schon Aristoteles träumte davon, dass der Ideale Staat für uns alle das höchste Ideal sein soll. Leider floss dies auch in die römisch-katholische Sichtweise ein. Beim ursprünglichen Protestantismus sprach man beim Staat lieber vom Notrecht: Es braucht den Staat, Gesetze und einen gewissen Zwang, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Aber das alles ist nicht absolut gut. Es verhindert Schlimmeres und ermöglicht unser Zusammenleben und das Gedeihen der Gesellschaft. Der Staat kann aber nie ein Idealzustand sein. Dies kommt ja auch in der Zwei-Reiche-Lehre zum Ausdruck: Der Staat darf - bis zu einer gewissen Grenze - Gewalt anwenden. Überschreitet er aber diese Grenzen, so ist es ein Machtmissbrauch des Staates. Die zweite Gewalt die Kirche, darf keine Gewalt anwenden. Freiwilligkeit gilt hier. Denn das wirklich wichtige, kann man nicht erzwingen, sondern muss vom Geist gewirkt werden. Leider hat die westliche Kirche gegen Ende des Mittelalters selber Machtmissbrauch begannen, weil sie ihre von Gott gegebenen Grenzen überschritten hat. Sie setzte sich selber immer absoluter und vergass den Sinn der Lehre zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche  zu unterscheiden (siehe Augustin). Zudem erhielt die Kirche auch weltliche Macht, die ihr nie zustand. Darum brauchte es die Reformation. Zwingli spricht sogar von menschlicher Gerechtigkeit, die im Angesicht der göttliche Gerechtigkeit nicht einmal das Wort Gerechtigkeit verdient. Nichts desto trotz, soll man sich nach der göttlichen Gerechtigkeit ausrichten. (Biblisch: Gottes Gerechtigkeit = Gottes Treue und Barmherzigkeit. Im Gegensatz zu Gottes Zorn, der das Leben beschützen will und dann doch auch eine Form der Liebe Gottes ist.) Aber der Staat kann in diesem Sinne nie gerecht oder gar liebevoll sein. Damit würden wir den Staat überfordern. In der Geschichte sehen wir, wohin es führt, wenn sich religiöse Kreise, Kirchen und ganze Staaten beginnen absolut zu verstehen: Es gibt ein Terror-Regime. Die nicht zusammen haltenden Ideen müssen mit äusserster Gewalt zusammen gehalten werden. Aber echte Reife entsteht von Innen und freiwillig!

Heute befindet sich der Protestantismus in einem Selbstauflösungsprozess. Die Säkularisierung machte aus der reformierte Theologie den Liberalismus. Marx wollte dies mit einem säkularisierten Postmillianismus weiterentwickeln. Aber das Paradies (Arbeiterparadies) bekommen wir so nicht zurück, sondern so verlieren wir uns nur in uns selber. Wir brauchen mehr, wie  schon vor 500 Jahren Zwingli bemerkte. Und es wäre gut unsere Kirchen würden diese wichtigen Grundlagen wieder deutlicher verkünden, damit wir die wahre Freiheit erhalten und nicht verlieren. Hier liegt übrigens auch der Grund, warum ich für eine liberale Gesellschaft bin, aber eine liberale, d.h. säkularisierte Kirche, als grösste Gefahr für den Liberalismus betrachte. Nur mit dem Salz der Erde, dass etwas beissen kann, werden wir glücklicher, freier, weiser, lebendiger, kreativer, wissenschaftlicher und gelassener. Interessant ist, dass man dies in der Geschichte erkennen kann.

Daneben hoffe ich natürlich auf eine Erweckung der Christen: D.h., dass wir in Christus frei werden vom Leistungsdenken. Die Gnade (= Geschenk) Gottes an uns wirken lassen, anstelle mit unseren menschlichen Möglichkeiten uns abstrampeln. Denn wer im Leistungsdenken verhaftet ist, wird sogar die Begriffe Liebe, Hoffnung und Glaube als Leistung verstehen. Aber es geht hier nicht um Qualitätsbegriffe, sondern um Beziehungsbegriffe. Glaube ist nicht Vorstellungskraft. Glaube ist keine Methode, um etwas zu erreichen. Es ist keine Zauberei oder gar Manipulation! Glaube, wie es die Bibel meint, ist auf die Versprechen von Gott zu bauen. Glaube ist zu Jesus gehen und von ihm alles erwarten. Glauben ist sich von Christus beschenken lassen. Glaube ist zu erkennen, dass selbst der Begriff Gottes Gerechtigkeit ein Beziehungsbegriff ist: Gott ist treu. Gott ist barmherzig. Er ist immer der gleiche und was er verspricht, das hält er. Gottes Zorn ist schrecklich. Aber Gott hasst den Tod und das Böse. Darum muss er uns aufschrecken aus unserer Schlaf der Selbstgerechtigkeit. Je nach Mensch macht dies Gott anders. Der Heilige Geist wird als Taube dargestellt, da Gott sehr sanft wirken kann. Letztendlich liegt unser Glück, unsere Freiheit und unsere gute Ewigkeit in Christus, der uns so geliebt hat, dass er unseren Fluch und unsere Strafe bis ans Kreuz, Tod und Gottesferne getragen hat. Gott ohne Gott, war für Jesus sicherlich schlimmer als für uns. Daher ist für uns alles gratis, d.h. alles Gnade, weil Gott selber einen sehr hohen Preis für uns bezahlt hat. Es wäre nicht nett,  dies wieder mit Leistung abverdienen zu wollen. Dies Haltung zeigt, dass wir nicht verstanden haben, wie schlimm es um uns steht und wie viel Gott für uns tut. In Christus geborgen und geboren, werden wir viel mehr Leisten und trotzdem keine Werkgerechtigkeit tun. Aber das ist nun noch ein anderes Thema, mit dem ich mich immer wieder intensiv auseinandersetze, weil es so schwer und doch so einfach ist. Aber vielleicht soviel: Wenn wir es zur Ehre Gottes tun und nicht für uns selber, ist es ein gutes Zeichen, für unsere Freiheit in Christus. Wenn wir Gutes tun, weil es gut ist und nicht, weil wir damit etwas verdienen wollen. Aber zu dieser Freiheit kommen wir erst, wenn wir uns sicher und geboren in Christus fühlen. Dabei leben wir hier in einer Zwischenzeit bis Jesus wieder kommt. D.h. alles ist unvollkommen, was wir tun. Aber da wir es Christus anvertrauen, macht er aus dem Mist guten Dünger. Daher konnte Luther sagen, dass es ein freudiges Ding ist, Busse zu tun. 

Aber das zu erklären ist schwer. Für jemand der "Leistungsdenker" ist, ist es noch schwerer, weil er glaubt mit Leistung sich wertvoll machen zu müssen. Diese Motivation selber ist eine Folge des Sündenfalls. Natürlich sollen wir Gutes tun. Aber das Problem ist nicht gelöst, wenn wir anstelle Böses zu tun, nur noch Gutes tun, weil wir wirklich Gutes im Sinne Gottes, eben nicht tun können. Darum ist das Gesetz Gottes auch ein Zuchtmeister zu Christus. Denn Christus gibt es uns umsonst, was wir nie leisten können. 

Ole Hallesby schrieb dazu:

"Besonders in unseren Tagen scheint es, als habe man vergessen, dass es keinen anderen Weg gibt, persönlich überzeugt zu werden, als diesen Weg des Sünders durch die vollständige Verzweiflung über sich selbst." (Seite 28 aus Ole Hallesby Wie ich Christ wurde.)

Aber das Ende ist das natürlich nicht: Es ist der Anfang! Um bis in alle Ewigkeit überreich beschenkt zu werden. Um aber beschenkt werden zu können, muss man das Geschenk auch annehmen können.








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