Samstag, 6. November 2021

Mut zur Treue gegenüber Bibel und Bekenntnis Wie wichtig ist die Tradtition der Kirche?

 Unter diesem Thema wurde im Idea 42.2021 ein Interview mit Herrn Willi Honegger veröffentlicht. Sehr interessant zu lesen. Dieses Schweizer Netzwerk erinnert mit seinem Namen an das gleichlautende  Netzwerk in Deutschland.

Hierzu habe ich eben zwei Leserbriefe an Idea gesandt, die ich hier ebenfalls veröffentlichen möchte. Ich gehe dabei nur auf das Thema Tradtition ein.

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Leserbrief zu

Mut zur Treue gegenüber Bibel und Bekenntnis

(Idea 42.2021, Seite 8 ff: Interview mit Herrn Willi Honegger)

 

„Man kann die Bibel nur lesen, indem man sie auch im Zusammenhang der gesamten christlichen Tradition liest, wie die Bibel über alle Generationen hinweg verstanden worden ist.“

 

Man kann die Bibel auch ohne dieses Know-How mit Gewinn lesen. Allerdings fehlt mir dann eine wichtige Hilfe. Jedes gute Buch bringt mich an die Grenze meines Fassungsvermögens. Wieviel mehr gilt dies für Gottes Wort, die mir zur Schule des Heiligen Geistes werden soll! Es wäre unvernünftig und überheblich das Wissen der Alten prinzipiell abzulehnen, denn sie sind ein wichtiger Teil der Kirche. Wir sind nicht die ersten, die die Bibel lesen! Aber man darf sie als solche nicht über Gottes Wort stellen. Auch hier gilt es die Reihenfolge zu beachten: 1. Gottes Wort; 2. Kirchenväter; 3. heutige Leser, wozu wir und die Reformatoren usw. gehören. Es gehört gerade zur Tradition, dass sich die Kirchenväter und die Tradition, anhand der Bibel überprüft lassen will. Wir alle gewinnen nur, wenn wir unter Gebet täglich die Bibel lesen und uns dadurch erneuern lassen (= reformiert sind).

Heinrich Bullinger stellt sein Zweites Helvetische Glaubensbekenntnis ganz bewusst unter diese Tradition, wenn er schreibt: „… die uns aus dem Worte Gottes eines Besseren belehren, nicht ohne Danksagung nachzugeben und Folge zu leisten im Herrn, dem Lob und Ehre gebührt. Gegeben am 1. März 1566.“

Und nicht zuletzt hilft uns eine gesunde Lehre und Tradition besser zu leben und schneller in der Bibel voranzukommen. Zudem schaffen die alten Glaubensbekenntnisse eine offene und ehrliche Auseinandersetzung über unseren Glauben. Und noch mehr: Wie eine Verfassung oder Gottes Gesetz schaffen sie Freiheit mit gesunden Grenzen und Rechten und bewahren uns von manchen Irrungen: Gesunde Ordnungen und nicht die Willkür von Menschen![1]

 



[1] Gesunde Ordnungen: Bitte nicht idealisiert verstehen! Auch «Lex Rex» = Das Gesetz herrscht wurde ursprünglich nicht in einem perfektionistischen Sinne verstanden: Es besagt einfach, dass nicht irgendwelche Könige oder menschliche Ideen herrschen, sondern Gott soll herrschen, der uns mit seinen Ordnungen Freiheit schafft (Gerade in der reformierten Theologie sind menschliche Gesetze nur ein Provisorium bis Jesus wiederkommt. Und wie wir an anhand Bullinger sehen, ist selbst ein Glaubensbekenntnis nicht idealistisch verstanden worden! Denn wir können uns irren! Was ja eine der Thesen von Luther war: Papst und Konzile: Können sich diese irren? Darum gab dies auch einen Schub in der Wissenschaft, da man in der Erkenntnistheorie mit These und Überprüfung oder Versuch und Fehler zu neuen Erkenntnissen fand, was wir natürlich heute immer weniger wollen. Unser sündhaftes «wir wollen Gott sein» nimmt immer mehr Raum ein. Wir machen unser Wissen zu einem Götzen. Ja sogar die Wissenschaft steht in der Gefahr ideologisch überhöht zu werden und damit längerfristig nicht mehr lernfähig zu werden. Interessant ist, dass mancher der behauptet nur an die Bibel zu glauben, gar nicht merkt, wie er sein eigenes Bibelverständnis verabsolutiert und idealistisch überhöht. Er ist also mehr Papst, als der Papst, den er kritisiert.). Darauf beruht unsere Rechtsstaatlichkeit und war der Titel eines Buches eines reformierten schottischen Pastors, dass in säkularisierter Form (zum Beispiel über John Lock), zum Liberalismus führte. Was für eine Tragik, wenn die Kirche sich heute selber säkularisiert und damit nicht mehr Salz für Ordnung UND Freiheit in der Gesellschaft ist.

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Leserbrief zu

Mut zur Treue gegenüber Bibel und Bekenntnis

(Idea 42.2021, Seite 8 ff: Interview mit Herrn Willi Honegger)

 

„Man kann die Bibel nur lesen, indem man sie auch im Zusammenhang der gesamten christlichen Tradition liest, wie die Bibel über alle Generationen hinweg verstanden worden ist.“

 

 Das „nur“ finde ich problematisch. Man kann sehr wohl, die Bibel ohne dieses „Know How“ der alten Kirche lesen und Gott kann das Wunder schaffen, dass wir etwas vernünftiges dabei lernen. ABER wir Menschen können uns irren. Und mir ist schon aufgefallen, dass manchmal mit den Worten „ich glaube nur, was die Bibel lehrt“, eigentlich gemeint ist: „Ich bin mir mein eigener kleiner Papst. Was ich verstanden habe, dass ist absolut wahr.“ Und das kann es ja auch nicht sein.

Zugleich haben sich Kirche und Konzile als Mutter des Glaubens auch schon geirrt.[1]

Wie geht man damit um?

Martin Luther glaubte, in der Bibel besonders betonen zu müssen, „was Christus treibet“. Aber auch das ist problematisch, wenn man damit andere Bibelstellen, die man (noch) nicht versteht, zurücksetzt. Denn jedes gute Buch bringt uns an die Grenze unseres Fassungsvermögens: Wieviel mehr das Wort Gottes.

Johannes Calvin war der Meinung, dass die gesamte Schrift/Bibel Gottes Wort ist und die Kirche hat nicht das Recht, sich über sie zu erheben. Aber es gibt eine wohlgelehrte Unwissenheit (docta ignorantia)[2]. Wir können und müssen nicht alles Wissen. Und gerade diese Spannung gilt es auch zu respektieren und führt uns zu einer tieferen Anbetung Gottes. Und in dieser Haltung wird dann auch das „Know-How“ oder die Tradition der allgemeinen christlichen Kirche und deren Bekenntnisse sehr wertvoll. Wir sind ja nicht die ersten, die die Bibel lesen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden.

Interessant wie Calvin seine Institutio[3] versteht:

„…, die Kandidaten der heiligen Theologie so zum Lesen des göttlichen Wortes vorzubereiten und anzuleiten dass sie einen leichten Zugang zu ihm haben und sich in ihm mit ungehindertem Schritt vorwärtsbewegen können.“ Es geht ihm also darum, dass man schneller vorankommt. Die Bibel hat ein Selbstzeugnis und legt sich selber aus. Es ist einfacher, wenn man gewisse Zusammenhänge schon im Voraus erklärt bekommt. Zudem gibt es historische Eigenheiten, die das Verständnis fördert. Hilfreich finde ich auch folgende Prioritätenliste: Zuerst Gottes Wort, dann die Kirchenväter/Tradition und dann wir, wozu sich auch Calvin zählte. Wobei natürlich auch die Kirchenväter an Gottes Wort geprüft werden wollen, was Calvin ebenfalls betonte. Oder wie es Heinrich Bullinger im zweiten Helvetischen Glaubensbekenntnis schreibt: „… die uns aus dem Worte Gottes eines Besseren belehren, nicht ohne Danksagung nachzugeben und Folge zu leisten im Herrn, dem Lob und Ehre gebührt. Gegeben am 1. März 1566.“

Und nicht zuletzt schaffen die alten Glaubensbekenntnisse auch Freiheit und bewahren uns von manchen Irrungen.



[1] Nur schon die Anfrage in den Thesen von Martin Luther führte zur Verurteilung von Martin Luther zum Erzketzer, was heute einige Römisch-Katholische als Fehler betrachten.

[2] Institutio III,21.2

[3] Instituio Christianae Religionis, Unterricht in der christlichen Religion


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