Unter diesem Thema wurde im Idea 42.2021 ein Interview mit Herrn Willi Honegger veröffentlicht. Sehr interessant zu lesen. Dieses Schweizer Netzwerk erinnert mit seinem Namen an das gleichlautende Netzwerk in Deutschland.
Hierzu habe ich eben zwei Leserbriefe an Idea gesandt, die ich hier ebenfalls veröffentlichen möchte. Ich gehe dabei nur auf das Thema Tradtition ein.
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Leserbrief zu
Mut zur Treue
gegenüber Bibel und Bekenntnis
(Idea 42.2021,
Seite 8 ff: Interview mit Herrn Willi Honegger)
„Man kann die
Bibel nur lesen, indem man sie auch im Zusammenhang der gesamten
christlichen Tradition liest, wie die Bibel über alle Generationen hinweg
verstanden worden ist.“
Man kann die
Bibel auch ohne dieses Know-How mit Gewinn lesen. Allerdings fehlt mir dann
eine wichtige Hilfe. Jedes gute Buch bringt mich an die Grenze meines
Fassungsvermögens. Wieviel mehr gilt dies für Gottes Wort, die mir zur Schule
des Heiligen Geistes werden soll! Es wäre unvernünftig und überheblich das
Wissen der Alten prinzipiell abzulehnen, denn sie sind ein wichtiger Teil der
Kirche. Wir sind nicht die ersten, die die Bibel lesen! Aber man darf sie als
solche nicht über Gottes Wort stellen. Auch hier gilt es die Reihenfolge zu
beachten: 1. Gottes Wort; 2. Kirchenväter; 3. heutige Leser, wozu wir und die
Reformatoren usw. gehören. Es gehört gerade zur Tradition, dass sich die Kirchenväter
und die Tradition, anhand der Bibel überprüft lassen will. Wir alle gewinnen
nur, wenn wir unter Gebet täglich die Bibel lesen und uns dadurch erneuern
lassen (= reformiert sind).
Heinrich
Bullinger stellt sein Zweites Helvetische Glaubensbekenntnis ganz bewusst unter
diese Tradition, wenn er schreibt: „… die uns aus dem Worte Gottes eines
Besseren belehren, nicht ohne Danksagung nachzugeben und Folge zu leisten im
Herrn, dem Lob und Ehre gebührt. Gegeben am 1. März 1566.“
Und nicht zuletzt
hilft uns eine gesunde Lehre und Tradition besser zu leben und schneller in der
Bibel voranzukommen. Zudem schaffen die alten Glaubensbekenntnisse eine offene
und ehrliche Auseinandersetzung über unseren Glauben. Und noch mehr: Wie eine
Verfassung oder Gottes Gesetz schaffen sie Freiheit mit gesunden Grenzen und
Rechten und bewahren uns von manchen Irrungen: Gesunde Ordnungen und nicht die
Willkür von Menschen![1]
[1] Gesunde
Ordnungen: Bitte nicht idealisiert verstehen! Auch «Lex Rex» = Das Gesetz
herrscht wurde ursprünglich nicht in einem perfektionistischen Sinne
verstanden: Es besagt einfach, dass nicht irgendwelche Könige oder menschliche
Ideen herrschen, sondern Gott soll herrschen, der uns mit seinen Ordnungen Freiheit
schafft (Gerade in der reformierten Theologie
sind menschliche Gesetze nur ein Provisorium bis Jesus wiederkommt. Und wie wir
an anhand Bullinger sehen, ist selbst ein Glaubensbekenntnis nicht idealistisch
verstanden worden! Denn wir können uns irren! Was ja eine der Thesen von Luther
war: Papst und Konzile: Können sich diese irren? Darum gab dies auch einen
Schub in der Wissenschaft, da man in der Erkenntnistheorie mit These und Überprüfung
oder Versuch und Fehler zu neuen Erkenntnissen fand, was wir natürlich heute
immer weniger wollen. Unser sündhaftes «wir wollen Gott sein» nimmt immer mehr
Raum ein. Wir machen unser Wissen zu einem Götzen. Ja sogar die Wissenschaft
steht in der Gefahr ideologisch überhöht zu werden und damit längerfristig
nicht mehr lernfähig zu werden. Interessant ist, dass mancher der behauptet nur
an die Bibel zu glauben, gar nicht merkt, wie er sein eigenes Bibelverständnis
verabsolutiert und idealistisch überhöht. Er ist also mehr Papst, als der
Papst, den er kritisiert.). Darauf beruht unsere Rechtsstaatlichkeit und
war der Titel eines Buches eines reformierten schottischen Pastors, dass in
säkularisierter Form (zum Beispiel über John Lock), zum Liberalismus führte.
Was für eine Tragik, wenn die Kirche sich heute selber säkularisiert und damit
nicht mehr Salz für Ordnung UND Freiheit in der Gesellschaft ist.
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Leserbrief zu
Mut zur Treue
gegenüber Bibel und Bekenntnis
(Idea 42.2021,
Seite 8 ff: Interview mit Herrn Willi Honegger)
„Man kann die
Bibel nur lesen, indem man sie auch im Zusammenhang der gesamten
christlichen Tradition liest, wie die Bibel über alle Generationen hinweg
verstanden worden ist.“
Das „nur“ finde ich problematisch. Man kann
sehr wohl, die Bibel ohne dieses „Know How“ der alten Kirche lesen und Gott
kann das Wunder schaffen, dass wir etwas vernünftiges dabei lernen. ABER wir
Menschen können uns irren. Und mir ist schon aufgefallen, dass manchmal mit den
Worten „ich glaube nur, was die Bibel lehrt“, eigentlich gemeint ist: „Ich bin mir
mein eigener kleiner Papst. Was ich verstanden habe, dass ist absolut wahr.“
Und das kann es ja auch nicht sein.
Zugleich haben
sich Kirche und Konzile als Mutter des Glaubens auch schon geirrt.[1]
Wie geht man
damit um?
Martin Luther
glaubte, in der Bibel besonders betonen zu müssen, „was Christus treibet“. Aber
auch das ist problematisch, wenn man damit andere Bibelstellen, die man (noch)
nicht versteht, zurücksetzt. Denn jedes gute Buch bringt uns an die Grenze
unseres Fassungsvermögens: Wieviel mehr das Wort Gottes.
Johannes Calvin
war der Meinung, dass die gesamte Schrift/Bibel Gottes Wort ist und die Kirche
hat nicht das Recht, sich über sie zu erheben. Aber es gibt eine wohlgelehrte
Unwissenheit (docta ignorantia)[2].
Wir können und müssen nicht alles Wissen. Und gerade diese Spannung gilt es
auch zu respektieren und führt uns zu einer tieferen Anbetung Gottes. Und in
dieser Haltung wird dann auch das „Know-How“ oder die Tradition der allgemeinen
christlichen Kirche und deren Bekenntnisse sehr wertvoll. Wir sind ja nicht die
ersten, die die Bibel lesen. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden.
Interessant wie
Calvin seine Institutio[3]
versteht:
„…, die
Kandidaten der heiligen Theologie so zum Lesen des göttlichen Wortes
vorzubereiten und anzuleiten dass sie einen leichten Zugang zu ihm haben und
sich in ihm mit ungehindertem Schritt vorwärtsbewegen können.“ Es geht ihm also
darum, dass man schneller vorankommt. Die Bibel hat ein Selbstzeugnis und legt
sich selber aus. Es ist einfacher, wenn man gewisse Zusammenhänge schon im
Voraus erklärt bekommt. Zudem gibt es historische Eigenheiten, die das
Verständnis fördert. Hilfreich finde ich auch folgende Prioritätenliste: Zuerst
Gottes Wort, dann die Kirchenväter/Tradition und dann wir, wozu sich auch
Calvin zählte. Wobei natürlich auch die Kirchenväter an Gottes Wort geprüft
werden wollen, was Calvin ebenfalls betonte. Oder wie es Heinrich Bullinger im
zweiten Helvetischen Glaubensbekenntnis schreibt: „… die uns aus dem Worte
Gottes eines Besseren belehren, nicht ohne Danksagung nachzugeben und Folge zu
leisten im Herrn, dem Lob und Ehre gebührt. Gegeben am 1. März 1566.“
Und nicht zuletzt
schaffen die alten Glaubensbekenntnisse auch Freiheit und bewahren uns von
manchen Irrungen.
[1] Nur schon die Anfrage in den Thesen von
Martin Luther führte zur Verurteilung von Martin Luther zum Erzketzer, was
heute einige Römisch-Katholische als Fehler betrachten.
[2] Institutio III,21.2
[3] Instituio Christianae Religionis,
Unterricht in der christlichen Religion
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