1. Patriotismus, Vaterlandsliebe: Gedanken zu meinem letzten Betrag zum 1.8.2013
2. Eros
3. Was man Liebe nennt. Ein Buch von C.S. Lewis
3.1 Uebersicht: Was man Liebe nennt.
Ich hoffe, man versteht meinen letzten Beitrag zum ersten August 2013 richtig. Es war die Grundlage für meine 1. August-Ansprache in unserem Garten, wo wir so 20 Personen waren. Im Vorfeld fühlte ich mich etwas überfordert. Aber ich denke, Gott hat es gesegnet und ich konnte so in ca. 20 Minuten Wesentliches sagen. Die Zuhörer waren dabei genial: sie riefen dazwischen, stellten Fragen, beleuchteten noch andere Seite usw.
Es war eine patriotische Ansprache. Bei uns ist die Vaterlandsliebe nicht besonders hoch im Kurs, vorallem auch, weil sie politisch missbraucht werden kann. Trotz der Gefahr des Missbrauchs, denke ich, dass ein gesunder Patriotismus, das staatliche Zusammenleben und die soziale Wohlfahrt fördert. Oder mit Luther könnte man sinngemäss sagen, wir können das Leben nicht verbieten, damit keine Sünde mehr geschieht. Aber:
"Das ist ein Grund, warum wir kleinen Bürger ein wachsames Auge auf den Gesundheitszustand unserer Vaterlandsliebe haben sollten." schreibt C.S. Lewis in seinem Buch: "Was man Liebe nennt." auf Seite 28.
Auf Seite 32 umschreibt er eine Perversion der Vaterlandsliebe, die zu einem Ueberlegenheitsgefühl in England geführt haben und die ein Brechreiz für die Welt auslösen können.
"Wer sein Land wirklich liebt, liebt es auch in Zerfall und Niedergang - "England, trotz deiner Fehler lieb ich dich'...." schreibt er als Engländer. "Wenn die natürlichen Arten der Liebe gesetzlos werden, schaden sie nicht nur anderen Liebesarten; sie hören auf, die Liebe zu sein, die sie waren; ja sie hören überhaupt auf, Liebe zu sein." Seite 33: In diesem Zusammenhang zeigt er auf, wie der Irrtum, weil Gott Liebe ist (siehe Johannesevangelium), müsse auch die Liebe Gott sein, schreckliche Folgen haben kann: Die Liebe wird zu einem Götzen, oder wie es Lewis sagt: zu einem Dämon. Dies führt dann auf die Vaterlandsliebe angewandt soweit, dass das Vaterland nur geliebt wird, weil es so grossartig ist. Sobald diese Illusion aber zerbricht, wandelt sich diese Perversion einer Liebe in ihr Gegenteil:
"... er liebt es aufgrund seiner Verdienste. Es ist ein gutgehendes Unternehmen, und es befriedigt seinen Stolz, dabei zu sein. Und wenn es mit seinem Land bergab ginge? Die Antwort ist einfach: 'Ohne mich.' Wenn das Schiff zu sinken beginnt, lässt er es im Stich. So ist es möglich, dass der Patriotismus, der mit Trommeln und Trompeten daherlärmt, in Wirklichkeit auf der Strasse marschiert, die nach Vichy, das heisst in die nationale Katastrophe führt." Jesus wie auch die biblischen Propheten waren anders: Jesus zum Beispiel weinte über sein Jerusalem.
2. Eros
Logischerweise kann man nicht nur den Patriotismus pervertieren (wie übrigens alles andere seit dem Sündenfall pervertiert wird.) Sondern auch andere Arten der Liebe, wie zum Beispiel die Liebe "Eros". Gerade heute morgen habe ich die Lebensgeschichte der Malerin von Gabriele Münter (19.2.1877 - 19.5.1962) mit ihrem Lehrer und Geliebten Wassily Kandinsky, einem russischen Maler (16.12.1866 - 13.12.1944) gelesen.
1914 emigrierten sie als Unverheiratete in die Schweiz, während Kandinsky dann nach Moskau weiter reiste und seine Freundin zurücklies.
1902 verliebt sich Kandinsky als verheirateter Mann in Münter. Er umwirbt sie. Sie reagiert verwirrt, gibt aber schliesslich den Umwerbungen nach. Beinahe ein ganzes Leben lang wird sie auf die Scheidung ihres Geliebten warten, um ihn dann heiraten zu können. Als er sich dann nach einer halben Ewigkeit tatsächlich scheiden lässt, schiebt er die Heirat weiter hinaus... Ueber diese unglückliche Beziehung erzählt ein Toilettenschränkchen im Haushalt von Frau Münter, dass Kandinsky "zart und humoristisch" bemalt hatte. Ein blauer Reiter und eine dunkle Reiterin ist darauf zu sehen. "Er wendet sich um nach ihr und winkt und sie rennt was sie kann." Steht im Bericht von PM, Seite 93. Dieser Scherz habe sie manchmal geärgert, "weil er unwahr ist - denn er wandte sich nie um und sagte nie 'komm mit'. Und sie rannte nie hinter ihm her. sie blieb stehen, um zu warten." Als sie 1915 in Stockholm auf ihren nun geschiedenen Freund wartete, um wie versprochen, ihn heiraten zu können, verschwand er. Viele Jahre später wird sie erfahren, dass er 1917 in Moskau eine andere Frau als zweite Frau geheiratet hat: Frau Nina von Andreewsky, eine Studentin. Es folgen Rechtsstreitigkeiten, um die Kundstgegenstände, die im Besitz von Frau Münter geblieben waren, die nun Kandinsky zurück haben wollte...
Beim Lesen dieses Lebens wurde es mir halb schlecht: Eine schreckliche und grauenhafte Geschichte, wo sich Liebe in eine Art Hassliebe umwandelte.
"Daher geschieht es auch, dass wir 'ähnlich' mit 'gleich' verwechseln. Dann folgen wir einer menschlichen Liebe mit jener bedingungslosen Treue, die wir nur Gott schulden. Und so wird sie zum Gott - und zum Dämon. So zerstört sie uns - und auch sich selbst. denn wenn natürlich Liebe zum Gott wird, bleibt sie auch nicht Liebe. man nennt sie zwar noch so, aber genau genommen ist sie eher eine komplizierte Form von Hass. Bedürftige Liebe kann zwar gierig und fordern sein, aber sie spielt sich nicht als Gott auf (wie die schenkende Liebe, wenn sie pervertiert wird).
Aus dem Gesagten folgt, dass wir uns weder denen anschliessen dürfen, die menschliche Liebe vergöttern, noch jenen, die sie 'entlarven'. Vergötterung der erotischen Liebe und auch des 'trauten Heims' war der grosse Irrtum der Literatur des neunzehnten Jahrhunderts." (Seite 16 Was man Liebe nennt von C.S. Lewis)
3. Was man Liebe nennt. Ein Buch von C.S. Lewis
Ich muss sagen, ich bin von diesem Buch von C.S. Lewis begeistert, dass ich seit langer Zeit wieder lese. Ich frage mich, wie man dieses Buch zusammenfassen kann. Es stehen soviel Wahrheiten darin, mit soviel Einzelheiten. Lewis selber schreibt in der Einleitung, wie überraschend komplex doch alles sei, dass hätte er nicht erwartet.
So ist die göttliche Liebe eine schenkende Liebe. Während unsere menschliche Liebe ein einziger Schrei nach Hilfe, also bedürftige Liebe ist. Für kurze Momente können wir auch schenkende Liebe ausleben. Beide Arten von Liebe können wir pervertieren. Dabei wird die "heiligere" Liebe des Schenkens um so stärker pervertiert.
Interessant ist nun, dass in der Bibel die Beziehung zwischen Gottes Volk und Gott oft mit der Ehe, also dem Eros verglichen wird und weniger mit der Freundschaft. (Natürlich nennt uns Jesus auch Freunde. Und wer die Analyse von C.S. Lewis über die Freundschaft, verknüpft mit Eros oder auch ohne Eros, gelesen hat, wird eine ganz neue Wertschätzung ihr gegenüber finden.)
Auch die Analyse der zwei Arten von Lust ist genial: ein Lust, von der ein Verlangen ausgeht. Zum Beispiel in Form von Durst. Die andre Lust ist eine überraschende Zugabe, die wir nicht erwartet hätten (Seite 17 und 18).
Lewis sieht eine Verwandtschaft zwischen den Bedürfnis-Lüsten und der "bedürftigen Liebe".
Er zeigt klar Unterschiede zwischen den zwei Lust-Arten auf und meint dazu:
"Der menschliche Geist ist im allgemeinen viel schneller bereit, Lob und Tadel auszuteilen, als zu beobachten und zu beschreiben. Er will aus jeder Unterscheidung ein Werturteil machen. Daher jene fatalen Kritiker, die nie die verschiedenen Eigenschaften zweier Dichter beschreiben können, ohne sie in eine Rangordnung ihrer Vorliebe einzustufen, als wären sie Kandidaten für eine Preisverteilung. Wir wollen nichts Derartiges tun mit den verschiedenen Lüsten. Die Wirklichkeit ist zu kompliziert. Das wertschätzende Lust zur Bedürfnis-Lust werden kann ,wenn sie (durch Sucht) entgleist, sollte uns Warnung genug sein.
Für uns jedenfalls liegt die Bedeutung der beiden Arten von Lust darin, dass sie in einem gewissen Mass ein Licht auf die verschiedenen Arten von (zu Recht so genannter ) Liebe werfen..." (Seite 19)
"Wo die bedürftige Liebe aber sich selbst überlassen bleibt, da ist nichts anderes zu erwarten, als dass sie 'stirbt', sobald das Bedürfnis gestillt ist. Daher ist die Welt voll von den Klagen der Mütter, deren erwachsene Kinder sie vernachlässigten, und der Geliebten, deren Liebhaber sie nur aus Bedürfnis liebten - welches jene gestillt haben. Mit unserer bedürftigen Liebe zu Gott ist es anders, weil unsere Abhängigkeit von ihm weder in dieser noch in jeder anderen Welt je ein Ende findet. Aber unser Bewusstsein dieser Abhängigkeit kann enden - und damit stirbt die bedürftige Liebe...." (Seite 21)
Schön finde ich auch, wie er die verschiedensten Liebesarten beschreibt und dies in einer Klarheit, dass einem die Augen aufgehen. Dabei vergisst er nicht, auch deren Perversion zu umschreiben, die uns ja oft im Leben begegnen.
Als guter Bibelkenner nimmt er jede Art von Liebe als Gottes Schöpfung wahr. Er kommt nicht auf die "übergeistige" oder humanistische Idee, das körperliche Formen der Liebe sündhaftig seien. Nur die Perversion ist Sünde! In ihrem eigentlichen Zustand ist sie genial.
Noch zwei Muster aus dem Buch:
"Wir befinden uns in einem beklagenswerten Zustand, wenn wir mit 'Liebe' nichts anderes meinen als die Sehnsucht, geliebt zu werden. Andererseits müssen wir uns hüten, bedürftige Liebe 'nur Selbstsucht' zu nennen ..., sie überhaupt nicht zu empfinden, ist im allgemeinen das Merkmal des kalten Egoisten." Man denke nur an das Bedürfnis der Kinder nach Mutternähe. Oder wenn jemand spürt, dass er Gemeinschaft braucht: Diese bedürftige Liebe gehört zu unserem Menschsein. Sie nicht zu haben, könnte auf einen kalten Egoisten hindeuten. Wer die schenkende Liebe Gottes erlebt hat, kann der Versuchung verfallen, dieser bedürftigen Liebe ihren Platz rauben zu wollen, weil die schenkende Liebe soviel mehr ist. Dies ist in unserer Zeit kein so grosses Problem, da wir eher hedonistisch sind: Wir wollen einfach unsere Bedürfnisse befriedigen. Dies schafft auch Probleme. Sollte mal jemand merken, wieviel grössere Liebe Gott hat, so wird er reicht beschenkt. Aber diese viel grössere Liebe kann man wie die bedürftige Liebe pervertieren. Während man aber die bedürftige Liebe nie für göttlich halten wird, kann dies bei der schenkenden Liebe geschehen. Das höhere kann eben viel tiefer fallen... Die Beschreibung von C.S. Lewis ist genial. Es handelt von einer Mutter mit dem Namen Ohneruh, die sich für die Familie aufopfert und dabei die ganze Familie, inklusive Hund, verrückt macht. Ihr Tod ist dann eine Erleichterung für alle. Eine Tochter, die als übersensibel galt, blüht auf. Der Hund darf sich freier bewegen usw. Eine überspitzte Geschichte? Dazu Lewis:
"Wo nicht, da befriedigt sich das gierige Verlangen, gebraucht zu werden, indem es entweder seine Objekte in der Bedürftigkeit festhält oder neue Bedürfnisse für sie erfindet. Dieser Instinkt lebt sich umso skrupelloser aus, als er sich (in einem gewissen sinne zu Recht) für eine schenkende Liebe und daher für 'selbstlos' hält.
Nicht nur Mütter können so sein. All die andern Zuneigungen, die jemanden brauchen, der sie braucht - ob sie nun Spielformen des Elterninstinktes seien oder ob sie eine ähnliche Funktion erfüllen -, können in die gleiche Grube fallen. Die Zuneigung des Beschützers zum Schützling ist eine Form davon." (Seite 55)
Dabei beschreibt er, dass dies auch für ihn, als Hochschuldozent gefährlich ist: "... da unsere Studenten imstande sind, unsere Kritiker und Rivalen zu werden. Wir sollten hoch erfreut sein, wenn er kommt, so wie der Fechtmeister sich freut, wenn ihn sein Schüler stechen und entwaffnen kann. Und viele freuen sich wirklich.
Aber nicht alle...." (Seite 55 + 56)
Die Freundschaft wurde in der Antike und im Mittelalter sehr hoch geachtet - im Gegensatz zu heute. Weil sie am wenigsten animalisch sind. Wobei Lewis das Wort animalisch nicht wertend meint. Es ist einfach eine Tatsache, dass Zuneigung und Eros auch von Tieren empfunden werden. Während Freundschaft, die er viel intensiver als Kameradschaft versteht (wobei die Kameradschaft die gleiche Grundstruktur hat.). Aber
"Es gibt geistig Böses und geistig Gutes. Es gibt unheilige und heilige Engel. Die ärgsten Sünden der Menschen sind geistig.Wir dürfen nicht meinen, weil Freundschaft geistig ist, sei sie auch an sich schon heilig oder unfehlbar." Dabei schätzt Lewis die Freundschaft sehr und findet es schade, dass wir sie heute so gering achten.
"Auch eine Weltanschauung, die das Kollektiv höher schätzt als das Individuum, muss die Freundschaft notwendigerweise schlechtmachen. denn Freundschaft ist eine Beziehung zwischen Menschen auf dem höchsten Stand der Individualität. sie entzieht die Menschen dem kollektiven 'Miteinander' ebenso sicher wie die Einsamkeit - und erst noch auf gefährlichere Weise, denn sie nimmt sie gleich zu zweit und zu dritt in Beschlag. Manche Formen demokratischen Empfindens sind ihr von Natur Feind, weil sie auswählt und eine Sache der wenigen ist." (Seite 63)
Interessant finde ich hier auch der Gedanken, dass gewisse "demokratische Empfinden" von Natur Feinde der Freundschaft seien. Damit meint er sicherlich eine Art von Gleichmachung und Nivellierung, die mir auch nicht gefällt, obwohl ich ein begeisterter Demokrat bin.
"So oder so, die Leute an der Spitze haben keine Freude daran. In jedem Klüngel von Freunden lebt ein partikularistische 'öffentliche Meinung', die seine Mitglieder gegen die gängige öffentliche Meinung uneinnehmbar macht. Darum ist jeder Freundeskreis eine Zelle potentiellen Widerstands. Menschen mit echten Freunden sind weniger leicht zu beeinflussen; gute Vorgesetzte können sie weniger leicht korrigieren, schlechte können sie schwerer verderben. wenn es also unseren Oberen gelingen sollte, eine Welt zu schaffen, in er es lauter Kameraden, aber keine Freunde gibt - sei es mit Gewalt, Propaganda ('Schulterschluss'), oder indem sie ein Privatleben und unorganisierte Musse unauffällig hintertreiben -, dann werden sie gewisse Gefahren ausschalten und uns ausserdem den stärksten Schutzwall gegen völlige Versklavung rauben.
Freundschaften bergen tatsächlich reale Gefahren. Sie können (wie die Alten erkannten) Schulen der Tugend sein; aber auch (was sie nicht sahen) Schulen des Lasters. Sie sind ambivalent. Sie machen die Guten besser und die Schlechten schlimmer.... Diese Liebe ist - wie jede natürliche Liebe - anfällig für ganz bestimmte Schwächen." (Seite 82)
Ich bin dabei generell etwas über das Thema Liebe zu schreiben und merke nun, wie gross das Thema ist. Das Buch von Lewis zu diesem Thema kann ich nur empfehlen. Hier eine kurze Uebersicht über das Buch:
3.1 Uebersicht: Was man Liebe nennt
1. Einleitung: "Die Liebe wird ein Dämon, wenn sie ein Gott wird." Gott ist Liebe. Liebe ist aber nicht Gott. Unterscheidung zwischen Gott ähnlich und wachsende Nähe
2. Vor-Liebe: Bedürfnis-Lüste, wertschätzende Lust
schenkende Liebe und bedürftige Liebe (bedürftige Liebe kann, in ihrer Perversion, zwar gierig und fordernd sein, aber sie spielt sich nicht als Gott auf (16)
"Wir befinden uns in einem sehr beklagenswerten Zustand, wenn wir mit 'Liebe' nichts anderes Meinen, als unsere Sehnsucht 'geliebt' zu werden. Andererseits müssen wir uns hüten, bedürftige Liebe 'nur Selbstsucht' zu nennen ... sie überhaupt nicht zu empfinde, ist im Allgmeinen das Merkmal des kalten Egoisten."
3. Zuneigung: Griechisch storge
Dieses warme Behagen, diese Zufriedenheit, weil man beisammen ist, gilt allen möglichen Objekten. Es ist am wenigsten wählerische Liebe.“ (Seite 38)
„Der besondere Zauber der Zuneigung besteht darin, dass sie Menschen verbindet, die komischerweise eben gerade nicht füreinander geschaffen sind, Leute, die nichts miteinander gemein hätten, wenn das Schicksal sie nicht in denselben Haushalt oder in dieselbe Gemeinschaft geführt hätte…. Das geschieht natürlich nicht immer ….Wenn man zum ersten Mal aufrichtig sagt, dass ‚er mir zwar nicht liegt‘, aber dass er ‚auf seine Art‘ ein feiner Kerl sei, ist das wie eine Befreiung. Das merken wir vielleicht gar nicht. Wir kommen uns nur tolerant und nachsichtig vor. Aber in Wirklichkeit haben wir eine Grenze überschritten. Jenes ‚auf seine Art‘ bedeutet, dass wir über unsere persönliche Eigenart hinaus Güte oder Intelligenz an sich schätzen lernen, nicht nur die Güte und Intelligenz, die nach unserem Geschmack gewürzt und serviert sind.
Jemand hat einmal gesagt: ‚Katzen und Hunde sollten immer gemeinsam aufgezogen werden; das weitet ihren Horizont.“ Den unseren weitet die Zuneigung. Unter allen natürlichen Liebesarten ist sie die umfassendste, die am wenigsten Heikle, die offenste.“ (Seite 41 und 42)
„Zuneigung öffnet und die Augen für Werte, die wir ohne sie nicht erkannt oder geschätzt hätten; so auch die demütige Heiligkeit.“ (Seite 43)
„Denn Zuneigung ist die instinktivste und in diesem Sinne animalischste Liebesart; darum ist ihre Eifersucht entsprechend wild. Sie faucht und fletscht die Zähne wie ein Hund, dem man seinen Knochen entrissen hat. Und warum auch nicht? Man hat dem Kind, das ich hier schildere, die Nahrung seines bisherigen Lebens, sein zweites Ich entrissen. Seine Welt liegt in Trümmern.“ (Seite 51)
4. Freundschaft: Kameradschaft, Clubgeist ein Grundgerüst für Freundschaft. Freundschaft ist aber viel mehr. "Diese Liebe - frei von Instinkten, frei von allen Verpflichtungen ausser jenen, diedie Liebe aus freien Stücken auf sich nimmt, fast völlig frei von Eifersucht, frei vom Bedürfnis, gebraucht zu werden - ist in hohem Masse geistig. Es ist die Art von Liebe, die man sich unter Engeln vorstellen kann." (Seite 79)
Die Freundschaft wird stark angegriffen - auch und oft aus Neid: "Aber die Anklage des Neides ist immer der Wahrheit am nächsten: das verletzt mehr. Darum muss eine solche Anklage ernstgenommen werden." (Seite 80)
5. Eros:
: Mit „Eros“ meint der Autor die „Verliebtheit“. Ich hätte bis heute gesagt, die Verliebtheit sei nur eine biologische Funktion, die nach ca. einem halben Jahr verklingt, um dann der wirklichen Liebe Platz zu geben. C.S. Lewis sieht das ganz anders. Ich versteht unter dem Begriff Verliebtheit oder Eros viel mehr. Dabei möchte er nicht gross auf die „Venus“ eingehen. Allerdings zeigt er dennoch sehr schön die Wechselwirkung zwischen Eros und Venus auf.
„Venus“ ist ein schöner literarischer Begriff für die Sexualität. Wobei er „nicht die verschlüsselte, alles durchdringende Sexualität – wie sie etwa in der Tiefenpsychologie betrachtet wird -, sondern das ganz Offensichtliche: das, was den Beteiligten als sexuell bewusst ist, was man durch simple Beobachtung als sexuell bezeichnen kann.
Die Sexualität kann ohne Eros oder innerhalb des Eros ausgeübt werden… dass ich diese Unterscheidung nur treffe, um unser Thema zu begrenzen – ohne jede moralische Nebenabsicht. Ich teile die populäre Vorstellung keineswegs, dass Eros – sein Fehlen oder Vorhandensein – den sexuellen Akt ‚unrein‘ oder ‚rein‘, niedrig oder edel, erlaubt oder unerlaubt macht. Wenn alle, die ohne Eros beieinander liegen, verwerflich handeln, dann haben wir alle einen zweifelhaften Stammbaum. Die Zeiten und Kulturen, in denen die Ehe von Eros abhängig gemacht wurden, sind eine kleine Minderheit….“ (Seite 93+94)
„Aber im Eros betrachtet ein intensives Bedürfnis sein Objekt mit besonderer Intensität als etwas, was in sich selbst bewundernswert ist, weit über das Bedürfnis hinaus.“ (Seite 96)
„Eine der ersten Wirkungen des Eros ist, dass er den Unterschied zwischen Geben und Nehmen verwischt.“ (Seite 97) Er nimmt dann auch Bezug auf 1. Kor. 7,5, wo man sich als Ehepaar nicht zu Lange der Venus entziehen sollte. (Seite 98)
Lewis denkt wie Paulus, dass im Gegensatz zu vielen christlichen Traditionen nicht die Sinnlichkeit die grosse Gefahr in der Ehe darstellt, sondern „die praktischen Sorgen dieser Welt, und zwar gerade die kleinsten und prosaischsten unter ihnen, die am meisten ablenken.“ Er denkt, die Habsucht ist das wirklich gefährliche und nicht die Sinnlichkeit.
„Eros erleichtert auch die Enthaltsamkeit, ohne das Verlangen zu dämpfen.“
„Ich glaube, wir werden alle verleitet, Venus zu ernst zu nehmen; jedenfalls auf falsche Weise zu ernst.“ (Seite 98)
„Wer Spiel und Lachen vom Liebesbett verbannt, öffnet leicht einer falschen Göttin die Tür. Sie ist noch falscher als Aphrodite; denn die Griechen wussten bei aller Verehrung, dass Aphrodite das Lachen leibt. Die verbreitete Meinung, dass Venus auch ein komischer Geist sei, ist völlig richtig. Wir sind keineswegs verpflichtet, unsere Liebesduette in Moll zu singen, bebend, ewigkeitstrunken, herzzerbrechend wie Tristian und Isolde. Singen wir doch auch wie Papageno und Papagena!“
Venus selbst rächt sich schrecklich, wenn wir ihren (gelegentlichen) Ernst für bare Münze nehmen. Und zwar auf zwei Arten…“ (Seite 100)
„Mir kommt es vor wie ein Scherz Gottes, dass eine so himmelstürmende, so offensichtlich transzendente Leidenschaft wie der Eros in einer ungereimten Symbiose gekoppelt ist mit einer körperlichen Lust, die wie jede andere Lust taktlos ihre Abhängigkeit von so irdischen Umständen wie Wetter, Gesundheit, Nahrung, Kreislauf und Verdauung verrät. Mit Eros meinen wir, wir könnten fliegen; Venus gibt uns plötzlich einen Ruck, und wir merken, dass wir nur ein Fesselballon sind. Das erinnert uns ständig an die Tatsache, dass wir komplexe Geschöpfe sind, vernunftbegabte Tiere, einerseits verwandt mit den Engeln, andererseits mit bock und Stier. Es ist schlimm, wenn man keinen Spass verträgt. Schlimmer, wenn es ein göttlicher Spass ist; er geht zwar auf unsere Kosten, aber (wer möchte es bezweifeln) er dient zu unserem Allerbesten. (Seite 101)
„Für einen Augenblick sind wir der Brennpunkt aller Männlichkeit und Weiblichkeit der Welt, hier trifft sich das Kämpferische und das Hingebende. Der Mann spielt …“ (Seite 104)
„Der Mann ist in dem Mass das Haupt der frau, als er sich zu ihr verhält wie Christus zur Kirche. Er soll sie lieben, wie Christus die Kirche geliebt und –bitte weiterlesen! – sich für sie dahingegeben hat (Eph. 5,25). Nicht der Mann, der wir alle sein möchten, verkörpert diese Haupteswürde am umfassendsten, sondern der, dessen Ehe am meisten ein Kreuzigung gleicht; dessen Frau am meisten empfängt und am wenigsten schenkt, seiner am unwürdigsten und von Natur aus am wenigsten liebenswert ist. Denn die Kirche hat nur die Schönheit, die ihr der Bräutigam schenkt; er findet sie nicht leiblich, er macht sie leiblich…“ (Seite 106)
„Es ist weder weise noch tugendhaft, unnötiges Martyrium zu suchen oder mit Verfolgung zu liebäugeln. Und doch ist im verfolgten oder leidenden Christen das Vorbild des Meisters am klarsten verwirklicht. So ist in solchen Ehen, die nun einmal da sind, die ‚Haupteswürde‘ des Mannes – wenn er sie aushält – Christus am ähnlichsten.
Auch die entschiedensten Feministinnen brauchen mein Geschlecht nicht um die Kronen zu beneiden, …“ (Seite 106)
„Das ist die Grösse und der Schrecken der Liebe. Und doch auch hier: neben der Grösse die Verspieltheit. Eros ist wie Venus das Thema zahlloser Witze.“ (Seite 107)
„Wir dürfen der Stimme des Eros, wenn er am gottähnlichsten spricht, nicht bedingungslos gehorchen; noch dürfen wir seine Gottähnlichkeit ignorieren oder zu leugnen versuchen. Diese Liebesart gleicht wirklich und wahrhaftig der Liebe in Person. IN ihr ist echte Gottesnähe (der Aehnlichkeit) – die aber nicht unbedingt auch eine Nähe im Suchen ist. Wenn wir Eros ehren, soweit es die Liebe zu Gott und den Nächsten erlaubt, kann er ein Mittel des Suchens, der Annährung werden. Sein totaler Einsatzwille ist ein in unserer Natur eingebautes Gleichnis oder Beispiel für die Leibe, die wir gegen Gott und die Menschen üben sollen. Wie die Natur für den Naturfreund das Wort ‚Herrlichkeit‘ mit Inhalt füllt, so gibt die Hingabe des Eros ein Bild für das Wort agape. Es ist, als sagte Christus durch den Eros zu uns: ‚So – genauso: verschwenderisch, ohne zu rechnen – sollt ihr mich lieben und die Geringsten meiner Brüder.‘ (Seite 109-110)
„In seinen Höhepunkten ist er (Eros) von allen Liebesarten die gottähnlichste – und darum am meisten geneigt, unsere Verehrung zu fordern. Sich selbst überlassen, möchte er aus jeder Verliebtheit eine Art Religion machen.“ (Seite 110)
Lewis denkt, dass die Theologen sich irren könnten, wenn sie meinen, dass diese Liebe die Gefahr der Vergötzung der Liebenden beinhalte. Vielmehr glaubt Lewis, dass die Gefahr darin besteht, dass man den Eros vergöttert. Eros kann die Meinung fördern, dass „jede Handlung, zu der er führt, beschönigt oder gar rechtfertigt, ja sogar heiligt.
Man achte auf den Ton, wenn Liebende von einer Tat, die wir ablehnen, sagen: ‚Wir haben es aus Liebe getan.‘ Ein Mensch, der sagt: Ich habe es aus Angst getan‘, oder ‚ ich habe es im Zorn getan‘, redet ganz anders. Er entschuldigt sich für etwas, was nach seinem Gefühl eine Entschuldigung braucht. Aber Liebende meinen eigentlich kaum das. Man beachte, wie sie mit bebender Stimme, fast andächtig, das Wort Liebe‘ aussprechen….
… Sie fühlen sich als ‚Märtyrer‘. In extremen Fällen liegt hinter solchen Worten im Grunde eine verhüllte, aber unerschütterliche Ergebenheit an den Liebesgott.“… „Recht der Liebe“. (Seite 112)
„Er (Eros) ist bekannt als die sterblichste von allen Liebesarten.“ (Seite 113)
„… er hat sogar die Lust altruistisch gemacht, persönliches Glück als belanglos beiseite geschoben und die Anliegen eines anderen Menschen in die Mitte unseres Wesens eingepflanzt. Spontan und ohne Anstrengung haben wir das Gesetz (einem Menschen gegenüber) erfüllt, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst. Das ist ein Bild, ein Vorgeschmack dessen, was wir alle werden sollen ,wenn die Leibe in Person ohne Rivalen in uns herrscht.“ (Seite 113)
„Wir müssen die Werke des Eros tun, wenn Eros nicht zugegen ist.“ (Seite 114)
„So offenbart Eros sein wahres Wesen, wie die andern Liebesarten, nur auffälliger, durch seine Kraft und Süsse, durch seinen Schrecken und sein grossartiges Auftreten. Aus sich selbst heraus kann er nicht sein, was er sein muss, wenn er Eros bleiben soll. Er braucht Hilfe; er braucht einen grösseren. Eros stirbt oder wird zum Dämon, wenn er nicht Gott gehorcht. Es wäre gut, wenn er in solchen Fällen immer stürbe. Aber er kann auch weiterleben, gnadenlos zwei gegenseitige Folterer aneinander ketten, jeder von der Hassliebe vergiftet, misshandelt, gierig im Nehmen und unerbittlich geizig im Geben, eifersüchtig, misstrauisch, nachtragend, um die Oberhand kämpfend, entschlossen zur Freiheit, aber nicht bereit, dem anderen Freiheit zu gewähren, von ‚Szenen‘ lebend. Man lese ‚Anna Karenina‘ und bilde sich nicht ein, so etwas komme nur in Russland vor…“ (Seite 115)
6. Agape:
Als Augustinus in eine tiefe Trostlosigkeit durch den Tod seines Freundes Nebridius gestürzt wird (s. Bekenntnisse IV 4 ff), glaubt er, man sollte sein Herz nicht an etwas Vergängliches hängen, dass man verlieren könnte. Lewis denkt, dass dies noch ein „Ueberbleibsel der hochgesinnten heidnischen Philosophien“ ist, indem Augustinus aufgewachsen ist. „Sie steht der stoischen ‚Apathi‘ oder dem neuplatonischen Mystizismus näher als der christlichen Agape. Wir folgen dem nach, der über Jerusalem und am Grab des Lazarus geweint hat, der zwar alle leibte, aber doch einen ‚Lieblingsjünger‘ hatte. Paulus hat für uns mehr Autorität als Augustinus – Paulus verrät mit keiner Silbe, dass er nicht wie ein Mensch gelitten hat oder dass er dachte, er dürfe nicht leiden, wenn Epaphroditus gestorben wäre (Phil. 2,27).“
Tatsächlich weist die Bibel auch an anderen Stelle eine gesunde Art der Trauer auf. Man lese nur die Psalmen, in denen wir teilweise einen Trauerprozess miterleben können. Das ist sicher ein Grund für Jahrtausende der Beliebtheit der Psalmen.
Wir leben und sollen leben. Gott bewahre uns vor der Abstumpfung. Er helfe uns vielmehr durch alles Leid hindurch. Auch C.S. Lewis kam in seinem Alter an einen solchen schweren Punkt, an dem er beinahe seinen Glauben an Gott verloren hätte. Oder sagen wir besser, dass er beinahe nicht mehr an die Güte Gottes hätte glauben können.
Jesus machte dies auch durch: „Warum hast du mich verlassen?“ schreit Jesus Gott zu: Gott selber, von Ewigkeit akzeptiert und in der Liebe der Dreieinigkeit leidet das für uns. Kann man das verstehen? Vielleicht wenn wir bei Gott sind. Auf jedenfall bedeutet dies: „Liebe heisst verletzlich sein.“ (Seite 122)
„Die Alternative zum Leiden, oder wenigstens zum Wagnis des Leidens, ist die Verdammung. Es gibt nur einen Ort ausser dem Himmel, wo wir vor allen Gefahren und Wirrungen der Liebe vollkommen sicher sind: die Hölle.“ (Seite 122)
„Wir sollen uns Gott nähern, nicht indem wir dem Leiden, das zur Liebe gehört, ausweichen, sondern indem wir es annehmen und ihm darbringen; indem wir allen Selbstschutz fahrenlassen. Wenn unsere Herzen gebrochen werden müssen und wenn Gott diesen weg wählt, sie zu brechen, so soll er es tun.“ (Seite 122)
„Wahrscheinlich ist es unmöglich, einen Menschen ‚zu sehr‘ zu leiben. Wir lieben ihn vielleicht zu sehr im Verhältnis zu unserer Liebe zu Gott; aber nicht die Grösse unserer Liebe zu dem Menschen ist falsch, sondern die Kleinheit unserer Liebe zu Gott.“ (Seite 122)
Danach geht er zum Thema Hassen über. Dabei sei „Jesus … viel strenger und gleichzeitig viel erträglicher als diejenigen der Theologen… Er sagt nichts davon, dass wir uns vor irdischer Liebe hüten müssten, aus Angst, dass sie uns verletzen könnte. Was er sagt, ist wie ein Peitschenhieb: Wir sollen nämlich jede irdische Liebe mit Füssen treten, sobald sie uns daran hindert, ihm zu folgen.“ (Seite 123) In diesem Sinne werde das Wort hassen gebraucht. Interessant ist dann auch der Begriff: „Ich habe Jakob geliebt und Esau gehasst.“ (Mal. 1,2.3). Esau ging es in seinem Leben eigentlich besser , als es Jakob ging…Esau wird zurückgewiesen, während Jakob, rechtlich gesehen, zu den Vorfahren von Jesus gehört. „Die ‚Liebe‘ zu Jakob bedeutet wohl, dass Jakob für eine hohe (und schmerhafte) Berufung auserwählt wird;…“ (Seite 124)
„Gott, der nichts nötig hat, liebt völlig überflüssige Geschöpfe ins Dasein, um sie zu lieben und zu vervollkommnen. Er schafft das Universum, …
… er ruft uns ins Sein, damit wir ihn ausbeuten und ‚übervorteilen‘ können. So ist die Liebe. Das ist das Diagramm der Liebe in Person, die alle Arten von Liebe erfunden hat.“ (Seite 127)
„Ferner wendet sich die natürlich schenkende Liebe immer an Menschen, die der Leibende irgendwie in sich selbst liebenswert findet – Menschen, zu denen ihn Zuneigung, Eros oder gleiche Ansichten hinziehen. Oder wenn von alledem nichts vorhanden ist ,so sind es vielleicht die Dankbaren oder die, die es verdienen, oder vielleicht solche, deren Hilflosigkeit von gewinnender Art ist.
Göttliche schenkende Leibe aber befähigt einen Menschen, die zu lieben, die natürlicherweise nicht liebenswert sind: Aussätzige, Kriminelle, Feinde oder Idioten, die Mürrischen, Ueberheblichen und die Spötter.
Schliesslich befähigt Gott die Menschen – welch ein Widerspruch! – zu einer schenkenden Leibe ihm selbst gegenüber. Natürlich kann niemand Gott etwas schenken, was ihm nicht bereits gehört; …“ (Seite 128)
„Was die Gnade verleiht, ist die volle Erkenntnis, das völlige Eingeständnis – ja, unter Vorbehalt sogar das frohe Eingeständnis – dieser Bedürftigkeit. Denn ohne Gnade liegen unsere Wünsche und das, was wir nötig haben, im Streit.
All die Ausdrücke der Unwürdigkeit, welche die Christen im Mund zu führen pflegen, erschienen der Aussenwelt wie die erniedrigende und unaufrichtige Kriecherei eines Schmeichlers vor dem Tyrannen oder bestenfalls wie eine Floskel, etwa nach der Art eines chinesischen Herrn, der sich selbst ‚diese rohe und ungebildete Person‘ nennt. In Wirklichkeit aber sind sie der immer wieder neue, weil immer wieder nötige Versuch, jenes Missverständnis abzuwehren, das uns unsere Natur über uns selbst und über unsere Beziehung zu Gott einflüstert, bis in unsere Gebete hinein. Kaum glauben wir, dass Gott uns liebt, sagt uns schon ein Impuls, dass Gott uns nicht etwa leibt, weil er Leibe ist, sondern weil wir in uns selbst liebenswert sind. Die Heiden folgten diesem Impuls ohne Scheu; ein guter Mensch war ein ‚Liebling der Götter‘, weil er gut war. Wir wissen es besser – und sinnen auf Ausflüchte. Wir meine nicht, wir hätten Tugenden, um derentwillen Gott uns lieben könnte, bewahre! Aber wie wunderbar haben wir Busse getan!....
… Und so bleibt Schicht um Schicht der immer subtilerer Gedanke hänge, dass wir – wir selbst! – liebenswert seien. Es ist leicht einzusehen, aber fast unmöglich, über längere Zeit das Bewusstsein zu bewahren, dass wir Spiegel sind, deren Glanz – wenn wir überhaupt glänzen – ganz von der Sonne stammt, die uns bescheint. Wir müssen doch bestimmt über ein bisschen – nur ein ganz kleines bisschen – eigene Leuchtkraft verfügen! Wir können doch nicht NUR Geschöpfe sein.
An die Stelle diese s verworrenen, absurden Bedürfnisses oder gar einer bedürftigen Leibe, die ihre Bedürftigkeit nie ganz zugibt, setzt die Gnade das umfassende ,kindliche und freudige Annehmen unserer Not, eine Freude an völliger Abhängigkeit. Wir werden zu ‚fröhlichen Bettlern‘. Dem guten Menschen sind seine Sünden leid, die seine Bedürftigkeit vergrössert haben. Aber es ist ihm nicht ganz so leid, dass er dadurch aufs neue bedürftig geworden ist. Und dass in seiner geschöpflichen Struktur eine unschuldige Bedürftigkeit enthalten ist, ist ihm gar nicht leid.
Denn immer ist es diese Illusion, an die sich unsere Natur klammert wie an den letzten Strohhalm, diese Täuschung ,dass wir irgend etwas in uns selbst sind oder dass wir doch wenigstens das Gute, das Gott in uns hineinlegt, auch nur eine Stunde lang festhalten können – immer ist es diese Illusion, die uns vor unserem Glück steht.“ (Seite 130-131)
„In Wirklichkeit brauchen wir alle zu Zeiten, manche von uns fast immer, jene Liebe von andern, die durch die Liebe in Person das Unliebenswerte liebt. Das ist zwar die Sorte Leibe, die wir brauchen, aber nicht die Sorte Liebe, die wir uns wünschen. Wir möchten geliebt werden, weil wir gescheit, schön, grosszügig, gerecht oder nützlich sind. Die erste Andeutung davon, dass uns jemand die allerhöchste Form der Liebe entgegenbringt, ist für uns ein schlimmer Schock….“ (Seite 131)
„Die natürliche Liebe wird aufgefordert, eine Erscheinungsform der Agape zu werden, während sie zugleich natürliche Liebe bleibt.“ (Seite 133)
„Alle wahre Liebe ist schon auf Erden viel mehr sein als unser Werk, und unser Werk nur, weil sie seins ist.“ (Seite 138)
Lewis ist genial. Er analysiert und denkt weiter. Gegen Ende auf Seite 139 sagt er:
„Und an dieser Stelle, wo ein besseres Buch beginnen würde, muss ich schliessen. Ich wage mich nicht weiter vor. Gott weiss, nicht ich, ob ich diese Liebe je gekostet habe. Vielleicht habe ich mir ihren Geschmack nur eingebildet. Leute wie ich, deren Phantasie ihren Gehorsam weit übertrifft, stehen unter einem gerechten Gericht: Wir stellen uns leicht Verhältnisse vor, die höher sind als alles, was wir tatsächlich erreicht haben. Wenn wir beschreiben, was wir uns einbilden, dann glauben vielleicht andere (und wir selbst), wir seien wirklich dort gewesen. Und wenn ich mir diese Gabe nur eingebildet habe, ist es dann eine weiter Selbsttäuschung, dass sich nebendieser Vorstellung jedes andere Verlangen – sogar das Verlangen nach Frieden, nach Befreiung von allen Aengsten – wie ein zerbrochenes Spielzeug, wie ein welke Blume ausnahm? Vielleicht.
Vielleicht ist es für viele von uns so: Unsere Erfahrungen umreissen sozusagen die Form jener Lücke, wo unsere Liebe zu Gott sein sollte. Das genügt nicht. Aber es ist immerhin etwas. Wenn …“ (Seite 139-140)
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