http://hanniel.ch/2017/07/19/standpunkt-die-biblische-lehre-von-der-erwaehlung/
gelesen. Dabei ist interessant, dass Hanniel nicht von Augustin und Calvin überzeugt wurde, sondern von der Bibel. Am Ende geht er auf das Thema der Zurechnung der Erbsünde wie auch der Gnade ein. Hier möchte ich noch anfügen, dass wir sündigen, weil wir Sünder sind und nicht Sünder sind, weil wir sündigen. D.h. unser reales Verhalten und unsere tatsächlichen tiefsten Motive sind durch den Sündenfall von Adam sündig. Wir sündigen also, weil es zu unserer sündigen Natur gehört. (Dies bedeutet nicht, dass wir auch gute Werke machen. Aber die Motive hinter allem, sogar den besten Werken ist nicht so gut, wie wir im ersten Moment glauben.) Diese Zurechnung oder Ererbung der Erbsünde ist also nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich vorhanden und wir beweisen täglich, wessen Kinder wir sind. Darum ist die Zurechnung der Gnade Gottes durch Jesus Christus ebenso real! In Christus sind wir wirklich rein und gerecht, obwohl wir es aus uns nicht sind und obwohl erst beim zweiten Kommen diese geistliche Wahrheit, dass wir Gott gehören, auch wirklich in der ganzen Fülle durchdringt. Luther spricht ja sogar davon, dass Gott mit uns heuchelt: Gott behandelt uns wie Heilige und nennt uns Heilige, weil Christus für unsere Sünden gestorben ist, obwohl wir es aus uns überhaupt nicht sind. Auch Paulus schreibt im Römerbrief so ca. 7. und 8. Kapitel, wie er (als Wiedergeborener), nun das Gute will, aber sein Fleisch, d.h. seine menschlichen Möglichkeiten, wollen das gar nicht. Gott in ihm will. Sein geistliches Leben will. Aber sein alter Mensch will und kann sogar nach seiner Bekehrung nicht. "Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Todesleib? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseres Herrn! So diene nun ich selbst mit der Gesinnung dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde." (Römer 7,24+25) "So gibt es nun keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist." (Römer 8,1) (zugegeben: Paulus schreibt komplex. Das ist Hirn und Herz-Training)
Hier ist Haniels Beitrag:
Standpunkt: Die biblische Lehre von der Erwählung
Ron Kubsch hat in dieser engagierten Diskussion die biblische Lehre der Erwählung und Erlösung wunderschön ausgeführt. Ich habe einige seiner Kommentare zusammengestellt:
- Der Mensch steht wegen seines Ungehorsams (!) unter dem Zorn Gottes, nicht wegen seiner Unschuld.
- „Gott kann nicht ungerecht sein“, ist nicht postmodern, sondern prämodern, vgl. z.B. Röm 9. Entscheidend wird sein, was genau unter „gerecht“ verstanden wird. In der von mir kritisierten postmoderne Theologie setzt der Mensch den Standard für Gerechtigkeit. Gemäß reformierter, aber auch katholischer, Theologie ist Gott der Gesetzgeber. Er legt also fest, was gerecht ist.
- Gott ist gut. Er entscheidet gemäß seinem Wesen und ist sich selbst Gesetz. Gott handelt notwendig gut, weil er gut ist. Gott regiert seinem Charakter entsprechend und in Übereinstimmung mit dem Gesetz, das er sich selbst gibt und ist damit für die Menschen ein zuverlässiger Bundespartner (er steht weder unter, noch über, dem Gesetz).
- Gott hat aus allen Sündern einige auswählt (und belässt andere in ihrer Sünde, übergeht sie also). Eigentlich haben alle Menschen den gerechten Zorn Gottes verdient. Gott erbarmt sich aber einiger und rettet sie durch Christus.
- Die Menschen, die unter Adam geboren sind, sind ja nicht mehr frei.Adam war frei. Sie sind doch Sklaven der Sünde. Aus der Tiefe der menschlichen Sündhaftigkeit ergibt sich, dass der gefallene Mensch gar nicht anders kann als zu sündigen (lat. non posse non peccare). Er ist wirklich verloren, tot in seinen Verfehlungen (vgl. Eph 2,1.5).
- Ich glaube nicht, dass alles, was geschieht, von Gott kommt. Ich glaube, dass Gott die ganze Welt in seiner Hand hält. Sogar der Satan kann sich nicht über Gott hinwegsetzen (vgl. Hiob 1). Kurz: Gottes Beziehung zum Bösen ist permissiv.
- Gott ist nicht abhängig von irgendetwas außerhalb seiner selbst. Er unterliegt keiner Notwendigkeit, die ihn von außen lenkt. Alles, was von Gott geschaffen ist, hängt dagegen von Gottes Willen ab. Der Mensch kann nicht aus sich selbst heraus existieren. Oder anders: Gott braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht Gott.
- Jesus ist für die gekommen, die einen Arzt brauchen, für die Schwachen und Sünder. „Was hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber empfangen hast, was rühmst du dich dann, als hättest du es nicht empfangen?“, fragt Paulus (1Kor 4,7). Aus der Sicht des Apostels ist der Mensch tot in seinen Sünden (Eph 2,1). Denn aus Gnade sind wir „selig geworden durch Glauben, und das nicht aus uns: Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme“ (Eph 2,8). Jesus sagt in John 6,65: „Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben“.
- Nehmen wir das Beispiel aus Lk 22. Jesus betet dort für Simon Petrus, damit sein Glaube nicht aufhört. Der autarke Petrus, also der ganz auf sich angewiesene Petrus, kann nicht vertrauen und wird den Versuchungen dauerhaft nachgeben. Aber Jesus betet für den Glauben seines Jüngers. Obwohl der Glaube des Petrus eine ur-persönliche Sache ist, wirkt Gott offensichtlich irgendwie in seinem Herzen, so dass Petrus vertraut. Das ist die kompatibilistische Sicht von Freiheit, die wir auch bei den Reformatoren finden.
- Die Frage, warum Gott nicht alle Menschen erwählt, kann ich nicht beantworten. Da geht es mir wie Paulus: „Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne!“ Paulus und „Rechtgläubigen“ vorzuwerfen, sie seien kühl, im biblischen Formalismus gefangen, empfänden also keine Traurigkeit im Blick auf die Verlorenen, überzeugt mich nicht. Es deckt sich auch nicht mit meinen Erfahrungen. Calvin sprach vom „furchtbaren Ratschluss“ (decretum horribile). Oder nehmen wir Paulus. Er schreibt: „Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, wie mir mein Gewissen bezeugt im Heiligen Geist, daß ich große Traurigkeit und unablässigen Schmerz in meinem Herzen habe. Ich wünschte nämlich, selber von Christus verbannt zu sein für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, … „ (Röm 9,1–3). In Röm 10,1 schreib er über seine Volksgenossen: „Liebe Brüder, meines Herzens Wunsch ist und ich flehe auch zu Gott für sie, dass sie gerettet werden.“ Diesem Gebet schließe ich mich an. Die Traurigkeit kenne ich.
- (Den Libertinismus zu verwerfen bedeutet nicht), dass ein Mensch keine Handlungsfreiheit hat (der durch Gott und/oder durch die gefallene Natur allerdings Grenzen gesetzt sind). Ein Sünder entscheidet sich beispielsweise in Übereinstimmung mit seiner Natur für die Sünde.
- „Das freie Willensurteil ist das Vermögen, nach deinem eigenem Gutdünken zu handeln, so dass du wirklich von dir aus handelst, nicht von einem anderen in eine Richtung getrieben wirst, die du nicht willst. Dabei ist Gewalt, die ich gegen deinen Willen zwingt und fortreißt, ausgeschlossen, nicht jedoch die Standhaftigkeit, richtig zu handeln und dies notwendigerweise dank der Gabe Gottes.“ (Martin Bucer, Kommentar zum Römerbrief)
- Es gibt in Deutschland einen großen Einfluss reformierter Theologie durch Leute wie Francis Schaeffer, J.I. Packer, John Stott, R.C: Sproul, Adolf Zahn oder Martyn LLoyd-Jones. Die Gründer der beiden dt. Freikirchen (Hermann Heinrich Grafe und Gerhard Oncken) sowie Huddon Spurgeon, waren theologisch reformiert (von der Tauffrage abgesehen).
- Die Erwählung konkretisiert sich durch Verkündigung und den persönlichen Glauben, traditionell auch als Erleuchtung bezeichnet, die Gott dem Menschen schenkt. Ein klassischer Begründungstext wäre: „Als das die Heiden hörten, wurden sie froh und priesen das Wort des Herrn, und alle wurden gläubig, die zum ewigen Leben bestimmt waren“ (Apg 13, 48). Das Evangelium wird allen verkündigt und einige werden gläubig. Die Gläubigen wissen, dass der Glaube ihnen aus Gnade geschenkt wurde. Denn aus Gnade sind sie errettet worden, nicht, weil sie was vorzuweisen haben (vgl. Eph 2,8).
- Gott ist gerecht und barmherzig. Er hält sich an das, was er verordnet hat. Der Sünde Sold ist der Tod. Die Sünde und Verdammnis ist über alle Menschen gekommen und so auch der Tod. Diese Strafe Gottes ist gerecht. Der Himmel und die Erde werden aufgespart für das Feuer, bewahrt für den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen (vgl. 2Petr 3,7).
- So wie die Sünde durch einen Menschen zu uns gekommen ist, so ist auch die rettende Gerechtigkeit durch einen Menschen zu uns gekommen. Christus hat unsere Strafe auf sich genommen. Die, die an Christus glauben und es bekennen, werden errettet. Gott verzögert das letzte Gericht, bei dem die Menschen die verdiente Strafe erhalten. Er hat Geduld und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde. Er lässt deshalb durch seine Herolde das Evangelium verkündigen zur Vergebung der Sünden. Leider hören viele Menschen die Einladung nicht.
- Ich kann nur sagen, ich habe es nicht verdient. Es ist Gnade, denn ich habe den ewigen Tod viel mehr verdient als die Menschen um mich herum. Ich habe Gott nicht mehr gesucht als andere. Ich bin nicht moralisch besser. Nichts, aber auch nichts, habe ich vorzuweisen. Ich bin völlig unverdient errettet worden. „Das ist gewisslich wahr und ein Wort, des Glaubens wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen, unter denen ich der erste bin … Aber Gott, dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, der allein Gott ist, sei Ehre und Preis in Ewigkeit!“
- Die Erwählung wird ja von Gott in der Geschichte ausgeführt. Die Vorherbestimmung wird im Hier und Jetzt wirksam (Röm 8,30: „Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“). Obwohl etwa die Verheißung eines Retters, der der Schlange den Kopf zertreten wird, schon in Genesis 3 zu finden ist (Gott also einen Plan hatte, das Böse zu besiegen), ist Jesus als historische Person tatsächlich gekommen und hat den Tod besiegt. Gott benutzt dazu die Verkündigung des Evangeliums, das Gebet usw. Die Lehre von der Erwählung ist nie Fatalismus. Ihr Sitz bei den Genfer Theologen war z. B. die Trosttheologie für die verfolgten Christen. Gerade eine Theologie mit einer hohen Sicht der Erwählung hat kirchengeschichtlich die Mission und Evangelisation enorm beflügelt, denken wir an Johnathan Edwards, William Carey oder in jüngster Zeit Francis Schaeffer.
- Wenn Gott schon gewusst hat, dass Menschen in die ewige Verdammnis kommen, warum hat er dann überhaupt die Welt und die Menschen geschaffen? Hier kann ich nur mit Augustinus antworten: „Du, Mensch, erwartest von mir eine Antwort, – und ich bin doch auch ein Mensch!“ Deshalb wollen wir beide auf den hören, der da spricht: „Ja, lieber Mensch, wer bist du denn? (Röm 9,20). Denn ein gläubiges Nichtwissen ist besser als ein vorwitziges Wissen!“ Und noch einmal Augustinus: „Sehr heilsam bekennen wir, was wir sehr recht glauben, nämlich daß der Gott und Herr aller Dinge, der alles ,sehr gut’ geschaffen hat, der zuvor wußte, daß aus dem Guten Böses erwachsen würde, und der wußte, daß es seiner schlechthin allmächtigen Güte eher anstünde, das Böse zum Guten zu wenden, als das Böse nicht geschehen zu lassen, daß dieser Gott das Leben der Engel und der Menschen so angeordnet hat, daß er an ihm zunächst zeigte, was der freie Wille vermag, und dann auch, was die Wohltat seiner Gnade und das Urteil seiner Gerechtigkeit kann!“ (corrept. 10,27).
- Wenn ich als Sünder (mit der Erbsünde) auf die Welt gekommen bin, Gott mich also so geschaffen hat, warum werde ich dann noch für Sünde zur Verantwortung gezogen? Weil Adam der Vertreter der gesamten Menschheit war, haben wir „durch“ ihn gesündigt (Röm 5,12-21). Das bedeutet, dass seine Sünde unsere Sünde ist (V. 19), seine Schuld unsere Schuld (V. 16-17). Mit Adam sind wir Teil des Bundes im Garten Eden und als Bundesbrecher Sünder. Ich weiß, dass das Prinzip der Anrechnung für Menschen in der Moderne schwer nachvollziehbar ist. Aber die Bibel kennt diese Regel der Anrechnung von Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit (denken wir nur an den Opferkult). So, wie uns die Ungerechtigkeit des einen Menschen angerechnet wird (da Adam die Menschheit vor Gott repräsentiert), so wird uns auch die Gerechtigkeit von Jesus Christus zugerechnet, wenn wir ihm glauben.
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Mich persönlich hat weder Augustin noch Calvin überzeugt, sondern das intensive Lesen des Alten und des Neuen Testaments.
- Thomas Schirrmacher hat auf 80 Seiten das alt- und neutestamentliche Zeugnis zusammengestellt. Das war für mich der erste Zusammenzug, der keine Stelle „ausblendet“.
- Starb Christus für alle Menschen? Eine sehr gute Antwort von Thomas Schirrmacher,
- Wunderschön legt John Frame die Position des Kompatibilismus dar: „Menschliche Verantwortung und Freiheit“
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