Freitag, 7. Januar 2022

Christentum in Korea und bei uns

Gestern gingen wir auf eine Predigt in Singapur ein, dass uns ein kleines Fenster ins Christentum von Singapur öffnete. Als Ergänzung fügte ich Informationen zu den ersten zwei evangelischen Missionaren in Korea hinzu. Es ist erstaunlich, wie sich das Christentum in Korea entwickelt hat. 

Es ist auch eindrücklich, wie sich im 20 Jahrhundert das "Jerusalem des Fernen Osten", also Pjöngiang entwickelte. Heute gibt es dort so eine Art lebendiges Museum des ehemaligen Christentums in Nordkorea. Einige wenige Frauen leben das durch den Fortschritt überwundene Christentum in den alten Weisen vor. Tatsächlich war die Überwindung des Christentums in Nordkorea nicht nur eine automatische Folge einer besseren Idee.

Die unterschiedliche Entwicklung von Nordkorea und Südkorea bietet uns zudem ein Fallbeispiel, wie unterschiedlich sich eine Gesellschaft entwickeln kann. Während Nordkorea sich einem "fortschrittlichen" materialistischen Säkularismus hingab und das Christentum aus dem öffentlichen Leben verbannte, bot Südkorea weiterhin den Christen Raum. Natürlich haben beide Länder auch Einflüsse von Aussen. Es wäre interessant, die Entwicklung zu beobachten, wenn es diese nicht gäbe. Wenn also Südkorea und Nordkorea je auf einem eigenen Planten wären.

Aber auch so erkennt man, dass die Lebenssituation, die wirtschaftliche Entwicklung, die  Innen- und Aussenpolitik sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Die extreme Säkularisierung in Nordkorea führte nicht zu einem Paradies auf Erden, während das unperfekte System "Südkorea" in vielem prosperdierender ist. Zudem ist die Aussenpolitik von Südkorea nicht agressiv. Es gibt kein Atombomenprogramm. Auf der anderen Seite gibt es in Südkorea auch Sekten, was Nordkorea natürlich stark unterbindet. Südkorea ist also nicht perfekt und will es auch nicht sein, während Nordkorea perfekt sein will.

Noch interessanter ist, dass im Westen die Entchristianiesierung immer weiter fortschreitet.  Persönlich glaube ich, dass liegt natürlich in erster Linie an uns Christen, weil unsere Theologie heute zuwenig Salz ist. Bei uns wird es ja nicht von Oben befohlen, sondern von intelligenten Menschen gefördert. Die Folge davon ist, dass Slogans von Nordkorea auch bei uns erschallen: Glaube ist Privatsache! Glaube macht die Menschen dumm. An den Problemen dieser Welt ist der Glaube an Christus wie sie die Bibel lehrt schuld. Demokratie sei nur ohne Christentum möglich (ein interessanter Mythos, der vielleicht in Deutschland mehr Wahrheit hat, als in ehemals reformiert geprägten Ländern ausserhalb Deutschlands. Aber auch so stimmt es nicht. Selbst wenn ein Christ und Theologe wie Bonhoeffer dies auch geglaubt hat. Aber das ist natürlich eine Folge der deutschen Prägung von Bonhoeffer.)

Noch interessanter wird es, wenn man die Familiengeschichte der Herrscherfamilie von Nordkorea nachgeht. Auch hier gibt es christliche Tendenzen, die leider von einer massgeblichen Person im Moskau der Sowjetunion abgelegt wurde. Auf der anderen Seite könnte man natürlich auch sagen, dass der Kommunismus eine christliche Sekte ist. In diesem Sinne hat er nicht alles abgelegt: Er hat seine christliche Prägung einfach extrem säkularisiert. 

Was ist Säkularisierung? Bsp.: Aus Liebe Gott wie Deinen Nächsten, fällt Gott weg und wird im Idealfall: Liebe Deinen Nächsten. Wenn es aber Gott nicht mehr gibt, wer definiert dann, was Liebe ist. In Basel an der Elisabethenkirche hing vor kurzem ein Banner: Gott ist (jede) Liebe. Diese Christen definieren also Gott als jede Liebe. Wird damit ihr Verständnis zu Gott? In der Bibel wird das umgekehrte gelehrt: Gott definiert was echte Liebe ist. Damit hat man eine Grundlage gegeben pervertierter Liebe zu argumentieren. Ein Beispiel dazu: Wenn eine Mutter sein Kind so liebt, dass sich das Kind sich nicht mehr frei entwickln darf, dann hat man einen Masstab, mit dem man erklären kann, dass diese Liebe verbogen ist. Sie täte gut daran, an dieser Verbogenheit zu arbeiten. Auch in einem sozialistischen Land, das den Kommunismus verwirklichen will, also ein von Menschen geschaffenes Paradies ohne Gott errichten will, müsste man sagen, dass ihr Postmillianismus etwas Wichtiges fehlt: Die Einsicht, dass wir Menschen Sünder sind. Wir können die Sünde nicht einfach wegterapieren. Das führt entweder zu Heucheiei oder gar zur Dressur der Menschen. Zudem lieben wir nicht mehr in der richtigen Reihenfolge (s. Augustinus). Das Wesentliche muss Gott machen, der für unsere Sünden starb. Hier müssen wir Freiheit lassen. Natürlich braucht es auch einen Staat und gute Gesetze. Aber diese machen nur einen unvollkommenen Rahmen, der im Idealfall Rechtssicherheit bietet. Und das ist in eine in Sünde gefallene Welt sehr viel Wert.

Auch an meine Konservativen lieben Geschwistern im Herrn möchte ich eine Kritik anwenden: Viele glauben infolge des Dispensationalismus, dass es immer schlimmer auf der Welt wird und ziehen sich daher von der Welt zurück. Oder aber sie machen noch etwas Politik, aber sie fördern nicht mehr die Gaben unter ihnen, die sich mit Rechtspflege usw. beschäftigt. Darunter gibt es auch wie bei den Liberalen Idealisten und unterscheiden  nicht zwischen Politik und Glaube, zwischen Held und Heiliger. Aber noch stärker scheint mir jene Fraktion, die meinen: Es habe ja sowieso keinen Sinn seiner Stadt zu dienen. Und wie oft hörte ich schon: "Es muss ja so kommen." Gerade Korea bietet uns einen Einblick, wie unterschiedlich die Geschichte verlaufen kann! Nur weil der Westen (vielleicht) antichristlicher wird, bedeutet das noch lange nicht, das Morgen Jesus wiederkommt. Diese Idee, diese theologische Haltung führt aber sicherlich dazu, dass wir den Niedergang des Westens fördern. Es kann sogar zu einer sich selbstverwirklichenden Offenbarung werden. ABER wir sollen Salz sein und die von uns gegebenen Gaben zur Ehre Gottes und zum Wohle der Menschen einsetzen. Und das kann je nach Mensch unterschiedlich sein. Man merkt, hier ist auch der Punkt, wo ich die streng täuferische Haltung ablehne. Schon vor 500 Jahre lehnte dies Huldrych Zwingli ab. Weil nicht nur der atheistische Idealismus in dieser Zwischnezeit nicht "funktioniert", sondern auch der religiöse. Wir können nicht aus unserer Kraft den Himmel auf Erden schaffen. Auch nicht in unseren Reihen, in unseren Gemeinden. Das wird Jesus  Christus machen, wenn er zum zweiten Mal kommen wird. Hier gilt es, die Spannungen des "Schon-jetzt-und-noch-nicht-Aspektes" auszuhalten, indem wir zu Christus gehen, der es allein gut machen kann. Denn zu Christus gehen, dass ist Glaube.

Denn wir haben weder die Bibel, noch diese Welt, noch Gott in unserer Hand. Nicht einmal die Prädestinationslehre haben wir unter Kontrolle (obwohl das verschiedene Theologen immer wieder versuchen: Entweder inidem sie die Prädestinationslehre ganz ablehnen, auf die Seite legen oder aber in dem sie die biblische Prädestiantionslehre mit ihrer Antinomie durch ein menschliches Kostrukt ersetzen.). Wir haben auch nicht unser Heil unter unserer Kontrolle, sondern es ist ein Geschenk und feste Zusage von Jesus Christus, der sie erfüllen wird und in einem gewissen Sinne auch schon erfüllt hat. Darin liegt unsere Heilsgewissheit, dass Gott zu uns treu ist und nicht, weil wir es könnten.

Hier sehen wir auch den grossen Unterschied zwischen einem Postmillianismus der Kommunisten und der Puritaner: Die ersten wollen dies ohne Gott (und manchmal auch bewusst gegen Gott) ein Paradies schaffen, die anderen glauben, dass das Evangelium soviel Kraft hat, dass es die Welt immer mehr verbessert, bis ein glorreiches tausendjähriges Reich anbricht, an deren Schluss Jesus Christus wiederkommt. Persönlich glaube ich eher an den Ammillianismus: Das ist die etwas pessemistischere Sichtweise: Ja, das Evangelium verbreitet sich auf der ganzen Welt und verbessert das persönliche und auch das gesellschaftliche Leben. Aber leider reift zur gleichen Zeit auch das Böse heran, wie es Jesus in seinem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen erklärt (s.u.). Interessanterweisse verbietet Jesus dabei das Schlechte auszumerzen. Also genau das, was Idealisten versuchen. Denn wir könnten - so Jesus Christus - mit dem Bösen auch das Gute herausreissen. Auch hier betont Christus, wie wenig wir können. Und diese Einsicht ist sehr wichtig, damit wir auf dem Boden bleiben und nicht einem Machbarkeits-Wahnsinn verfallen.

Zugleich sollen wir Salz sein: Das eckt an. Salz kann brennen. Aber es tut allen gut. Das können wir aber nur sein, indem wir in Christus sind, indem wir am Weinstock hangen.

"Ein anderes  Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Reich der Himmel gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.

Während aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut mitten unter den Weizen und ging davon.

Als nun die Saat wuchs und Frucht ansetzte, da zeigte sich auch das Unkraut.

Und die Knechte des Hausherrn traten herzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen in deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?

Und die Knechte des Hausherrrn traten herzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen in dienen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?

Er aber sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan! Da sagten die Knechte zu ihm: Willst du nun, dass wir hingehen und es zusammenlesen?

Er aber sprach: Nein! damit ihr nicht beim Zusammenlesen des Unkrautes zugleich mit ihm den Weizen ausreisst.

Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte wil lich den Schnittern sagen: Lest zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, dass man es verbrenne: den Weizen aber sammelt in meine Scheune!"

Matthäus 13,24-17

Hier erzählt Jesus Christus ein Gleichnis inmitten von einigen anderen Gleichnissen, um uns das Himmelreich zu erklären. Es ist viel Vielschichtiger, als wir es erwarten würden. (Und übrigens auch unter den Puritanern gab es viele, die um ihre Unperfektheit wussten. Der Name Puritaner war ursprünglich ein Übernahme, um die Puritaner zu verhöhnen. Darum finden wir unten ihnen auch John Milton, der so wichtig für unsere Pressefreiheit war. John Lock stammte aus einem  puritanischen Elternhaus und glaubte selber noch an die Inspiration der Bibel. Er, ein wenn nicht sogar der Vater des  Liberalismus, versuchte die reformierte Theologie zu säkularisieren. Dabei verlor es an innerer Logik. Machte aber die Ideen auch für Nichtchristen interessant. Meine These dazu: Die Säkularisierung ist nicht nur schlecht. Aber sie braucht, weil sie in sich nicht ganz kohärent, geistliche Nahrung von ihrem Ursprung. Eine zu extreme Säkularsierung verliert den Boden und wird entweder gesetzlos oder gessetzlich: Mit anderen Worten: Haltlos oder übermoralisierend. Wenn das wahr ist, ist es natürlich problematisch, wenn die Kirche sich selber säkularisert. Die Idee von den Radikal-Liberalen im 19. Jahrhundert in der Schweiz aus den reformierten Kirche liberale Kirchen zu machen, wäre dann für sie selber sehr kontraproduktiv, da sie damit ihre Wurzeln relativert hätten. Die Folge müsste sein - wenn meine These stimmt - dass aus dem Liberalismus etwas ganz anderes wird: Zum Beispiel Kommunismus. In diesem Sinne vermute ich, dass Karl Marx den Liberalismus in ein Extrem dachte, die die liberalen Werte am Schluss negierten. Ich vermute, jeder Idealismus führt zum Perfektionsimsu, der uns Menschen in eine Zwangsjacke zwengt. Die Lösung ist allerdings nicht jende von Nietzsche, sondern jene von Martin Luther: In Christus stehen wir über dem Gesetz, was nicht gegen das Gesetz ist. Oder wie es der US-amerikanische Theologe Timothy Keller sagte (sinngemäss). Das wahre Christentum ist weder Gesetzlosigkeit noch Gesetzlichkeit. Es ist etwas Drittes. In Christus sind wir perfekt, weil wir die Identität von Christus erhalten. Luther sagte zudem, dass Gott mit uns heuchle. Die reformeirte Theologie betonte schon immer die drei Zwecke des Gesetztes. Hierzu ist Galater 3, insbesondere Verse 15 - 29.

Dazu Vers 24: "So ist also das Gesetz unser Zuchtmeister (= Paidagogos = damals ein Sklave, der die Kinder erzog. Neben Förderung und Strafe gehörte auch der Schutz der Kinder zu seinen Aufgaben. ) geworden auf Christus hin, damit wir durch den Glauben gerechtfertigt würden."

Interesant wäre es genauer zu untersuchen, was hier Karl Barth gelehrt hat. Ich vermute, er hat die Spannung in dieser Zwischenzeit mit seiner Dialektik aufgelöst. Tatsächlich ist unser Verstand nicht fähig, alles zu ergründen. Das bedeutet aber nicht, dass es Gott nicht ergründet könnte. Und daher müssen wir mit unserem Lernen auch die Grenze unserer Fähigkeiten beachten. Johannes Calvin sprach in seiner Institutio dabei von der gelehrten Unwissenheit. Das relativiert nicht die Wahrheit oder gar Gott. Ganz im Gegenteil. Aber es relativiert unsere Fähigkeiten und macht uns auch hier wieder demütiger und treibt uns zu Christus. Wir sind Kinder Gottes und nicht Gott selber. Wir wissen nicht alles. Und hier liegt auch die Freiheit, die wir einander gewähren müssen begründet.




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