Montag, 20. Mai 2013

Ach, Herr, Wie lange noch?

Ach, Herr, Wie lange noch?
Gedanken über das Leiden und andere Nöte

von D.A. Carson



Es ist ein sehr gutes Buch, wenn man sich intensiver in das Thema Leid eindenken möchte.  Der Autor schreibt selber "Es soll vor allem vorbeugende Wirkung haben. Zu den Hauptursachen der seelischen Erschütterung und Verwirrung, die unter Christen anzutreffen sind, zählen zweifellos falsche Erwartungen. Wir denken erst dann mit dem gebotenen Ernst über Nöte und Leiden nach, wenn wir selbst davon heimgesucht werden. Stehen dann unsere tief verwurzelten, aber nicht hinreichend durchdachten Ueberzeugungen nicht weitgehend mit dem Gott in Einklang, der sich in der Bibel vor allem in Jesus offenbart hat, dann kann sich unser Schmerz so sehr verschlimmern, dass wir auch noch die Grundlagen unseres Glaubens anzweifeln" (Seite 7)
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Es ist ein etwas älteres Buch. Der Originaltitel erschien 1990 als How long, O Lord?
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Zur weiteren Vertiefung empfiehlt er folgende Bücher:

C.S. Lewis über den Schmerz    
     Dieses Buch findet keine uneingeschränkte Zustimmung von den Lesern.
C.S. Lewis über die Trauer      
     Dieses Buch ist geschrieben nach dem Tod seiner Ehefrau. Es hat grosse Zustimmung sicher. 
Alvin J. Plantinga, God, Freedom and Evil
Grand Rapids: Eerdmans, 1974
Die Existenz Gottes. 1987
Stephen T. Davis, «The Problem of Pain in Recent Philosophy» und weitere, s. Seite 20: unter 4
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Uebersicht der Titel des Buches:


Vorwort  7
Erster Teil: Zum Nachdenken über das Leiden und das Uebel
1. Erste Schritte  13
2. Falsche Schritte  21
Zweiter Teil: Einzelteile des Puzzlespiels
Biblische Themen für leidende Menschen  41
3. Der Peis der Sünde  42
4. Gesellschaftliche Uebel, Armut, Krieg, Naturkatastrophen   52
5. Das leidende Gottesvolk  69
6. Flüche, heilige  Kriege – und die Hölle  90
7. Krankheiten, der Tod und Trauerfälle  105
8. Aus dem Blickwinkel der Ewigkeit betrachtet  129
9. Hiob: Mysterium und Glaube  148
10. Der leidende Gott  176
Dritter Teil: Ein Blick auf das Gesamtbild
11. Das Geheimnis der Vorsehung  195
12. Die Vorsehung als Trost: Vertrauen lernen  229
13. Einige seelsorgerische Ueberlegungen  246
Anhang: Gedanken über Aids  252
Bibelstellenregister  266 


 Das Buch selber bietet eine gute Grundlage für weitre Studien zum Thema Leid. Die ersten 12 Kapitel sind daher ein gedankliches Ordnen der ganzen Problematik. Im 13. und letzten Kapitel gibt er sehr nützliche seelsorgerliche Tipps.

Einige Beispiele:

"Trauernde bedürfen oftmals eines langwierigen Heilungsprozesses. So habe ich beispielsweise Eltern kennengelernt, denen der Tod eines Kindes einen dermassen schweren Schock versetzte, dass es mehrere Jahre dauerte, bis sie gefasst darüber sprechen konnten."
"Leidet jemand, so kann man ihn häufig am effektivsten dadurch trösten, dass man in seiner Nähe bleibt, ihm hilft, schweigt und mit ihm trauert. Wer einem Leidenden bei der Garten- oder Hausarbeit hilft, der verhält sich möglicherweise geistlicher als jemand, der ihm Andachten hält oder ihn mit Bibelworten überhäuft. Die Schrift selbst mahnt uns: "Trauert mit den Trauernden" (Römer 12,15).
"Wollen wir jemanden verbal ermutigen, dann sollten wir nicht immer davon ausgehen, dass es auf ein unausgesprochenes "Warum?" zu antworten gilt. Nicht jeder stellt diese Frage. Manche Menschen, die der Ermutigung bedürfen, haben es nur nötig, dass wir sie an einfache Wahrheiten erinnern. Sie brauche keine tiefsinnigen Antworten.
Sind verbale Antworten auf die peinigende Frage nach dem Warum erforderlich, so wird der Inhalt wie der Tenor unserer Aeusserungen von dem abhängen, was man als unsere 'geistliche Diagnose' bezeichnen könnte - von unserer Einschätzung der Bedürfnisse und des geistlichen Fassungsvermögens des Leidenden. Wenn einige Menschen "Warum?" rufen, ist das nicht als Frage aufzufassen. Sie suchen einfach Trost. Andere stellen tatsächlich Fragen, können jedoch im Augenblick nur die allerkürzeste Antwort vertragen. Stellt ein Christ, den ich nicht sehr gut kenne, eine solche Frage, dann antworte ich meist: ...." (Seite 247 - 248)

 Er geht in seinem Buch auch auf die Allmacht Gottes und unsere Verantwortung ein Und natürlich auf die grosse Frage, wie ein allmächtiger Gott Leid zulassen kann. Er analysiert verschiedene Theodizeen. Dabei stellt er fest, dass diese Theodizeen, also die Verteidigungen, warum Gott nicht für das Leid verantwortlich sein sollte, immer nur einen Theismus, also einen reinen Gott glauben verteidigt. Sie beziehen in ihre Ueberlegungen nie ein, was denn das Leiden von Jesus Christus, Gott selber zu diesem Thema zu sagen hat. Als weiterer Trost zum Thema Leiden erklärt er seinen Begriff der "Vereinbarkeitsthese". Er definiert diesen folgendermassen:

"1. der allmächtige Gott waltet souverän und frei, doch wirkt sich seine Herrschaft niemals so aus, dass dabei die Vernatwortung des Menschen beschnitten, minimiert oder gänzlich aufgehoben würde.
2. Menschen sind moralisch verantwortliche Wesen -sie treffen sinnvolle Entscheidungen, rebellieren, gehorchen, glauben, widersetzen sich usw. und werden zu Recht für diese Handlungsweisen verantwortlich gemacht: Dies wirkt sich jedoch nie so aus, dass Gott dadurch eingeschränkt würde." (Seite 197)

Für unser menschliches Fassungsvermögen nicht ganz fassbar. Aber es gibt ja viele solche Wahrheiten, in der Wissenschaft, wie in der Bibel. Wie könnte es auch anders sein, wenn wir über Dinge nachdenken, die weit unser Denken überragen. Wie sollen wir nur Gottes Persönlichkeit fassen können, die nicht an Zeit und Ort gebunden ist? Wir kennen ja ansonsten nur Persönlichkeiten die auf Zeit und Ort begrenzt sind. Aber Gott ist persönlich und gleichzeitig transparent. Daher kann Carson schreiben: "Das von der Vereinbarkeitsthese aufgeworfene Problem lässt sich letzten Endes auf einige uns unbekannte Aspekte des Wesens Gottes reduzieren." (Seite 215) Für uns wichtig zum Thema Leid ist es aber, dass Gott immer noch stärker ist und wer an ihm bleibt, durch alles Leid getragen wird, auch wenn wir vieles nicht verstehen können.

Seite 122 sagt er zu dieser Art Trost: "Was wir also brauchen, ist persönliche Gotteserkenntnis, denn nur sie wird uns tragen, wenn jede andere Stütze bricht. Es bedarf aber, um sie zu erlangen, der Disziplin inbrünstigen Gebets, anhaltenden Nachsinnens über das Wesen Gottes, wie es uns in seinem Wort offenbart ist, sowie der Gegenwart und Kraft des auferstandenen, der durch seinen Geist in uns wirkt (Epheser 1,18 ff; 3,16-17a; Philipper 3,10), "damit Christus durch den Glauben in (unserem) Herzen wohne" (Epheser 3,17).
Hier liegt auch ein Grund für seine theoretischen Erläuterungen: Sie sollen den Rahmen, das Gerüst unseres Glaubens festigen, dass uns dann in der Not stützen kann. Von Römer 5, 1 -3 schreibt er sogar, dass es sich hier um eine Theologie des Leidens handelt. Hierzu eine kleine Zusammenstellung:

Unsere Hoffnung ist eine sichere Zukunftsperspektive (Römer 5,1-3)
 Römer 5,3 ist eine «Theologie des Leidens»
Leiden in Verbindung mit dieser Hoffnung bewirkt Ausdauer, Bewehrung (dokimé = Bewährtsein). Diese Bewehrung lässt unsere Hoffnung aufblühen: Die Vorfreude auf die Herrlichkeit Gottes (Vers 2).
Der Heilige Geist selber (s. Römer 8) ist für diese Hoffnung die Anzahlung.
Epheser 3,14-21, insbesondere V. 17b-19: Es ist wichtig, dass wir diese Liebe Gottes erleben!
Es gibt eine Reife, die nur durch Leiden erlangt werden kann. (S. 78)

Wir merken, dass Leiden in diesem Sinne eine besondere Berufung sein kann. Es gibt Menschen, die in ihrem Leiden und wie sie damit umgehen grosse Glaubenshelden sind. Oft werden sie nicht auf die Bühne empor gehoben und gross gefeiert. Normalerweise stehen sie mit wenigen treuen Begleitern alleine ihren Mann oder Frau im Glauben. Schlimm kann es nun werden, wenn es theologische Konzepte gibt, die hinter jeder Krankheit und jedes Leiden eine Sünde oder zuwenig Glauben vermuten. Dieses Thema wird ja in der Bibel selber sehr eingehend behandelt und es ist erstaunlich, dass solche verwirrende Konzepte entstehen können. Man denke an das Buch Hiob im Alten Testament, wo gerade solche falsche Konzepte am Ende des Buches von Gott selber verdammt werden. (Gott vergibt ihnen, nachdem Hiob für sie eintritt. Gleichzeitig heilt er dann Hiob!) Oder man denke an Jesus, der auf die Frage antwortet, warum jemand ein Leiden hat, dass weder er noch sein Vater eine Schuld getragen haben, sondern er leidet, damit Jesus an ihm ein Wunder machen kann. Es gibt also sehr viele verschiedene Gründe für Leiden und mit Vorverurteilungen geraten wir sehr schnell ins Unrecht.

Die ganze Thematik geht Carson sehr gut nach, u.a. im Kapitel Flüche, heilige Kriege - und die Hölle ab Sete 90.
Auf Seite 85 weist er darauf hin, dass gerade Leiter leiden mussten und müssen. "Wie könnte es auch anders sein? Dienen wir doch einem gekreuzigten Messias!" (Seite 85) Wieviele unserer heutigen Leiter sind sich dessen bewusst? Wieviele verwechseln christliches Dienen mit Herrschen und Selbstverwirklichung? Wenn jemand glaubt, dass dies keine berechtigte Frage wäre, bitte ich diese Frage einem christlichen Leiter zu stellen. Seine Reaktion gibt oft eine eindeutige Antwort. Die Liebe erträgt ... Und ich selber muss mich fragen, war ich nicht auch schon zu sehr enttäuscht, anstelle die Probleme als Wachstumsschub zu begreifen? Leiter die den geistlichen Zerrbruch nicht erlebt haben und weiterhin in diesem Bewusstsein leben, verletzten mit ihrer grösseren Machtausübung, ohne dass sie es merken, weil es ihnen an Einsicht, Demut und Mitgefühl fehlt. Leider ist dieses Manko nicht einfach mit Disziplin erlernbar und darum auch nicht einfach einforderbar. Vielleicht ist es zum Teil mit Geduld und Zuhören möglich, sich diese Fähigkeit anzueignen? Wirklich gründlich lehrt dies Gott durch den Zerrbruch, das heisst durch Leiden. Man darf sich hier gerne die grossen Vorbilder der Bibel und auch der Kirchengeschichte ansehen. Die barmherzigsten Väter des Glaubens waren Menschen die durch Leiden gingen und für die anvertrauten Menschen litten. Liegt hier wohl der Grund, warum die Gemeinde durch Aelteste, also Menschen die durch das Leben mit Gott, inklusive Leiden, gereift sind, geleitet werden sollten?
Er berichtet auch von einem geistlicher Leiter, den er achtet und glaubt, dass er im Prinzip biblische Wahrheiten predigt. Nur hat er den Rahmen für das Leiden zu eng gesetzt. Wir kennen sicherlich viele solche Christen, die glauben, wenn man richtig glaubt, geht es finanziell und gesundheitlich nur immer aufwärts. Diese Versionen gibt es auch weniger ausgeprägt. Bleiben tut aber immer der Beigeschmack, dass besonders gesegnete Christen nicht leiden müssten. Gerade dieser Lehrer, von dem Carson überzeugt ist, dass er sehr ehrlich ist, wurde von Gott später in eine Tiefe des Leidens geführt, indem dann seine eigene Bewegung nicht mehr folgen konnte. Aber dieser Leiter war ehrlich, als ihm Gott seinen Rahmen vergrösserte, passte er auch seine Verkündigung an. Das konnte Carson, als er dieses Buch 1990 schrieb noch nicht wissen. Es zeigt, wie Carson hier mit seiner Einschätzung richtig lag. (Das ist an älteren Büchern besonders kostbar, man kann auch geschichtliche Entwicklungen miteinbeziehen.)

Das Buch ist wirklich zu empfehlen. Ein Theologe bestätigte mir auch, dass für ihn grosse Bedeutung erlangt hat. Es bildet eine gute Grundlage, um sich mit dem Leiden auseinander zu setzen. 

Mit fällt immer wieder auf, wie komplex alles ist. Luther soll sich ja darüber genervt haben. Aber Gott hat uns in eine sehr komplexe Welt gestellt. Alleine die Erforschung der erschaffenen Welt ist unfassbar. Trotz unserer Millionen oder gar Milliarden an Forschungsgeldern sind immer noch so viele Fragen offen. Ja, werden Fragen beantwortet, dann eröffnen sich Dutzend neue Fragen. Wie ist es dann erst bei einem Thema wie dem Leid. Oder der noch grösseren Frage über Gott. Einfach unfassbar. Und dennoch dürfen wir mit der von Gott gegebenen Intelligenz uns an diese Fragen wagen. Paulus schrieb im 1. Kor. 13, dass wir wie Kinder sind. Wir sehen wie in einem antiken Spiegel (der damals trüb war), die Wahrheit. Wie Kinder, die von ihren Eltern Wahrheiten hören, die für sie zum Teil noch zu hoch sind. Dennoch können wir Dinge erfassen. Denn auch ein Kind merkt, wann es geliebt wird. Auch ein Kinde merkt, wann Dinge wahr oder nicht wahr sind. Und dies zu erleben ist ja auch wieder eine Art Freude. Mehr zu begreifen, zu verstehen ist so süss und macht glücklich. Mir jedenfalls geht es so.










Ein Bild von Thimoty Keller, Donald A. Carson und John Piper. Bild von : theogospelcoalition.org

Mich ermutigt vorallem, die Tatsache, dass Jesus selber für uns  gebetet hat:
"Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben werden,
auf dass sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; auf dass auch sie in uns eins seien, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hat."  (Johannes 17,20-21)
".. ich in ihnen und du in mir, damit sie zu vollendeter Einheit gelangen, unddamit die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, gleichwie du mich liebst." (Johannres 17,23)
Gott der Vater liebt uns so sehr, wie er seinen Sohn: Gottes Sohn liebt. Was für eine Würde!!!!!!!
 

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