„Wer kann
merken, wie oft er fehlt? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!“ (Psalm
19,13, Luther-Uebersetzung)
„Verfehlungen! - wer erkennt sie! Sprich mich los von den
verborgenen!“ (Psalm 19,13, Schlachter Uebersetzung aus Genfer
Studienbibel zitiert)
In Hebräisch
lauter dieser Vers: שׁגיאות מי־יבין מנסתרות נקני׃
Leider kann
ich noch nicht Hebräisch, hier die Interlinear-Uebersetzung:
“Verfehlungen
wer (er) wird (kann=) wahrnehmen? – Von-verborgenen
(= unbewussten) sprich mich los!” (Psalm 19,13, aus Band 4 Die 12 kleinen
Propheten, Hiob, Psalmen, Rita Maria Steuerer)
Am 28.3.13
war dies der alttestamentliche Vers aus den Losungen 2013 (283. Ausgabe der Losungen).
Dieses Wort
hat mich getroffen. Der Psalmist, in diesem Fall König David, wird bewusst,
dass ihm Gott noch lange nicht alle Sünden aufgezeigt hat. Gleichzeitig weiss
David, dass er von anderen Menschen, die
ihre Sünden ausleben, gefährdet werden kann. Darum bittet er im nächsten Vers:
“Auch vor den
Uebermütigen bewahre deinen Knecht, dass sie nicht über mich herrschen; dann
werde ich unschuldig sein und frei bleiben von grosser Missetat!” (Psalm 19,14)
Tut
mir jemand unrecht, besteht die Gefahr, dass ich selber Unrecht tue. Insbesondere wenn sie dauernde Macht über mich haben. Das ist eine ganz besondere
Herausforderung für unser Leben. David macht es einfach und betet darum, dass
dies nicht geschehen soll. Wird dürfen also darum bitten, dass sich eine solche
Situation ändert – oder wie hier beschrieben, dass sie gar nicht erst eintrifft.
In den
Psalmen kommt dies immer wieder vor, dass wie hier vor der Bitte zuerst die
eigene Sünde bekannt und von Gott vergeben lassen wird. Dies ist ein wichtiger
Grundsatz, um überhaupt die biblischen Begriffe gerecht, gerechtfertigt und
gottesfürchtig zu verstehen: Die Gottesfürchtigen sind Menschen, die ihre
Sünden von Gott vergeben liessen. Während gottlose Menschen jene sind, die sich ihre
Sünden nicht vergeben lassen. David wird
hier sehr bewusst, was für ein Potential an Bösartigkeiten in ihm Steckt,
das er sich nicht bewusst ist. In diesem Sinne sind wir Menschen seit dem
Sündenfall alle gleich. „… Es ist keiner gerecht, auch nicht einer;“ schreibt
Paulus im Römerbrief 3,10.
Interessant
ist, dass mir gerade dieser Woche jemand geschildert hat, er habe einmal an einen
Führungskurs für Manager teilgenommen. Da waren führende Geschäftsleute
eine ganze Woche in einem schönen Hotel. Jeder machte sich Gedanken über seine Lebensregeln.
Danach bildeten sie Gruppen und einigten sich auf gemeinsame Werte. Dabei hat
der psychologische Leiter dieses Seminars ihnen einen Spiegel vor gehalten –
ohne das er irgendjemanden persönlich angegriffen hätte. 20% der Teilnehmer
hielten diesen Spiegel nicht aus. Weinend verliessen sie den Saal und brachen
das Seminar ab: Zu hart war die Selbsterkenntnis. Ein anderer Mann ging zu
seiner Freundin und machte ihr einen Heiratsantrag, weil er merkte, was ihm
wirklich wichtig war.
Mir kam das
alles sehr hart vor – besonders weil der Faktor Vergebung fehlte. (s. hierzu Anhang 1)
Prinzipiell
erinnert mich dies an die Feststellung von Paulus im Römerbrief:
„Wenn nämlich
Heiden (gemeint Nicht-Juden), die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus
tun, was das Gesetz verlangt, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich
selbst ein Gesetz, da sie ja beweisen, dass das Werk des Gesetzes in ihre
Herzen geschrieben ist, was auch ihr Gewissen bezeugt, dazu ihre Ueberlegungen,
die sich untereinander verklagen oder auch entschuldigen – an dem Tag, da Gott
das Verborgene der Menschen richten wird, laut meinem Evangelium, durch Jesus
Christus.“ (Römer 2,14-16, Schlachter Uebersetzung)
Können Menschen, auch
Menschen die den Heiligen Geist nicht haben, solche Selbsterkenntnis erlangen?
Paulus bejaht das hier. Am Schluss betont er, dass dies sicherlich beim
Endgericht stattfinden wird. Ich gehe also davon aus, dass wir nach unserem Leben vor Gott stehen werden und unser eigenes Gewissen wird uns verteidigen oder
anklagen. Dabei wird wohl unser Gewissen von menschlichen selbstverliebten
Gedanken gereinigt und wir sehen uns so, wie wir wirklich sind. Wenn uns dann
unser Gewissen anklagt, können wir uns nirgends mehr verstecken. Darum ist es
besser, heute und jetzt schon für unsere Sünden Busse zu tun – auch für jene,
die wir gar nicht kennen. Hier auf der Erde können wir erleben, dass uns die
Selbsterkenntnis zu Boden drückt und dann das Evangelium, die Frohe Botschaft
wieder auf die Beine stellt. Gestorben und Auferstanden.
Das ist
Gnade: Ohne unsere Leistung von Gott mit seiner
Vergebung, Rechtfertigung, seiner Adoption als Gottes Kind beschenkt
zu werden, weil er, Gott selber die ganze Leistung erbracht hat. Jesus tat dies
alles für mich und Dich, weil er Dich selbstlos liebt. Er würde für Dich
sterben, um Dir zu helfen. Und er starb, um Dir zu helfen.
Da ist kein
Raum mehr für Selbsterlösung. Jesus Christus hat dies alles bereits am Kreuz
getan. David, als er diesen Psalm schrieb, wusste vermutlich noch nicht so
klar, dass sein Gott sich selber opfern wird, um ihm seine Sünden zu vergeben:
Jene Sünden die ihm bewusst sind und jene die ihm nicht bewusst sind. Ich denke aber, der
Heilige Geist schenkte ihm doch einzelne Hinweise darauf. Man lese hierzu nur
seine Psalmen.
Im Willow
Magazin 2/13 wird ein Interview mit einem presbyterianischen Prediger, also
einem reformierten Pastor, von der Menlo Park Presbyterian Church in Kalifornien
abgedruckt: Herr John Ortberg. Unter anderem deutet er auch auf seine Sündhaftigkeit
beim Predigen hin, wenn er sagt:
„Wenn ich
predige, habe ich immer ein Vielzahl von Wünschen. Ich möchte Gottes Wort
verkündigen, aber natürlich möchte ich auch bei meinen Zuhörern Eindruck
machen, damit ich nach der Predigt ein gutes Gefühl habe. Es ist also eine
Mischung aus Egoismus gepaart mit dem Wunsch, Gott zu dienen. Diese Mischung
wird uns ein Leben lang begleiten.“
Dieser Pastor
hat eine sehr gesunde Haltung. Man stelle sich vor, er würde dem selbstverliebten
Wahn verfallen, er handle immer unegoistisch. Er sei durch die Gnade Gottes
rein und handle nur noch heilig. Dies zeugt jenen unangenehmen Geruch der
religiösen Selbstgerechtigkeit, jenes „Frömmele“, wie man im Schweizerdeutschen
sagt. Damit möchte ich in keiner Art die Vergebung von Gott schmählern. Ganz
und gar nicht. In Christus haben wir alles. Ohne ihn haben wir nichts. Es ist
auch hier wieder, der „schon jetzt und noch nicht Aspekt“. In Christus sind wir Heilige. Als Männer und Frauen sind wir Priester Gottes, die einen
direkten Zugang zum Heiligtum haben, wo wir unsere Dankopfer und Fürbitteopfer
im Gebet bringen. Dennoch sind wir auch noch Sünder. Auch unsere Welt lebt in
dieser Zwischenzeit, wie es ein neueres Lied so schön sagt: Gottes Reich ist
mit dem ersten Kommen von Jesus angebrochen, in geistlicher Weise. Gleichzeitig
ist das Alte noch nicht vergangen. Immer noch sterben wir. Immer noch gibt es
Hass und Krieg. Aber in Christus ist dies alles überwunden.
Luther sagte
es so: Simul iustus et peccator! Auf Deutsch: Zugleich gerecht und Sünder!
John Ortberg
geht in seinem Interview vor allem auf unsere Emotionen ein. Obwohl die
Zeitschrift andeutet, dass es hier verschiedene Meinungen gibt, kann ich
Ortberg völlig zustimmen: Gott hat uns mit Emotionen geschaffen. Vor dem
Sündenfall waren sie gut. Seit dem Sündenfall besteht, wie für alles andere die
Gefahr, dass sie pervertiert werden. Die Perversion dieser Emotionen lässt viele
Christen vor ihr zurückschrecken. Dabei bedeutet der lateinische Begriff motio
Bewegung. Dies bedeutet, dass uns Emotionen in Bewegung setzten. Denn Emotionen
sind eine Art Sehnsucht. Am Schluss
bringt er ein Bild dazu aus dem Buch „Die Grosse Scheidung“ von C.S. Lewis (Das
Buch habe ich auf diesem Blog ebenfalls kurz beschrieben). Ich zierte hierzu
Ortberg:
„Die Frage,
die ihm so zu schaffen macht, lautet also: „‘Werde ich diese verzerrte
Sehnsucht aufgeben oder nicht?‘ Aus purer Verzweiflung und Ekel vor sich selbst
sagt er schliesslich: „Also gut, töte sie!“ Der Engel tut es, die
gespensterhafte Person und die Eidechse stürzen zu Boden (= Eidechse Symbol der
Sehnsüchte, die die Person verführt haben). Es scheint alles zu ende. Aber dann
wird der Mann zum Leben erweckt, und die Eidechse wird nicht nur ebenfalls
wieder lebendig, sondern in einen wunderschönen Hengst verwandelt. Der Mann
schwingt sich auf den Hengst und beide reiten ins Leben hinein.
Die Moral von
der Geschichte: Für die Sehnsucht ist der Himmel verschlossen. Wird sie aber
Gott ganz hingelegt und durch Busse zerbrochen, wird etwas so wunderbares und
Erhabenes daraus, wie wir es uns heute kaum vorstellen können.“ (Soweit John
Ortberg, Pastor der Menlo Park Presbyterian Church in Kalifornien. Am 6. – 8.2.2014
wird er in Leipzig am Leitungskongress sprechen.)
Dieser Zerrbruch
erinnert mich an folgende Aussage von John Bunyan:
„Bevor wir
versucht werden, glauben auch wir, dass wir über das Wasser laufen können, doch
wenn der Wind anfängt zu wehen, dann merken wir, dass wir sinken …Doch sollte
es uns nicht zum Guten dienen? Ohne das Wirken der Hand Gottes in unserem Leben
können wir nicht leben. Wir würden mit Fleisch überwuchert sein, wenn wir nicht
durch manche Winter gehen müssten.“ (Zitiert von John Piper in seinem Büchlein
: Standhaft im Leiden, Seite 20).
Dieses Buch
ist übrigens sehr zum Lesen zu empfehlen. Ich habe erst Ausschnitte davon
gelesen, ebenso meine Frau. Aber sie hat schon eine ganz neue Sicht zum Thema
Leid dadurch erhalten.
Zum Abschluss
noch Frage 6 aus dem Heidelberger Katechismus (Diese könnte in diesem
Zusammenhang auftauchen. In Klammern sind der biblische Bezug zur Antwort gegeben.):
Hat denn Gott
den Menschen so böse und verkehrt erschaffen?
Nein. (1. Mose
1,31)
Gott hat den Menschen
gut
und nach
seinem Ebenbild erschaffen,
das bedeutet: (1.
Mose 1,26.27)
wahrhaft
gerecht und heilig,
damit er
Gott, seinen Schöpfer,
recht
erkenne,
von Herzen
liebe (2. Kor, 3,18)
und in ewiger
Seligkeit mit ihm lebe, (Kol 3,10)
ihn zu loben
und zu preisen. (Eph 4,24)
Die nächste
Frage behandelt die Frage, warum dieser Zustand nicht mehr so ist.
Wenn wir Gott
darum bitten, wird er uns den Heiligen Geist schenken, der uns das richtig
erklärt. Dann werden wir die Zusammenhänge in der Bibel richtig verstehen.
Johannes Calvin schreibt zu Beginn seiner Institutio dass die Selbsterkenntnis
und die Gotteserkenntnis sich gegenseitig fördern. Er weiss nicht, was zuerst
ist. Aber die Gotteserkenntnis macht uns Gottes Heiligkeit bewusst. Je mehr wie
diese Erkennen, werden wir über unsere Mankos bewusst: Selbsterkenntnis. Diese
Selbsterkenntnis macht uns bewusst, wieviel grösser noch die Barmherzigkeit und
Liebe Gottes zu uns sein muss, dass er uns so grundlos liebt: Das ist wieder
Gotteserkenntnis.
Dies fördert
unsere liebevolle Beziehung zu Gott. Darum kann Calvin in Insitutio I,5,3
sagen:
„Und es wird
sich niemand Gott aus freien Stücken und willig in Gehorsam unterwerfen, der
nicht seine väterliche Liebe geschmeckt hat und dadurch gereizt wurde, ihn zu
lieben und ihm zu dienen.“
Jesus
Christus sagte es so:
„Denn so sehr
hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder,
der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern Ewiges Leben hat.“ (Johannes
3,16)
Anhang 1:
Ich war ganz
erstaunt, dass alleine die Selbsterkenntnis noch nicht zum Heil führt. Judas zum
Beispiel wurde nach seinem Verrat an Jesus, sehr bewusst, was er falsch getan
hatte. Er selber konnte damit nicht fertig werden. Daher erhängte er sich. Das bedeutet,
die Selbsterkenntnis kann uns tief herabziehen. Darum weichen wir ihr für
gewöhnlich auch aus. Es ist eine Art Selbstschutz. Wir suchen andere Gründe, um
uns zu entschuldigen. Eine Taktik ist es, die eigene Verantwortung auf andere
abzuwälzen. Dies geschieht nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen,
sondern auch in der hohen Politik. Es gibt Länder, die verbieten über die
Verbrechen ihrer Vergangenheit öffentlich zu diskutieren. Die vergangene DDR
behauptete, dass sie nichts mit den Nazi-Verbrechen zu tun gehabt hätten,
während die BRD Verantwortung übernahm. Ich bin überzeugt, dass konnte die BRD
nur, weil wieder christliche Werte sie dazu befähigten: Sündenerkenntnis UND
Vergebung.
Ein berühmter
Deutscher sagte es so:
„Mir ist es
bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den
Forderungen Gottes zu genügen.
Wenn ich
nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte
Zurückbleiben vergebe,
so ist’s aus
mit mir.
Ich muss verzweifeln.
Aber das lass
ich bleiben. Wie Judas an den Baum mich hängen, das tu ich nicht.
Ich hänge
mich an den Hals oder Fuss Christi wie die Sünderin.
Ob ich auch
noch schlechter bin als diese,
ich halte meinen
Herrn fest.
Dann spricht
er zum Vater:
Dies
Anhängsel muss auch durch.
Es hat zwar
nichts gehalten und alle diene Gebote übertreten,
Vater,
aber er hängt
sich an mich.
Was will’s.
Ich starb auch für ihn. Lass ihn durchschlüpfen.
Das soll mein
Glaube sein!*
Martin Luther
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen