Samstag, 11. Mai 2013

Buchbesprechung "Bibelauslegung praktisch"



Bibelauslegung praktisch
In zehn Schritten den Text verstehen
Von Helge Stadelmann und Thomas Richter
SCM R. Brockhaus
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Die Autoren gehen systematisch und mit einer klaren Struktur ans Werk. Sie beschreiben ihre Methode, die 10-Schritt- Methode, als biblisch-historische Methode. Ihr Ziel ist es, zuerst den ursprünglich von Gott intendierte Bedeutung in der betreffenden Texteinheit in ihrem biblischen Zusammenhang zu erkenne und zu erklären, bevor sie den Text ins Heute reden lassen (Seite 15). Dabei zeigen sie einen Weg auf, ohne unbedingt die Ursprache Griechisch (für das Neue Testament) und Hebräisch sowie Aramäisch (für das Alte Testament) können zu müssen.
Bekanntlich sind Texte von denen man lernen möchte, herausfordernd. Sind sie nicht herausfordernd mögen sie dem heutigen Zeitgeist der entsprechen, bieten aber auch kaum neue Einsichten. Da der Autor der Bibel einiges zu bieten hat, fordert die Bibel auch entsprechend heraus. Dieses Buch bietet nun eine vernünftige Methode an, viel aus diesem Test herauszuholen. Laut Seite 176-177 wird man nach entsprechender Uebung ca. sechs Stunden mit der 10-Schritte-Methode benötigen, um einen Text gründlich auslegen zu können. Auf Seite 178 – 179 empfehlen sie zu jedem Schritt entsprechende Fachliteratur. Zum ersten Schritt gehört zum Beispiel verschiedene deutsche Uebersetzung, mindestens zwei mit einer wortgetreuen Uebersetzung und einer weiteren mit eher übertragenen Uebersetzung. Zudem empfehlen sie als „eiserne Literaturration“ zum ersten Schritt eine Studibenbibel, wie jene von John MacArthur oder die Genfer Studienbibel oder die Scofield Bibel, da diese in Kürze einen groben Ueberblick bieten. Es folgen dann weitere Buchempfehlungen für die weiteren neun Schritte.
Wer jetzt denkt, dass diese Buchstaben den Geist töten, wird auf Seite 20 gut abgeholt. Sie erklären eindrücklich, dass „der Heilige Geist, der den Wortlaut der Bibel eingegeben hat, gar nicht in Gegensatz dazu treten“ kann! „Der Geist ersetzt auch nicht den Verstand, sondern erneuert ihn und gebraucht ihn (Röm 12,2; 1Kor 14,19ff). Der geistliche Ausleger soll nicht den Vollzug geordneten Denkens aufgeben, wohl aber sein Denken unter den Gehorsam Christi bringen (2Kor 10,5)!“ Sie zitieren dann Gerhard Maier, der ein Beispiel methodischer Arbeit im Neuen Testament selber beschreibt.
„Die Methode soll auf den Geist eingestellt sein und kann als solche vom Geist gebraucht werden. (Man muss sich allerdings im Klaren darüber sein, dass die Erkenntnisse des „inspirierten“ Auslegers nicht mit den inspirierten Bibeltexten auf einer Stufe stehen.)“ (Seite 21)
Sie bemerken auf Seite 22 die wichtige Tatsache, dass der natürliche (psychische/seelische) Mensch ohne den Heiligen Geist die Bibel nicht wirklich verstehen kann (s. 1Kor 2,14). Trotz historisch-grammatischen Verstehens ist es möglich, dass man in existenzieller Distanz bleibt oder aber man kann den Text nicht vollumfassen „erkennen“. Hier verweisen sie auf den hebräischen Erkenntnisbegriff (S. 22): „yada“ bedeutet im Gegensatz zum griechischen Erkennen ein Verstehen, dass sich auf das Erkannte einlässt. Also ein Leben in der Erkenntnis. Daher kann das Bibellesen und das Auslegen der Bibel (Exegese) sowie die Hermeneutik, d.h. die Theorie der Auslegung und Anwendung der Bibel in seinem tiefsten Sinn nur dann geschehen, wenn der Heilige Geist uns leitet. Darum fragen sie auf Seite 24:
„Darf die Bibel uns sagen, was sie sagen will?“
Beten und Lesen, beten und hören gehören also zusammen. Dieses bewusste Stellen unter den biblischen Text, wird uns bereichern, weil wir Dinge lernen können, die wir aus uns selber nie lernen könnten. Im Idealfall werden wir von der Bibel, d.h. vom Heiligen Geist gelesen, während wir die Bibel lesen.
Die Autoren verhehlen nicht, dass ihre Methode viel Zeit braucht. Die erwähnten sechs Stunden sind eigentlich dabei nur ein Teil der Auslegung, weil man eigentlich mit dem Bibletext „Schwanger gehen“ sollte. Ein Ausdruck den die Autoren nicht gebrauchen, aber die Sache gut trifft. Von Jonathan Edwards wird gesagt, dass er im Tag 13 Stunden gebetet habe. Dazu gehörten Ausflüge mit seinem Pferd in die Natur, wo er diese bewunderte und Ruhe fand. Seine Gedanken schrieb er nieder und heftete sie zu Büchern zusammen. Einige wenige Male schrieb er neben geistlichen Themen auch naturwissenschaftliche Arbeiten. Während diesen 13 Stunden hatte er auch Zeit für seine Seelsorgetätigkeit usw. Das alles machte er als puritanischer Prediger in den englischen Kolonien von Nordamerika, während man von ihm eigentlich auch noch bessere Bauernarbeit verlangt hätte, was er aber weniger tat, da er mehr ein Denker war. Er hatte auch eine Frau mit mehreren Kindern und da war noch die grosse Erweckung. Er war einer der wichtigen Gestalten, neben George Withfield. Noch heute sagt man von ihm, dass er einer der wichtigsten Denker seiner Zeit war. Einige hätten es gerne gesehen, dass er weniger Calvinistisch gewesen wäre. Aber diese vergessen, dass dies die Grundlage seiner Weltanschauung war. Auf diesem Fundament lebte und dachte er. Seine Predigten waren sicherlich tief durchdacht, weil er sich Zeit zum Denken nehmen konnte. Dabei hatte er von Gott nicht die Begabung erhalten, so genial wie George Whitefield zu predigen. Dafür war er der besonnene Prediger. Und solche Prediger sind immer sehr wichtig: Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist (= der Bibel), nüchtern und offen für Gottes Handeln. Dabei durfte und musste er seinen Verstand verwenden. Dieses Buch scheint mir eines der möglichen Methoden zu sein, um wie einst Jonathan Edwards unter Gebet die Bibel zu lesen und auszulegen. Das braucht Zeit. Das braucht Verstand. Das braucht die Bereitschaft, sich korrigieren zu lassen (also Demut). Und es braucht Ruhe und Gebet, denn aus der Stille wächst unsere Stärke.
Zurück zum Buch: die 10-Schritte-Methode wird auf Seite 30 in drei Phasen aufgeteilt. Die erste Phase besteht vorallem im Lesen des Textes. Wenn es nicht möglich ist im Urtext zu lesen, so sollten verschiedene Bibelübersetzungen herangezogen werden. Gute Uebersetzungen betonen oft verschiedene Aspekte aus dem Urtext. In dieser Phase versucht man zu merken, um was es geht. Der Schatzplan wird vorläufig ersichtlich. Stolpersteine und Hindernisse werden markiert.
In der zweiten Phase bereitet man die Bergung des Schatzes vor. Räumt Stolpersteine weg, was für die Persönliche geistige Entwicklung und der Dienst an anderen sehr wichtig ist. Prediger, die schwierige Bibelstellen einfach umgehen, sagen oft nur das, was jeder Bibelleser bereits schon weiss. Hier gehören literarische, geschichtlich-kulturelle und geographische Betrachtungen hin. Auch die Suche nach parallelen Texten und die Harmonisierung der Texteinheit im Schriftkontext. Dies wird führt dann über verschiedene Methoden zur Entfaltung der Struktur der Texteinheit, eine gesamtbiblisch-theologische  und systematisch-theologische Betrachtung.
Die dritte Phase ist dann zu „sagen, wo es hingeht“. Man fasst zusammen, was der Wert des Schatzes ist und benennt es klar. Nun kann man diesen Schatz auch verteilen, zum Beispiel indem man die Anwendung des Wortes Gottes vorbereitet. „Dieser Ausblick bildet die Nahtstelle und Grundlage für die „Wirklichkeitsexegese“ der gegenwärtigen Situation, die bei der Vorbereitung einer Predigt, Bibelarbeit oder Andacht hilft, das Zielgebiet für die Anwendung präzise in den Blick zu nehmen.“ (S. 30+31).
Interessant ist sicher auch ein Aspekt des 10. Schrittes, „die Testeinheit vor dem Hintergrund der fortschreitenden Offenbarung einzuordnen.“ Ich erlebe gerade in letzter Zeit, wie bereichernd es ist, zu merken, wie Gott im Laufe der Zeit immer mehr von seinem Plan mit der Menschheit offenbart. Anfänglich offenbarte Gott Adam und Eva nur, dass ein Sohn von Eva der Schlange den Kopf zertreten wird. Verfolgt man den Heilsplan Gottes in der Bibel, wird man durch verschiedene Zeitalter geführt, die unterschiedliche Welten beschreiben in denen Gott sich immer deutlicher zeigt, bis hin, als er sich in Jesus Christus offenbart. In Jesus hat er alles erfüllt. Nun leben wir im schon jetzt aber leider auch im noch nicht. Das erklärt die Spannung zwischen unserer Heiligkeit, wenn wir wiedergeboren sind (= schon jetzt Aspekt) und dem noch nicht Aspekt, wir können immer noch, jederzeit unseren alten Menschen ausleben. Dies gilt auch für die Welt: Jesus herrscht, wir sind Priester und Priesterinnen, die direkten Zugang zum Tempel haben. Ja die Gemeinde, sogar unser Körper ist der Tempel Gottes, wenn wir die Dreieinigkeit in uns wohnen lassen. Gleichzeitig ist das Alte aber noch nicht vergangen: Tod, Leid, Ungerechtigkeit, Krankheit, Lug und Trug usw. sind immer noch da. Die Gemeinschaft der Christen sollte nach Gottes Plan eine liebevolle Gegenkultur zur Welt sein, die durch ihre Liebe von Jesus zeugt. Gleichzeitig sind wir aber immer auch noch die alten Haudegen, die Menschen in unserer Blindheit verletzen und nur aus Gnade errettet sind. Hier ist natürlich nicht die Lösung, Liebesleistung zu predigen, sondern die Christen aufzufordern zu Jesus zu gehen. Das Evangelium beruht ja nicht auf meiner Leistungsfähigkeit, sondern auf Gottes Leistungsfähigkeit. Das Evangelium ist kein Selbsterlösungswerk, wenn wir Menschen auch immer wieder versucht sind, uns selbst zu erlösen. Was aber nur zu unnötigen Tränen führt. Dies sind nur einige wenige Gedanken zu einem einzigen Punkt des 10. Schrittes. Und je nach Bibelstelle ist dieser nicht zu vergessen. Nun gehören noch weitere Aspekte zum 10. Schritt. Und da sind noch weitere 9 Schritte.
Ich finde, es lohnt sich dieses Buch zu lesen. Es öffnet sicherlich für viele Bibelleser und Bibelausleger wichtige Aspekte der Bibel.

André 11.5.13

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