Lukas und die
Apostelgeschichte (und Gedanken zu Indianer und Kavalleristen)
Gestern hatten wir einen wunderbaren Hauskreis.
Wir haben erlebt, wie die Gaben des einen durch die Gaben
des anderen ergänzt wurden. Es war für mich ein so schönes Erlebnis. Dafür
möchte ich meinem Gott danken:
„Vielen Dank Herr.“
Als wir nach einem Lied, Gebet und Austausch zum Thema
kamen, liess ich von Youtoub ein Ausschnitt zum Thema Lukas-Evangelium laufen (zu
finden unter dem Titel „Lukas: Ein Evangelist zum anfassen“.) Professor Hermann
Josef Venetz, Freiburg spricht, vermutlich in einem Obwaldner Dialekt mit Herrn
Rolf Maienfisch, Murten und der Moderation Rita Püro Spengler, Brugbühl über
das Lukas-Evangelium und Lukas. Um das Dialekt verstehen zu können, muss man
die Ohren etwas spitzen. Im Grossen und Ganzen ist es eine tolle Einleitung.
Ich bin begeistert, das Römisch-Katholische sich so intensiv mit dem
Markus-Evangelium befassen und nun das Lukas-Evangelium ebenso intensiv lesen. Dabei
kam mir der Gedanke, dass es dann ja nicht so schlimm ist, wenn wir Reformierten
uns in Nebensächlichkeiten verlieren und uns langsam auflösen. Im gleichen Moment,
wo ich dies schreibe, tut mir dieser Gedanke auch weh. Es wäre schön, es gäbe wieder diesen
Geist des Bibellesen auch bei uns Reformierten. Natürlich gibt es den
vereinzelt auch. Aber leider ist es eine Ausnahme. Zum Glück gibt es auch grosse Ausnahmen.
Aber es wäre schöner, das es keine Ausnahme, sondern die Regel wäre.
Dann würde
ich mir weniger Sorgen um unsere Zukunft machen.
Heue ist es ja so, dass in der Schweiz die Katholiken
öfters die Bibel lesen als wir Reformierten. Und ich bin nicht mal so sicher,
ob in jeder evangelischen Freikirche so intensiv die Bibel gelesen wird, wie in
diesen Gruppen zu denen dieser Youtoube-Beitrag gehört.
Nun, wir haben in unserem Hauskreis für die nächsten Donnerstag-Hauskreisabend das „Projekt“ gestartet, die Apostelgeschichte zu lesen. Hierzu habe ich gestern am ersten Abend dieser Reihe noch eine Power-Point-Präsentation über Lukas und die Apostelgeschichte gezeigt. Dabei ging ich auch ein wenig auf die meiner Meinung nach unnötigen Zweifel der Bibelkritik ein (Man zweifelt zum Beispiel erst seit dem 19. Jahrhundert die Verfasserschaft von Lukas an der Apostelgeschichte an. Aber dies scheint mir, mit anderen Theologen nicht sehr schlüssig.) Auf jedenfall ist dieser Lukas, eine interessante Person: Er war kein Jude, sondern ein Heide. (Seit der Zeit des Bundes Gottes mit Israel bezeichnet die Bibel alle Nichtjuden als Heiden. Das ist nicht generell abwertend, da es auch gottesfürchtige Heiden gab und gibt.) Er war Arzt und hoch gebildet.
Im Gegensatz zu Johannes, der mit nur 900 Worten das
Johannes-Evangelium schrieb, benützt Lukas eine detaillierte Sprache. Gerade
die ersten Verse sollen klassisches Griechisch darstellen. (Das ganze Neue
Testament ist in Koine Griechisch, des damaligen Umgangs-Griechisch. So wie wir
heute Schweizerdeutsch reden, redete man damals ich gesamten römischen Reich
Griechisch: Alles was mit Kultur, Handel und Leben zu tun hatte. Die offizielle
Sprache der Administration war damals das Latein der Römer. So wurde Latein wie
bei uns Schriftdeutsch verwendet: Für offizielle Papiere usw.
Lukas beginnt also mit eine klassischen Griechisch. Danach
wird er wieder einfacher. Da ist das Johannes-Evangelium ganz anders. Seine Genialität
ist mit einfachen Worten tiefe Wahrheiten weiterzugeben. Dabei kann sich
Johannes auch gerne wiederholen, um auf eine andere Art, nochmals das gleiche
zu sagen. Lukas geht da ganz anders vor. Er ist eher der Wissenschaftler, der
einen spannender und unterhaltender Bericht über die Geschehnisse geschrieben
hat, wobei er seine Gelehrsamkeit nicht verleugnet. Dabei ist er, um Professor
Hermann zu zitieren, nicht moralisierend, sondern spannend erzählend. Er geht
ins Details und wird doch nie zu lange, sondern schafft mit den detaillierten
Beschreibungen den Raum, wo wir das Geschehen miterleben. Die Apostelgeschichte
ist die interessante Fortsetzungsgeschichte des Lukas-Evangelium. Im ersten
Kapitel, dass wir ebenfalls gestern gelesen haben und dann später noch in einem
Film angesehen haben (s. „Apostel-Geschichte, die Bibel Live“ vom Hänssler DVD,
Bestel-Nr. 710.015), sieht man den auferstandenen Jesus, wie er sich von seine
Jüngern verabschiedet und in den Himmel auffährt. Und da stehen sie nun. Sie
können wohl noch kaum fassen, was da geschehen ist. Zwei Männer in weiss, es
werden wohl Engel gewesen sein, stehen plötzlich unter ihnen und sagen prägnant:
„Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr hier und seht zum
Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird
in der selben Weise wieder kommen, wie ihr ihn habt in den Himmel auffahren
sehen.“ (Apg 1,11)
Dieser Vers fasste am Abend jemand so zusammen: In einem
Vers, ja in einem Satzteil wird soviel gesagt. Und das erste Kapitel geht noch
weiter. Das Kennzeichen dieser ersten Gemeinschaft nach der Himmelfahrt Jesu war:
Gemeinschaft.
„Diese alle blieben beständig und einmütig im Gebet und
Flehen zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu und mit seinen
Brüdern.“ (Apg 1,14)
Möge uns Gott auch geschwisterliche Gemeinschaft geben.
Indem wir uns mit unsere Schwächen durch die Stärken der anderen ergänzen und
nicht nur an uns reiben. Diese erste Gemeinschaft musste warten. Sie beteten.
Ja, sie flehten. Vermutlich flehten sie, weil sie das alles, was um sie und mit
ihnen geschah noch nicht verstehen konnten. Sie hatten Orientierungsschwierigkeiten:
Wie weiter? Jesus war noch nicht da. Der Heilige Geist war noch nicht in seiner
ganzen Fülle ausgegossen. Da machten sie das einzig richtige: Sie warteten auf
Gottes Handeln (Gut, sie warteten nicht nur, sondern wählten noch einen
Ersatz-Apostel für Judas, den Verräter. Dies ist ebenfalls noch im ersten
Kapitel beschrieben. Die Frage besteht, ob das Sinn gemacht hat. Auf jedenfall
hört man von diesem neu gewählten
Matthias in der Bibel nichts mehr. Diese Wahl kann man als Beispiel nehmen, wie
man Leiter in einer Gemeinschaft, Gemeinde, Kirche wählt. Calvin benützt
jedenfalls dies in seiner Institutio, indem er die Meinung äussert, man sollte
im Idealfall durch die Gemeinde zwei Personen zur Auswahl auswählen, damit sie
auch eine Wahl haben. Bei Thimoty Keller, einem Pfarrer einer presbyterianischen
Kirche in New York, habe ich von einer genialen Umsetzung dieses Gedanken
gelesen, dass man durchaus übernehmen könnte: Jedes Gemeindemitglied kann über
Internet einen Diakon oder eine Diakonin vorschlagen. Jährlich werden dann
diese zur Wahl aufgestellt. Wie sie es mit den Aeltesten handhaben, habe ich
nicht gesehen. Aber ich war erstaunt, als ich neben einer beinahe unzähligen
Schar von Diakonen und Diakoninnen, sicherlich 50 Aelteste sah. Das muss eine
ganz besonders fähige Leiterschaft sein, dass sie sich unter so vielen einigen
können. Es wäre interessant, dass genauer zu betrachten (s. unter www.redeemer.com. Gerade eben fand ich diese
Internet-Seiten nicht mehr. Vermutlich haben sie ihre Homepage wieder anders
gestaltet. Diese reformierte Kirche ist so etwa von dynamisch, da wäre es
schön, wir würden etwas von ihr lernen. Uebrigens auch von der anglikanischen
Landeskirche und den Freikirchen in England, wo diese fruchtbar
zusammenarbeiten. Das führt auch dazu, dass die Anglikanische Kirche wieder
wächst und neue Gemeinden gründet. Auch wenn in der Schweiz die Idee herrscht,
dass Landes- und Freikirche irgend einen Qualitätsunterschied mache, bin ich da
ganz anderer Meinung: Es kommt darauf an, wie man diese Kirchenformen füllt. Es
ist nur ein Unterschied in der Form. Zudem erhalten Landeskirchen staatliche
Subventionen in Form von Steuergeldern. In den USA gibt es diese Unterscheidung
nicht. Dort sind eigentlich alles Freikirchen. Dort wählt man sich eine Kirche
aus, die einem gefällt, wobei konfessionelle Unterschiede weniger wichtig sind,
als bei uns. Das liegt vermutlich auch an der Art der Amerikaner, lösungsorientiert
zu sein, während wir Europäer eher komplexer Denken, vielleicht sogar uns eher in
weniger wichtigen Details verlieren, während wir das Wesentliche vor lauter
weniger Wesentlichem nicht sehen. Vielleicht haben wir darum manchmal den
Eindruck, die Amerikaner seien etwas ignorant, weil sie sich gar nicht gewohnt
sind, so kompliziert wie wir zu denken. Ich selber halte viel von Geschichte
und Geschichtsbewusstsein. Gerade in der evangelikalen Szene in der Schweiz habe
ich manchmal den Eindruck, dass man alles neu erfinden möchte, anstelle, dass
man aus der Geschichte profitieren würde. Seit 2000 Jahren versucht man Kirche
zu leben und manches falsch und manches richtig gemacht. Würde man aus der
Geschichte schöpfen, könnte man wie bei einem Budget für ein Geschäft, bereits
im Voraus abschätzen, was zu was führen wird. Man darf allerdings die
Geschichte nicht ideologisch seinem Wunschdenken anbiegen…
Wer Freude am Neuen Lernen hat, wird wohl weniger in diese
Falle tappen. Ich denke auch, dass in der Schweiz, obwohl wir Mitten in Eurpa
sind, eine sehr grosse Vielfallt herrscht. Diese Vielfallt erklärt wohl auch
die hohe Innovation. Zugleich werden wir aber auch von Europa nicht so gut
verstanden. Alleine die letzte Volksabstimmung zeigte dies. Oder wenn ein
deutscher Politiker, der vor nicht so langer Zeit in der BRD Kanzler werden wollte, zu unseren
Bundesräten (Das ist unsere Bundesregierung. In Frankreich und USA wäre das vielleicht mit dem
Präsidenten zu vergleichen.), als Indianer bezeichnet und er die Kavallerie
senden will, um "Ordnung" zu schaffen, sagt dies genügend aus.
Ich muss sagen, ich habe eben ein Buch über Chief Josef, einem Indianerhäuptling, gelesen. Wickipedia nennt ihn eine Art indianischer Napoleon. Dieser Indianer war kein Dikdator, sondern ein gewählter Leiter, der die wichtigen Entscheidungen in einem Concil vorlegte und wo dann die eigentliche Entscheidung gefällt wurde. Chief Josef, der jüngere und seine Fähigkeit als Stratege war so genial, dass sie an Napoleon erinnerte. Wenn wir mit solchen Indianern verglichen werden, ist das eigentlich keine Beleidung. Da hat der deutsche SPD-Politiker wohl die direkte Demokratie richtig verstanden und seine eigene Ablehnung dageben geäussert? Man müsste ihn fragen. Auf jedenfall fände ich es genial, so frei wie ein Indianer leben zu können. Frei seine Meinung äussern zu können und am politischen Werdegang aktiv mitzuwirken. Nicht nur die Regierung zu wählen, sondern auch an den Entscheiden mit meiner Stimme teilzunehmen. Dazu gehört auch, dass der Häuptling oder die Leiter sich nach dem Volksentscheid richten. Unser
letzter General Guisan in der Schweiz wurde ebenfalls gewählt. Nachdem der
2. Weltkrieg vorbei war, trat der General zurück in die Reihe. Er war wieder
ein „normaler“ Bürger und benutzte dabei genau die gleichen Worte, wie sie in diesem Buch für die Häuptlinge der
Nez-Percé benutzt werden, wenn sie abgewählt wurden oder ihr Auftrag erfüllt war.
Vielleicht sind wir Schweizer ein wenig wie Indianer? In diesem Sinne bin ich
das auch gerne. Ich denke es ist auch eine gesunde Regierungsform, die direkte
Demokratie, wenn man sich an den guten Massstäben Gottes ausrichtet. Ansonsten
besteht die Gefahr, dass ein Mehrheitsdiktat entsteht. Zu einer gesunden
Demokratie gehört immer auch eine Achtung vor der Meinung eines anderen. Wenn
die andere Meinung, die man ablehnt, nicht mehr mit Argumenten angegangen wird,
sondern einfach mit der moralischen Keule, dann wird es gefährlich.
Meinungsdiktatur und politische Diktatur folgen sehr rasch. In Sache Demokratie hat die
Schweiz eine lange Tradition. Darum können sich wohl auch so viele unterschiedliche
Nationen in der Schweiz niederlassen: Ca. 25%, d.h. jeder vierte ist hier ein
Ausländer. Viele der Zugezogene liessen sich auch einbürgern. Andere sind hier
geboren und liessen sich nicht einbürgern. Die Schweiz fühlt sich eigentlich nicht als Einwanderungsland und doch ist sie eines. Als ich noch zur Schule ging, gab es
ca. 6 Mio. Einwohner in der Schweiz, nun sind es 8 Mio. - und das bei einer kleinen Geburtenrate.
Ein deutscher Manager, der eine grosse schweizer Unternehmung
leitet, stellte einmal erstaunt fest, dass in der Schweiz der Kompromiss ein
eigener Wert darstellt. Aber wie anders hätte ein Land mit 26 Kantonen (=
Staaten), mit zwei grossen Konfessionen, vier Landessprachen, unterschiedlichem
Geschichtsverständnis zusammenleben können? Gerade die reformierte Theologie schütze
– auch die Römisch-Katholischen Gegenden – vor dem Hierarchiegedanken der
Neuzeit in lateinisch geprägten Länder. So konnte das alte, mittelalterliche
Genossenschaftswesen, in der Schweiz sehr gut überleben. Neben den zahllosen
kleinen Genossenschaften gehören auch grosse Firmen wie die Migros und der Coop
zu den Genossenschaften. Und die Schweiz selber bezeichnet sich als
schweizerische Eid-Genossenschaft. Auch in diesem Sinne ähneln wir also den
Indianern. Nur haben wir im Gegensatz zu den Indianer hin und wieder auch Talsperren
gebaut und unsere Grenzen verriegelt. Allerdings wollten wir immer Handel
treiben, weil wir mit unserem rohstoffarmen Land ja gar nicht anders überleben
können. Und es gab immer ein Austausch über verschiedene Kulturen hinweg, in und ausserhalb der Schweiz. Und eigentlich wirken wir ja normalerweise auch sehr entgegenkommend.
Das liegt sicherlich an unserer Kompromissbereitschaft und auch an unserem
Willen, uns an eine andere Kultur anzupassen. Denn es herrscht ja bei uns das
Prinzip, dass die Kultur am Ort nicht verletzt wird. D.h. ich als Reformierter
werde in einer katholischen Ortschaft nicht an einem für sie heiligen Tag
öffentlich arbeiten. Ich nehme Rücksicht auf ihre Gefühle. Oder wenn ich im Tessin bin, der mediterranen Schweiz, verstehe ich, dass es den Tessiner nicht so gefällt, dass soviel schweizerdeutsche Dialekte gesprochen werden, anstelle ihrem Italienisch usw. Ich verstehe ein wenig ihren Unmut. Dieses Verständnis ist wichitg und ist vielleicht in grösseren Ländern oder Kulturen, die sich besser fühlen, weniger verbreitet?
Aber sicherlich können wir dann auch eher wieder eigenwillig wirken. Vorallem für Menschen, die gerne ihren Willen durchzwingen, anstelle gemeinsam den Weg zu beschreiten.
Vielleicht ist es sogar dieser Kontrast: Nachgiebig und dann auf einmal nicht mehr nachgiebig, das verwirrt. Wir
haben weniger stark wie hierarchische Länder gelernt, dass der Mächtige immer Recht hat.
(Das wäre auch nicht biblisch.) Wir müssen nicht erst Politiker fragen, was sie denken, um zu wissen was wir denken. Und dennoch ordnen wir uns stark ein, d.h. wir haben auch ein Gruppenverhalten. Und dann doch wieder ein grosses Streben nach Individualität. Ich kann es selber nicht richtig fassen. Und sicherlich gibt es hier starke
Unterschiede von Mensch zu Mensch.
Leider nahm das jüdisch-christliche Element in unserer
Gesellschaft ab. Mögen wir während der Reformationszeit einen starken Gegensatz
zwischen reformiert und katholisch gehabt haben und im 19. Jahrhundert einen
starken Gegensatz zwischen Radikalliberalen und Konservativen, so waren doch
wichtige Elemente dieser jüdisch-christlichen Kultur selbst dem radikalsten
Liberalen noch wichtig, wenn er auch zum Materialismus neigte… Wer gar General Dufour von jener Zeit studiert, findet einen sehr besonnen Mann, der das Trennende verbindet. Ja sogar im Krieg gegen den römisch-katholischen Sonderbond, dem letzten Bürgerkrieg in der Schweiz, gibt er Befehl, für die Artellerie keine zu zerstörrerische Muniton zu verwenden. Schliesslich kämpft man gegen Brüder und er möchte so wenig wie möglich Blut vergissen. Bei der Revolution in Genf hält er als Soldat den Rat der Stadt vor Gewalt zurück. Leider halten sich die Rebellen, die Radikal-Liberalen, nicht an diese Gewaltlosigkeit. Später wird der Dufour sogar von einem aufgebrachten Mopp in Genf zusammengeschlagen. Dabei verdankten sie ihm viel in dieser Auseinandersetzung.Später wird Dufour Mitbegründer des roten Kreuzes.
Wäre die Schweiz nur katholisch, so wäre Niklaus von der Flüh der Nationalheilige. Ich selber, als Reformierter, bin von ihm beeindruckt. Als Hauptmann (wenn man will als Häuptling) im Krieg betet er auch für seine Feinde. Enttäuscht über die Realität der christlichen Gesellschaft wird er ein Einsiedler und legt alle Macht als angesehener Bauer, Richter und freier Bürger seines Standes (Kantons) nieder und lebt von Nichts in einer Hüte in den Bergen. Von hier beeinflusst er aber das Weltgeschehen, durch Gebet und Seelsorge. Aus ganz Europa pilgern Menschen zu ihm. Unter anderem verhindert er in der Schweiz einen Bürgerkrieg zwischen Land- und Stadtkantone.
Diese zwei Personen verkörpern ein wenig jene Schweiz, die auch etwas ironisch im Asterix-Band "Die Helvetier" erzählt wird. Da werden die Römer zusammengeschlagen, um sie dann wieder zu verarzten. Dies ist auf lustige Weise eine Darstellung einer christlichen Haltung: Wir sind Sünder und verletzen uns und den Nächsten. Aber Gott vergibt und nach Auseinandersetzungen versöhnt man sich wieder, indem man auch die Blessuren der Feinde heilt. Was kann mehr von einer gefallenen Welt mehr erwarten?
Nun schwinden
diese jüdisch-chrisliche Wete und ich hoffe, dass dies nicht zu mehr Eigennutz führen wird und so unser
Land gefährdet. Denn die Schweiz kann nicht ohne vernünftiger Kompromiss und
Verständnis für den Andersdenkenden überleben. Sie würde sich in Stücke
zerreissen – und zwar in tausend kleine Stücke. Meine Hoffnung ist, dass die neue
heidnische Gesellschaft nicht alle jüdisch-christlichen Wert über Bord wirft.
Denn es gibt auch ethnisch sehr hochstehende heidnische Gesellschaften. Bereits
Zwingli, der Reformator von Zürich, nahm vor 500 Jahren an einer edlen heidnisches
Gesellschaft ein Beispiel, indem er uns (damals noch christlichen) Eidgenossen
mahnte, wir sollen uns als Christen ein Beispiel an jenen Heiden nehmen, die
uneigennützig handeln. Hoffen wir, dass diese Haltung trotz schwindendem
Christentum herübergerettet werden kann.
Dazu gehört auch, dass wir unterschiedliche Meinungen mit
Argumenten abwägen. Dass wir versuchen den anderen zu verstehen. Sobald wir
aber eine andere Meinung nicht mehr mit Argumenten angehen, sondern einfach als
unmoralisch disqualifizieren, wird es gefährlich. Denn wir brauchen keinen
religiösen Fanatismus, um fanatisch zu werden. Das geht auch in einer Ideologie.
Und ich fürchte, dass unsere westliche Gesellschaft sich dieser Gefahr öffnet. Zudem
gilt der Grundsatz, dass man die Fehler anderer viel besser erkennt, als die
eigenen Gefahren. Das macht es so schwer. Es hilft aber, wenn wir uns dessen
bewusst werden.
Uebrigends schlussendlich wurden die Nez-Percé von einem
Offizier besiegt. Gerade dieser Offizier, der später General wurde, liess mehrmals Chief Josef bei ihm
übernachten und unterstützte ihn, damit er mit dem Präsidenten der USA und vor
dem Kongress reden konnte. Und dieser Indianer konnte gut reden. Er musste ja
auch schon vorher in seinem Volk mit Worte überzeugen können.
Auf diese Art wurde es ganz praktisch möglich, dass
unterschiedliche Welten miteinander reden konnten. Es kam in diesem Fall nicht
so gut für die Indianer heraus. Der Häuptling war enttäuscht, weil viel
geredet, aber wenig danach gehandelt wurde. Was mich aber besonders erstaunte,
war, dass eine Rede von Chief Josef in Washington sehr viel von den Idealen der USA beinhaltete!
Freiheit, Gleichheit, Rechtssicherheit. Ist das eine Ironie der Geschichte? Oder
kann es sein, wenn wir miteinander Reden, dass sich bei manchem anscheinenden
Widersacher dennoch sehr viele ähnliche, ja sogar gleiche Ziele finden? Wie
auch immer: Wenn wir lernen miteinander zu reden, dann kann es geschehen, dass
Indianer und Kavalleristen miteinander reden können. Und das
ist schon viel besser, als wenn man sich gegenseitig Tot schiesst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen