Mich beeindruckte
Berlin sehr.
Gestern kam ich von meinem ersten Besuch aus Berlin zurück.
Eine eindrückliche Stadt. Ich war erstaunt, wie persönlich die Berliner sind,
gar nicht so, wie man es von einer Grossstadt erwarten würde. Man erlebt
wirkliche Begegnungen und man wird als Mensch wahrgenommen. Zeitweise kann die
direkte Art erstaunen. Aber ihre frische und ehrliche Art gefiel mir sehr.
Obwohl unser Aufenthalt von einer Nebeldecke überhangen war, war es ein schöne
Zeit. Ich konnte viel sehen. Einige wenige Museen besuchen und zwei Kirchen
besuchen: die Gedächtnis-Kirche und der Berliner Dom.
Ist es Zufall, dass am Brandenburger-Tor nur eine heidnische Göttin thront? |
Vor dem Brandenburger-Tor, befindet sich der Pariser Platz.
Als wir da waren, demonstrierte gerade Amnasty International für Mexiko. Die Sprechchöre waren für mich etwas sehr emotional und der später redende
Mexikaner, mit seiner aufpeitschenden Art indem er überlaut einen (nicht
verständlichen) Slogan schrie, erschreckte mich eher, als er auf das berechtigte
Anliegen aufmerksam machte. Vielleicht war es auch das Bewusstsein, dass hier
an diesem Ort mit solcher Rhetorik einst etwas ganz anderes erreicht werden
wollte… Da las ich an einer grossen Wand mit Bildern von den Gräueln. Ganz
offen und ehrlich wurde beschrieben, was damals geschehen war. Zum Beispiel: Da
wurden einfach polnische Lehrer ins KZ gebracht, nur weil sie Polen waren. Zugleich
war es auch gut, nun zu sehen, dass gerade an einem solchen Ort, die Meinung
durch diese Demonstranten so geäussert werden konnten. Leider braucht es heute
dazu auch ein Aufgebot von Polizisten. Das ist schade. Allerdings war alles
friedlich und wir Touristen und die Demonstranten und die Geschichte und das
Brandenburger-Tor und die Lämpchen, gaben eine eindrückliche Stimmung. Vermutlich
war darum auch meine Frau so fasziniert und ich musste sie beinahe von diesem
Ort wegziehen, da wir noch anderes vor hatten – dabei war sie vor gar nicht so
langer Zeit noch müde…
Ueberhaupt bin ich erstaunt, wie gut die Deutschen ihre
Vergangenheit aufgearbeitet haben: Ich kann Herrn Primor sehr gut verstehen,
dass er am Sonntag, dem 16.11.14, am Volkstrauertag im Bundestag die Deutschen
dafür lobte: Es gibt wohl kein anderes Land, dass Denkmäler baut, um sich an
die Fehler der Vergangenheit zu erinnern.
Auch in der Gedächtniskirche Berlin ist dies so
eindrücklich. Eigentlich steht ja nur noch ein Turm mit dem ehemaligen Eingang
zur Kirche. Daneben hat man eine neue Kirche gebaut. Da fand ich ein Gebet,
dass folgendermassen schliesst:
„Den Hochmut – der uns verleitet auf uns selbst zu
vertrauen, nicht auf Gott,
vergib.“
Die einst herrliche Kirche ist nun „nur“ noch ein Mahnmal
für den menschlichen Hochmut: Wie schnell war doch Deutschland zu einer
Weltmacht geworden. Preussen erstand aus dem Nichts – noch Voltaire fragte
sich, wie es möglich war, dass ein Ressourcen armes Land so mächtig sein konnte.
Und es ging von der Zeit von Voltaire ja noch weiter hinauf. Der Berliner Dom
zeugt davon. (Ich war ehrlich gesagt schockiert, wie ein calvinistisch
geprägtes Haus wie die Hohenzollern ein solchen Prunk-Dom bauen konnten. Als
einst ein Fürst sich für den Calvinismus entschied, zwang er seine lutherischen
Untertanen nicht, ihm zu folgen. So war der Calvinismus in Berlin und Preussen
eine Minderheit in einer lutherischen Mehrheit. Das ging ca. 200 Jahr gut, dann
vereinigte man Lutheraner und Calvinisten in der Unierten Kirche. Doch die
äusserlichen Merkmale des Luthertum scheinen dabei überragt zu haben: Auf
jedenfall ist der Berliner Dom so prächtig, dass der Australier Christopher
Clark in seinem Buch „Preussen, Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947“ vom „überladenen,
neobarocken Grössenwahn des Berliner Doms“ sprach (1) Ich dachte mir, Du musst
Verständnis haben, diese für mich römisch-katholisch wirkende Kirche, spielt
mit Bildern und Figuren und erzählt etwas. Interessant war dabei ein Mann, der
den Berlinern erklärte, wie denn eine calvinistische Kirche aussieht: Ohne
Bilder, mit Wänden, die vielleicht einen Bibelspruch haben. Soweit weg war die
Bescheidenheit der Reformierten. Doch zugleich erzählen die Bilder auch vom
Werdegang des Paulus: u.a. wie er vom hohen Ross geholt wurde. Und zudem erhöht sich das Verständnis für Wilhelm II,
wenn man bedenkt, dass er nicht der einzige Herrscher war, der einen grossen
Sakralbau errichtet liess. Zudem hat sich Wilhelm II keine Statue in der Kirche
errichten lassen. Und der Lift für seine Frau war einfach zweckmässig. Und
obwohl ich eher calvinistisch Denke, kann ich im Berliner Dom auch eine Schönheit
sehen. Die Andacht, die jeweils um 18:00 Uhr stattfindet habe ich genossen. Das
Orgelspiel und das Singen dazu war sehr schön. Auch der geistliche Input der
Pfarrerin im schwarzen Talar war gut. Anhand der Wundertaten Gottes, die Gott mit
Paulus und Barnabas machte (s. Apostelgeschichte), wollten die Menschen sie als
Götter verehren. Paulus, der Redner wollen sie als Zeus erheben. Worauf die
zwei Christen ihre Kleider verrissen und darauf hinwiesen, dass sie doch genau
wie sie Menschen waren. Sie sollen Gott die Ehre geben und auf Gott vertrauen und ihm die Ehre geben. Die
geistliche Wahrheit hinter den Wundern erkennen und sie nicht Menschen
zuschreiben.
Noch vor dem 2. Weltkrieg konnte sich niemand vorstellen, zu
was für Gräuel das Deutsche Reich fähig war. Es war doch das Land von Luther
und Schiller, Goethe und Wissenschaft. Wie war es möglich, in so kurzer Zeit so
mächtig zu werden und so zu fallen? Das eben erwähnte Gebet sagt es in aller Kürze:
„Den Hochmut – der uns verleitet auf uns selbst zu
vertrauen, nicht auf Gott – vergib.“ Und damit ist es eine Warnung für uns alle
– nicht nur die Deutschen. Wenn das Deutsche Reich soweit sinken konnte, dann
können wir dies ebenso. Unsere Sündhaftigkeit braucht nur einen scheinbar
plausiblen Grund, um sie ausleben zu dürfen – und dann besteht die ernsthafte
Gefahr, dass wir es tun. In unserer Leere und unserer Liebesbedürftigkeit
steigern wir uns dann in einen Hochmut, der uns blind macht. Einmal den Schritt
getan, ist es sehr schwer, umzukehren. Denn dann muss man mit der erkannten
Schuld umgehen können. Daher verdrängt man lieber, als das man hinschaut.
Gerade darum ist Deutschland so erstaunlich: Sie schauen hin.
Warum können sie dies?
Es ist die Möglichkeit der Vergebung. Jesus Christus ist für
meine Schuld, wie auch für die Schuld eines ganzen Volkes gestorben. Was die
DDR nicht konnte, und darum sich nicht für das begangene Unrecht verantwortlich
fühlte, konnte die BRD. Die DDR musste verdrängen – und war damit von den
einstigen Taten gefangen. Damit war ihr Weg offen, ebenfalls Unrecht zu tun. Sie
waren ja geübt zu verdrängen und die Wunden mit Wunschvorstellungen und
Ideologie zu übertünchen. Es gibt heute auch andere Länder die dies tun… Es
gibt sogar Länder, das wird man bestraft, wenn man die Wahrheit sagt, weil man
nicht mit dem begangen Unrecht umgehen kann.
Zugleich ist es aber erstaunlich, dass auch in der DDR eine
friedliche Revolution möglich wurde. Was hätte da alles geschehen können? Da
muss man auch Gott danken und nicht einfach auf unsere Fähigkeiten vertrauen.
War nicht alleine dieses Interview mit dem neuen starken Mann der DDR ein
Wunder? Er wird nach dem eigentlichen Interview von
Journalisten gefragt und
nochmals gefragt, bis er verkündet, man könne sofort ausreisen. Völlig verrückt,
denn damit wurde der Druck der Ausreise so gross, dass Regierung der DDR
entmachtet wurde und sich am Schluss dieses Prozesses die DDR auflöste. Das ist
erstaunlich. Wie auch, dass Gott selber unsere Fehler am Kreuz übernommen hat
und uns aus reiner Gnade annimmt. Gott tut Wunder. Wir mögen in einer
gefallenen Welt mit vielen Problemen leben. Aber jeden Tag lässt Gott einen
neuen Tag entstehen und lässt auf Gute und Böse Regen fallen – und am Ende wird
er richten. Wir werden das erhalten, auf was wir vertraut haben. Darum lasst
uns nicht auf uns, auf mich oder auf einen Götzen vertrauen, sondern auf den
allmächtigen und liebevollen, wertschätzenden Gott, der auch morgen noch da ist, wenn alles andere vergangen sein wird!
Der DDR-Bürger befreite sich: Dank sei Gott! |
Anhang
(1) Seite 644: „Auch in der Architektur und den bildenden
Künsten war diese sich vergrössernde Kluft zu beobachten. Nehmen wir zum Beispiel
den Kontrast zwischen dem überladenen, neobarocken Grössenwahn des Berliner
Doms, der 1905 nach zehn Jahren Bauzeit vollendet wurde, und dem anmutigen,
asketischen Protomodernismus der neuen Architekten (unter anderen Alfred
Messel, Hans Poelzig und Peter Behrens). Ihre Arbeiten zwischen 1896 und 1912
entsprachen ihrer dezidierten Ablehnung des eklektischen ‚historischen Stils‘,
den das offizielle Preussen bevorzuge.“ Es gab also schon damals, auch anderes.
Zudem ist interessant, dass der Berliner Dom eigentlich für 20 Millionen
Goldmark geplant war. Kaiser Wilhelm II wurden aber nur 10 Millionen Goldmark
vom Parlament zugestanden. So legte Wilhelm 2 Millionen aus seinem privaten
Besitz dazu. Daher wurde nicht der ganze Innenraum so prächtig, wie bei die
Kanzel und das Gewölbe um den Abendmahl-Tisch (der da steht + lutherischer
Altar: eben uniert). Für uns war natürlich die etwas einfacheren Wände schöner,
als der Prunk, der einfach so viel ist, dass man es gar nicht alles fassen
kann.
Wir erinnern uns: Calvin betonte in Genf, dass alle Christen
gleich sind: Nur die Funktion ist unterschiedlich und das eigentlich die Gemeinde
den „Klerus“ wählt. (Die Gemeinde wählt die Pfarrer, die Diakone, den
Aeltstenrat usw. Der Aeltestenrat (Mehrheit nicht Geistliche) kontrolliert die
Angestellten und die Gemeindeglieder. Die Gemeindeversammlung kontrolliert den
Aeltestenrat und die Angestellten. Warum? Damit kein Machtmissbrauch geschieht.
Zugleich schauen alle auf Gott und fragen, was Recht ist. Dabei kommt dem
Prediger eine besonders wichtige Funktion zu: Er muss die Wahrheit predigen!
Zwingli sprach daher sogar von einem Pfarrer als Propheten, der unter Umständen
auch durch seine Predigt Schwierigkeiten in Kauf nehmen muss, wie einst die
Propheten.) Zugleich erklärte Calvin, dass es kulturelle Unterschiede gibt
Er meinte allerdings auch, dass das Gehabe schon bald
beendet wurde. Er dachte, das läge an der Aufklärung. Das wäre interessant, dem
genauer nachzugehen. Auch, ob die Hohenzollern im Verlauf ihres Machtzugangs
die reformierte Lehre vergassen – oder so modulierten, dass es zu ihrer
Machtausübung passte. Zudem müsste man auch den Einfluss des Pietismus
analysieren. Mindestens zwei Herrscher förderten diesen, wobei dann der Dritte
den Pietismus dann ablehnte. Vermutlich ist die Realität recht komplex. Auf
jedenfall, als Preussen in Deutschland aufging, ging alles sehr schnell. Es gab
nur 3 Kaiser, wobei diese Drei alle zugleich im Jahr 1888 an der Macht waren,
d.h. Wilhelm I starb 1888. Sein Sohn übernahm die Macht und starb im gleichen
Jahr, so dass Wilhelm II den Thron besteigen musste. Wäre mehr Zeit gewesen –
und hätte Wilhelm II nicht so stark seine Defizite kompensieren müssen, hätte
aus dem Deutschen Reich auch eine gut funktionierende Demokratie entstehen
können. Aber der gewaltige Erfolg, die Defizitkompensation von Wilhelm II, die
sich überschlagenden Ereignisse führten zum 1. Weltkrieg. Und danach wurde
nicht wie in der BRD eine gesunde Aufarbeitung vorgenommen, sondern die Not
brauchte Lösungen, die ein Demagoge mit einer sozialdarwinistischen Ideologie
zu beantworten schien. Dieser war übrigens gar kein Preusse, sondern ein
Oesterreicher!
Die BRD aber konnte an ihre christlichen Wurzeln andocken
und so die beschämende Vergangenheit aufarbeiten. Selbst im Berliner Dom steht:
„Setzet Eure Hoffnung
ganz auf die Gnade die Euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi.“
Christus ist auch für
das gestorben und ermöglicht so einen Neubeginn. Man muss nicht mehr verdrängen
und sich von der Vergangenheit gefangen nehmen lassen. Dies gilt für Deutschland, aber auch für jeden
einzelnen von uns.
PS 2: Calvin würde sich wohl im Grabe umdrehen: Er ist mit
Melanchton, Luther und Zwingli als Statue im Berliner Dom überhöht. Nicht, dass
er es nicht gut mit Melanchton gehabt hätte. Sie waren befreundet. Melanchton,
selber Theologe, nannte Calvin oft nur der „Theologe“, weil Calvin ein genialer
und prägnanter Theologe war. Nein, Calvin hätte sich daran gestört so verehrt
zu werden. Selbst für sein Grab wollte er keinen Grabstein und schon wenige
Monate nach seiner Beerdigung fanden auswärtige Besucher sein Grab nicht mehr.
Denn alleine Gott gehört die Ehre, und
nicht uns Menschen. Das macht uns frei und glücklich! Dies kann man nur
verstehen, wenn man die unverdiente Liebe Gottes erfahren hat. Und das wünsche
ich Ihnen. (Dieser Zustand ist natürlich hier erst eine vorübergehende und schwaches
Bewusstwerden, dass sich aber in Christus einst erfüllen wird. Und dieses noch
schwache Bewusstsein haben wir bitter nötig, damit wir unsere Unzulänglichkeit
annehmen können. Ob wir nun Kaiser sind – oder nicht. Das betrifft uns alle!
Was da einst Könige und Kaiser taten, hätten wir kaum an ihrer Stelle besser
gemacht. Denn unser Herz – also unsere Persönlichkeit – wird erst dann zur Ruhe
kommen, wenn es in Jesus Christus seine Bestimmung findet.)
(3) Eine Begründung für die Machtansammlung und die
militärisch Ausrichtung der Preussen findet sich sicherlich im 30-Jährigen
Krieg. Friedrich Wilhelm, der Grosse Kurfürst war in seiner Jugend in den Niederlanden,
wo er Kontakt zu Professoren der Universität leiden hatte. Es war ein Zentrum
des neostoisches Staatstheorie. „In den Lektionen wurden die Erhabenheit des
Gesetzes, die Ehrwürdigkeit des Staates als Garant der bestehenden Ordnung und
die zentrale Bedeutung von Pflicht und Verpflichtung für das Amt des
Souveräns betont. Besonderes Augenmerk
richteten die Neostoiker auf die Notwendigkeit, das Militär der Autorität und
Aufsicht des Staates unterzuordnen.“ (Seite 62 aus dem bereits zitieren Buch
von Herrn Christopher Clark, Preussen
Aufstieg und Niedergang 1600 – 1947). Im 30-Jährigen Krieg litt Brandenburg
schrecklich, da sie kein wirkliches Heer hatten. Und das später unter
Schwarzenberg erstellte Heer, war für die Bevölkerung selber eine Belastung und
konnte ähnlich schlimm wüten, wie die fremden Heere. Zur Errichtung eines
Heeres benötigte man Geld, dass eigentlich von den Ständen, von den örtlichen
Mächtigen einverlangt werden musste. Und hier gab es erheblichen Wiederstand, denn sie hatten kein Interesse anstelle eines Heeres unter ihrer Kontrolle für Probleme vor Ort ein stehendes
Herr unter Kontrolle des Kurfürsten errichten zu lassen. Warum sollte man auch Geld für entfernte Gebiete des Fürsten sammeln. War der Fürst nicht dafür da, für die Untertanen zu sorgen? Seine Machterweiterung, war seine Privatsache. Doch Friedrich
Willhelm setzte sich längerfristig durch. Dabei wurde zum Beispiel in Kleve von
einigen Wortführen eine Behandlung des Kurfürsten von Brandenburg wie mit dem
englischen König Charles I. in Aussicht gestellt (Seite 82 des Buches von
Christopher Clark). Im Klartext bedeutet dies, dass man den Kurfürsten mit der
Enthauptung drohte. Die Situation war nicht ganz unähnlich, denn auch im
englischen Parlament war man der Meinung, dass keine Steuern erhoben werden
konnte, ohne Beschluss des Parlaments. Indem aber in Brandenburg und Preussen
eines Generalkriegskommissars eingesetzt (1655)wurde, „Dabei übernahm es nach
und nach die Funktion der ständischen
Beamten, die traditionell die Aufsicht über Militärsteuern und –disziplin vor
Ort innehatten.“ (Seite 67 des genannten Buches). „Diese Synergieeffekte
zwischen Kriegsführung und dem Aufbau von zentralen Staatsorganen waren neu. Sie
konnten erst freigesetzt werden, als sich der militärische Apparat von seinen
traditionellen provinziell-aristokratischen wurzeln gelöst hatte. Dem Aufbau
eines solchen furchteinflössenden militärischen Instruments kam eine grosse
Bedeutung zu, denn die Jahrzehnte nach dem Dreissigjährigen Krieg waren im
Norden Europas eine Phase heftiger Konflikte.“ (Seite 67).
„Ein weiterer wichtiger Schritt war die Einführung der
Akzise, einer Verbrauchssteuer auf Güter und Dienstleistungen, die bereits Ende
der 1660er Jahre Schritt für Schritt in den Brandenburgischen Städten eingeführt
und später auf Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Preussen ausgedehnt wurde.“
(Seite 87)
Die Machtakkumulation des Kurfürsten wurde auch durch die
Thronbesteigung des Sohnes von Friedrich Wilhelm, dem Grossen Kurfürsten, König
Friedrich I, als König in Preussen sichtbar. Es war damals à la mode. Aus
Fürsten wurden Könige. Parlamente wurden zurückgestutzt oder aufgelöst. In
Frankreich pries sich Louis XIV als Sonnenkönig: Der Staat, das bin ich.
Allerdings ging es in Preussen nicht ganz so weit (wenn auch
Absolutistische Insignien zu sehen waren): Das Recht scheint trotz allem
angestrebt worden zu sein, wo auch der König zu unterstellen hatte. Wobei ich
nicht sicher bin, ob dies auch für den zweiten König in Preussen gilt, der mit
Jacob Paul von Gundlings sehr unehrenhaft umgegangen ist.
Was bei Friedrich Wilhelm, dem Grossen Kurfürsten aber
auffällt: Er arbeitete richtig. „Ich werde meine Verantwortung als Fürst in dem
Bewusstsein wahrnehmen, dass es sich um die Angelegenheiten des Volkes handelt,
nicht um meine eigenen.“ (Zitat von Friedrich, s. Seite 65). „Die ersten
Historiographen seiner Regierungszeit etablierten das Bild dieses Kurfürsten
als ein Muster der vollkommenen und uneingeschränkten Hingabe an das Amt. Sein
Vorbild wurde zu einer einflussreichen Ikone in der Tradition der Hohenzollern,
zur Messlatte, an der seine Nachfolger im Amt des Kurfürsten sich entweder
massen oder gemessen wurden.“ (Seite 65)
Aus diesem entwickelte sich wohl auch folgende Aussage von
Friedrich II (1712- 1786):
„Ich bin der erste Diener meines Staates.“
Das klingt schon etwas anderes, als „L’Etat, c’est moi!“
(Der Staat, dass bin ich!) (Louis XIV)
Allerdings sagt Friedrich der Grosse damit auch, dass es
sich um SEINEN Staat handelt und nicht unseren Staat… Aber immerhin sieht er
sich als Diener.
Wir erahnen darin schon, wie in Deutschland eine solch starke Hierarchiegläubigkeit sich entwickeln konnte. Dazu passt, dass in Deutschland es die Fürsten waren, die die vorherrschende Religion bestimmten, aber dann auch schützten. Dazu gehörte vorallem das Luthertum und die römisch-katholische Kirche. Daneben gab es Ausnahmen, wie die Hohenzollern. Gleichzeitig waren die Reformierten oft auf sich selber angewiesen. Aber auch schon Calvin kam immer wieder mal in Streit mit der vorherrschenden Mächtigen in Genf. Einmal vertrieben sie sogar Calvin und holten ihn später wieder zurück. Dadurch entwickelten sich reformiert geprägte Länder weniger hierarchigläubig. Sie waren sich gewohnt, selber die Bibel zu lesen, selber zu denken und auf Gott zu hören, mit Gott ihr Leben zu leben, in der Kirche Verantwortung auch als Leihen zu übernehmen (Aeltester usw.), und je nach Gemeinde auch die Angestellten zu wählen und wenn möglich auch im Staat eine aktive positive Rolle zu spielen. So rette in der Schweiz die Reformation (indirekt wohl auch in den römisch-katholischen Gebieten), die alten Traditionen der Machtteilung und Genossenschaften, während in Deutschland die Machtakkumulation der Mächtigen - zumindest bis zu einem gewissen Grade - zunahm. Allerdings verlief in der Schweiz auch nicht alles geradelinig. So ist der reformierte Kanton Bern wohl lange Zeit sehr hierarchisch gewesen. Es gab wohl keinen König, aber verschiedene sehr mächtige Familien, die in Konkurrenz die Macht teilten: die Patrizier. Aber dies ist wohl letztendlich auch eine Form der Machtteilung.
Interessante Reise.
AntwortenLöschenAndré