Sonntag, 23. November 2014

Duales System Antinomie

Es ist interessant, wie wir Menschen im Westen dazu neigen, alles unter unseren Verstand abzusummieren. Obwohl die verschiedenen Menschen mit ihrer jeweiligen Logik zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, glauben wir, dass der menschliche Verstand fähig sei, alles richtig zu erfassen, zu durchdenken und zu bewerten.

In der Individualpsychologie versucht man mit Fragen diese persönliche Logik aufzudecken. Dadurch kann offensichtliche Fehlschlüsse erkannt und bereinigt werden. Doch im Zusammenhang mit Gott, machen dies die Wenigsten. Hinzu kommt noch, dass sich Gott durch die Bibel als einen Gott zeigt, der das Verfassungsvermögen des menschlichen Verstandes übersteigt.

Da wir unseren Verstand über Gottes Wort stellen, führt dies regelmässig dazu, dass wir Gott sagen, wie er zu sein hat – nach unserer persönlichen Logik. So habe sagen Arminianer, es könne nicht sein, dass Gott allmächtig und der Mensch verantwortlich sei, nur, weil wir es nicht zusammenbringen. Aber selbst das Licht, das ja nur eine Schöpfung Gottes ist, und nicht Gott selber, verhält sich ebenso für unseren Verstand gegensätzlich: Ist es nun ein „Teilchen“ oder eine „Welle“? Eigentlich müssten wir einsehen, dass es Antinomie gibt (1) und wenn wir diese Realität nicht nehmen wie sie ist, lösen wir nicht den Knoten, sondern machen ihn kaputt. Dabei müssten wir beide Realitäten akzeptieren, anstelle sie zu zerstören.

Genauso ist es mit der Dreieinigkeit Gottes und der Persönlichkeit von Jesus Christus: Jesus ist zu 100% Mensch und zu 100% Gott. Jesus ist der Sohn UND wesensgleich mit Gott dem Vater, denn wer den Sohn sieht, hat den Vater gesehen. In Berlin hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Ehepaar, die für die Zeugen Jehovas warben. Sie betonten sehr stark die menschliche Seite von Jesus und den Unterschied zu Gott dem Vater. Dabei zeigten sie mir auch Johannes 1,1, wo es in ihrer Uebersetzung heisst, dass Jesus „ein“ Wort Gottes sei. Dabei steht im Urtext: „ho Logos“, also "DAS Wort". Völlig rational erklärten sie, dass Jesus ein weniger grosser Gott als Gott den Vater sei. Sie behaupteten, Jesus sei Gott ähnlich und Gott. Worauf ich sie darauf aufmerksam machte, dass wir Menschen als Ebenbilder Gottes, Gott ähnlich seien.
Vermutlich meint dies auch Jesus, wenn er im Johannes-Evangelium sagt, dass wir Menschen Götter seien. Daneben diskutierten wir noch über die anderen Götter, die ja eigentlich keine Götter sind. Auf jedenfall ist der Begriff Gott im engeren Sinn nur für den lebendigen Gott zu gebrauchen. Und dieser wird in der Bibel, besonders im Neuen Testament, als Dreieiniger dargestellt: Drei Personen und doch einer. Das bringt man natürlich mit unserem menschlichen Verstand nicht zusammen. Ich glaube aber, wenn wir dieses Geheimnis mit unserem Verstand zu lösen versuchen, werden wir etwas, was Gott uns offenbart hat, zerstören: Denn Jesus Christus hat sich als Mensch UND Gott für uns am Kreuz geopfert. Dadurch führt die „Verkleinerung“ oder „Erniedrigung“ von Jesus zu einer kleineren Gnade. Mein Gesprächspartner meinte zwar, dass sei nicht so. Wie das für ihn persönlich ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es besteht die Möglichkeit, dass er sich tatsächlich alleine auf Christus verlässt und dann ist er gerettet, auch wenn die anderen Lehren nach meiner Meinung eine Irrlehre ist. Aber auf jedenfall führt die konsequente Umsetzung dieser „Erniedrigung“ von Jesus zu einer kleineren Gnade. Damit bietet es Raum für unser egoistisches Verlangen etwas zu produzieren, worum uns Gott lieben müsse. Die daraus entstehende Religiosität wird uns zu Leistung antreiben, anstelle alleine auf Christus zu vertrauen. Das erzeugt Druck. Dieser Druck wird gerne von Machteliten ausgenutzt um zu manipulieren und Machtmissbrauch zu tätigen. Damit können sie Menschen kontrollieren oder gar versklaven.

Im Prinzip können wir das gleiche von den Arminianern sagen, obwohl diese weniger irrlehrig sind, da viele Arminianer keine konsequenten Arminianer sind (2). Gerade vor wenigen Tagen hat mir ein Prediger gesagt, dass Calvinisten dazu neigen, nichts zu tun. Da sei doch eigentlich die arminianische Lehre – obwohl sie nicht wahr ist – besser, weil sie zur Leistung antreibt. Gott bewahre uns davor! Jesus Christus ist am Kreuz gestorben, damit wir aus Gnaden, d.h. aus einem reinen Geschenk von Gott errettet werden. Dies mit Leistung zu ergänzen, bedeutet, dass wir das Opfer von Christus erniedrigen. Wir machen aus einem Geschenk ein Leistungsdruck! Dabei sollten wir schmecken, wie lieb uns Gott der Vater hat. Er hat seinen Sohn, Gott der Sohn, für uns ans Kreuz gehen lassen. Das übernahm Jesus aus Gehorsam: Er liebt uns, so sündig wie wir sind. Als von Gott erwählte werden wir BEDINGUNGSLOS von Gott geliebt. Wenn uns dieses Bewusstsein immer grösser wird, dann werden wir dankbar und beten Gott wirklich an. Und das ist doch unser Lebenssinn, der uns wirklich Freude macht! Gott alleine die Ehre geben! Wer es erlebt hat, weiss, was ich meine! Was für eine Ehre, die uns Gott da schenkt.

Aus dieser Dankbarkeit, wenn wir in Christus bleiben, werden von alleine gute Früchte wachsen. Gott macht uns nicht fähig, gute Früchte wachsen zu lassen, sondern Gott schenkt uns die guten Früchte (3)! Und wenn wir Gutes tun, spielt es einfach keine Rolle mehr, dass es immer noch etwas Egoistisches daran hat, denn wir bitten dafür um Vergebung und wissen, dass Jesus auch dafür gestoben ist und alles in Ordnung ist. So können wir ohne Leistung in den guten Werken, die Gott vorbereitet hat, leben. Das ist, wie es Paulus einmal sagte, nicht gegen das Gesetz. Ich denke, es ist die Erfüllung des Gesetzes, die Jesus Christus schafft.

Wer hier weiter denkt, wird darauf stossen, dass mit dem Wissen der biblischen Prädestination (4), die Gnade, das Geschenk Gottes, alles überragt.

Gestern habe ich gehört, dass Gott die Welt dual geschaffen habe: Nacht und Tag, Mann und Frau usw. Es sei wie bei einer Steckdose, wo diese Spannung einen Kocher, einen Kühlschrank usw. antreibt. Das werde erst in Offenbarung 22 wieder aufhören. Ich weiss nicht, ob es korrekt ist, dass es aufhört, aber dort wird gesagt, dass das neue Jerusalem keine Nacht mehr kennen wird.

Auch die Antinomie setzte eine gewisse Dualität voraus, indem zwei Wahrheiten nebeneinander stehen, wie eben erklärt. Ich finde dies höchst interessant. Gott ist so gross. Wenn wir so an unsere Grenzen unseres Denkens kommen, kann ich nicht anders, als Gott dafür loben und preisen.Was für eine Freude, dass verstehen zu können und zu wissen, dass Gott noch viel grösser ist.
  

Anhang
(1)    „Die moderne Physik sieht sich bei der Untersuchungen des Lichts einer solchen Antinomie gegenüber. Es bestehen zwingende Beweise dafür, dass das Licht aus Wellen besteht, und ebenso zwingende Beweise dafür, dass es aus Korpuskeln besteht.  Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, wie Licht sowohl aus Wellen als auch aus Korpuskeln bestehen kann, doch ist es erwiesen, und somit kann keine der beiden Anschauungen zugunsten der andren ausgeschlossen werden. Ausserdem kann keine auf die andere zurückgeführt oder mit deren Terminologie erklärt werden. Die beiden scheinbar unvereinbaren Standpunkte müssen aufrechterhalten und jeder für sich als zutreffend behandelt werden. An einer solchen Notwendigkeit nimmt unser an den Gesetzen der Logik geschultes Denken zweifellos Anstoss; es lässt sich jedoch nichts daran ändern, wenn wir den Tatsachen Rechnung tragen wollen. Daraus geht also hervor, dass eine Antinomie nicht dasselbe ist wie ein Paradox. Ein Paradox ist eine Redefigur, ein Wortspiel. Es stellt eine Aussageform dar, die zwei gegensätzliche Gedanken zu verbinden oder durch eben die Worte zu leugnen scheint, mit denen sie etwas bekräftigen will. Viele Wahrheiten des Christenlebens können paradox formuliert werden. Im Gebetbuch der Anglikanischen Kirche zum Beispiel heisst es, dass ‚Dienst (Gottes) die vollkommene Freiheit‘ ist; der Mensch wird frei, indem er zum Diener wird. Paulus führt verschiedene Paradoxe aus seiner eigenen Erfahrung als Christ an: ‚betrübt, aber allezeit fröhlich … Leute, die nichts haben und doch alles besitzen‘; wenn ich schwach bin, so bin ich stark‘ (2. Kor. 6,10; 12;10). Das Entscheidende an einem Paradox ist jedoch, dass nicht die Tatsachen, sondern die Worte den scheinbaren Widerspruch hervorrufen. Der Widerspruch besteht in Worten, aber nicht in Wirklichkeit, und bei etwas Ueberlegung zeigt sich, wie er beseitigt und die gleiche Aussage ohne Paradox formuliert werden kann. Mit anderen Worten, ein Paradox ist immer entbehrlich, wie  die obigen Beispiele zeigen. Im Gebetbuch könnte auch stehen, dass diejenigen, die Gott dienen, von der Herrschaft der Sünde befreit sind. In 2. Kor. 6,10 hätte Paulus sagen können, dass die Traurigkeit über bestimmte Dinge und die Freude in Gott in seinem Leben stets nebeneinander existieren und dass er auch ohne Besitz und Bankkonto das Gefühl hat, dass alles ihm gehört, weil er Christi Eigentum und Christus der Herr über alles ist. Desgleichen hätte er in 2. Kor. 12,10 sagen können, dass der Herr ihn dann gerade am meisten stärkt, wenn er sich seiner eigenen Schwachheit am deutlichsten bewusst ist. Solche nicht-paradoxen Formulierungen wirken neben den Paradoxen die sie ersetzen sollen, plump und farblos, haben aber genau die gleiche Bedeutung. Bei einem Paradox geht es eben nur darum, wie man die Worte gebraucht Die Anwendung eines Paradoxes ist ein interessanter, sprachlicher Kunstgriff, schliesst aber nicht die Spur eines Widerspruchs in der Aussage ein, die wir damit machen wollen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass ein Paradox immer verstehbar ist…..“ Es ist für das Gedächtnis gut und regt das Nachdenken an. 

„Dagegen ist eine Antinomie weder entbehrlich noch verständlich. Sie stellt keine Sprachfigur dar, sondern eine festgestellte Beziehung zwischen zwei Aussagen über bestehende Tatsachen. Sie wird nicht willkürlich geprägt, sondern uns von den Tatsachen selbst aufgezwungen. Sie ist unvermeidbar und nicht zu lösen. Wie können sie weder erfinden noch erklären. Man kann sie auch nicht irgendwie abtun, es sei denn durch Verfälschung eben der Tatsachen, die uns dazu führten.“

“Betrachten wir die beiden Grundsätze nicht als einander ausschliessende Alternativen, sondern als ein sich ergänzendes komplementäres Phänomen, das wir zur Zeit nicht begreifen können.“ (Seite 16 – 17 aus Prädestination und Verantwortung. Gott und Mensch in der Verantwortung von J. I. Packer) 

Vielleicht versteht heute jemand das Licht besser durch die Quantenphysik … Aber für die von Gott offenbarte Antonomie müssen wir – vermutlich – noch warten, bis Jesus Christus zum zweiten Mal kommt. 


(2)    Konsequente Arminianer würden bei der Evangelisation die Menschen zu überzeugen versuchen. Sie wären versucht, sie sogar zu manipulieren. Zudem würden sie nicht beten, dass der Heilige Geist sich ihnen offenbart oder dass sich ihr Wille für Gottes Geschenk öffne. Das sind alles biblische Wahrheiten, der der Calvinismus klar bekennt und sehr wichtig ist. Zudem gibt es uns auch einen gesunden „Lastenausgleich“. Wir sind verantwortlich Gottes Wort zu erzählen, aber Gott ist es, der die Bekehrung und die Willensänderung schenkt. Erfolg und Misserfolg liegt in Gottes Hand. Verstehen wir, dass  viele Arminianer, wenn sie beten, praktisch wie Calvinisten handeln, ohne dass sie es merken?

Selbst John Wesley mit seinen arminianischen Gedanken, offenbarte bei einer Diskussion mit einem Calvinisten, dass er in den wichtigen Dingen, calvinistisch dachte. Leider blieben gewisse problematische theologische Ansätze bei John Wesley. Aber seine anfängliche pointierte Ablehnung des Calvinismus – oder muss ich sagen, sein Versuch sich von George Whitefield zu emanzipieren? – wurde mit der Zeit geglättet. So musste John Wesely zum Beispiel lernen, dass auch wenn er als Bekehrter sündigt, immer noch Christ ist… Wir sind als Bekehrte Gerechte und Sünder zugleich, wie es Luther sagte.

(3)    Spurgeon sagt dies so schön in seiner Predigt „Das Geheimnis von Kraft im Gebet“ (s. hierzu auch auf diesem Blog, 20.11.14). Es geht um Johannes 15,7 und 8,31+31:

Wir hätten deshalb nun ganz natürlich erwarten können, jetzt von ihm zu hören, wie wir alle geistlichen Taten ausrichten vermögen. Aber der Herr Jesus sagt nicht: Ohne mich könnt ihr nichts tun, doch wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in Euch bleiben, so werdet ihr alle geistlichen Dinge und leiblichen Dinge tun können. Er spricht, jetzt nicht von dem, wozu die Seinen im Stande sein werden, sondern von dem, was an ihnen geschehen wird. „Es wird Euch wiederfahren.“ Er sagt nicht: „Es wird Euch genügend Kraft verliehen werden, zum Tun aller guten Werke, wozu Ihr ohne mich nicht imstande seid. Das wäre ja wahr genug und gerade die Wahrheit sein, welche wir hier erwartet hätten. Der Herr aber geht in seiner Wahrheit viel weiter. Und sagt etwas viel besseres.

„Ihr werdet bitten.“ Durch das Gebet werdet ihr zum Tun befähigt werden. Vor jedem Versuch etwas zu tun, sollt Ihr bitten. Das köstliche Vorrecht, das hier gegeben wird, ist ein mächtiger, den Sieg davon tragender Gebetsgeist. Die Macht des Gebets ist ein wichtiges Zeichen unserer geistlichen Stellung. Und wenn uns diese in einem hohen Grade gesichert ist, so sind wir im Blick auf alle anderen Dinge bevorzugt.

Einer der ersten Erfolge unserer bleibenden Bedingung mit Christus, wird also die Uebung des Gebets sein. Ihr werdet bitten, wenn andere nicht bitten, suchen, anklopfen."

(4) Es gibt natürlich auch Menschen, die glauben an die Prädestination und betonen dabei so die Allmacht Gottes, dass sie denken, dass sie nicht mehr beten sollen. Es geschehe ja sowieso, was Gott will. Es wird uns sofort auffallen, dass dies keine duale Betrachtung mehr ist, sondern eine eindimensionale. Es ist wie das Gegenstück jener, die glauben, alles hänge von uns Menschen ab. Die Realität, die uns die Bibel offenbart, ist aber um einiges komplexer.
Vor 500 Jahren hat bereits Johannes Calvin über solche "Prädestinationisten" gesagt:

"Es ist daher gar zu töricht, wenn jene Leute, um des Menschen Herz vom Beten abzuhalten, faseln, es sei vergebens, Gottes Vorsehung, die stets zur Hut aller Dinge auf der Wacht stehe, mit unserem störenden Schreien zu ermüden!" Calvin reagiert gar nicht nett, wenn er sagt:
"Ebensowenig sinnvoll ist auch das Geschwätz anderer, es sei überflüssig, um Dinge zu bitten, die der Herr doch aus freien Stücken zu gewähren bereit sei. Er will ja  gerade, dass wir erkennen, wie uns eben das, was er uns, aus seiner freien Güte zufliessen lässt, auf unsere Bitten hin gewährt ist! Das bezeugt uns ein denkwürdiges Psalmwort, dem noch viele ähnliche zur Seite treten: 

'Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Schreien (Ps. 34,16). Hier wird Gottes Vorsehung gerühmt, wie sie aus freien Stücken darauf aus ist, für das Heil der Frommen zu sorgen, aber dabei wird doch zugleich die Uebung des Glaubens nicht beiseitegelassen, die alle Lässigkeit aus dem Herzen des Menschen austreibt. So wachen also Gottes Augen, um der Not von uns Blinden abzuhelfen; aber auf der anderen Seite will er auch unsere Seufzer hören, um seine Liebe gegen uns desto besser zu beweisen! So ist beides wahr: 
'Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht' (Ps. 121,4) - und doch verzieht er auch, als hätte er uns vergessen, wenn er uns lässig und stumm sieht!" (aus Institutio III,20,3)

Argumentiert hier Calvin nicht auch dualistisch? Wie könnte man auch diese Bibelaussagen anders wiedergeben als mit den zwei Wahrheiten nebeneinander?

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