Ich habe weiteres aus dem genialen Buch "Das Buch der Mitte" von Vishal Mangalwadi gelesen. Hier weitere Aussagen:
Er sprach davon, dass zur Zeit Wyclifs ca. 1330 - 31-12.1384 drei Hierarchien gab, was sich auch auf die Nutzung der Sprache auswirkte. Da war
1. die intellektuelle Elite, die Latein sprach. Die Bibel lasen sie in ihrer Sprache Latein, wie sie Hiernoymus (347 - 419 ) übersetzt hatte (Vulgata). Zu diesem exklusiven Club gehörte auch Wiclif.
2. Als Mittelfeld beschreibt er den Adel, der in England entweder Französisch oder seinen anglo-normannischen Dialekt sprach.
3. Ganz unten waren die einfachen Bauern, welche ein sehr einfaches Englisch sprachen.
Ich glaube bei dieser Beschreibung zu spüren, wie sein eigener Einsatz für die Bauern in Indien zu hören ist. Er beschreibt, wie niemand zu jener Zeit auf die Idee gekommen wäre - ausser natürlich Wicliff - die Bibel in das einfache Englisch der Bauern zu übersetzen. "Die meisten Zeitgenossen hätten über so etwas nur gespottet. Dann folgert er:
"Elitäres Denken ist dazu angelegt, andere kleinzuhalten. Eine solche Einstellung will mit allen Mitteln das Volk kleinhalten, inklusive Religion, Sprache und das Vorenthalten von Bildung. In dieser Hinsicht bot die Bibel reichlich Stoff zur Kirchenkritik, ist doch die Fürsorge für die Armen und Unterdrückten ein grundlegender, auf der Schrift basierender christlicher Wert.
Mose begann mit der Niederschrift der Thora, nachdem er die Juden aus der ägyptischen Sklaverei befreit hatte." (Mein Einschub: Ich weiss, es gibt bei uns Gelehrte, die meinen Mose sei als ehemaliger Prinz von Aegypten nicht fähig gewesen, dies zu tun. Sie meinen, dass sei später geschehen. Aber warum sollte Mose dies nicht selber geschrieben haben, mit Ausnahme von Passagen, wie jenen, die sein Ende beschreiben. Ein vernünftiger Mensch müsste dies eigentlich für wahrscheinlich halten. Ausser er hat ideologische Bedenken. Ich las sogar mal die Meinung, dass man in Israel erst unter einem König anfing zu schreiben. Das ist ein ganz besonders interessantes Meinung, die wohl von einem sehr starken hierarchischen Weltbild herrührt. Kann so jemand verstehen, dass Gott eigentlich für Israel keinen König wollte, weil Gott König sein wollte? Bevor sie einen König von Gott verlangten, machte jeder, was er wollte, steht an einem Ort der Bibel.Das klingt für mich nach Freiheit. Und Sie können mir glauben, auch in der Schweiz hat man geschrieben, obwohl man keinen König hat. und hatte.
Bei Mose gibt es sogar einen klaren Grund, warum er dies niederschreiben musste: Damit Israel die eigene Geschichte, eine moralische Grundlage und ein Zivilgesetzbuch in schriftlicher Form hatte - und das auch ohne einen König, der viel kostet. Gott selber warnt Israel ja auch, wie teuer so ein König ist und was er alles verlangen würde. Aber sie wollten sein wie alle anderen... )
"Das Neue Testament entstand im Kontext der römischen Besatzung.
Die Bibel enthält eine freiheitliche Weltanschauung.Damit unterscheidet sie sich völlig von den Spekulationen der Philosophen der höheren Kasten und der Weisen in meiner Heimat, die lehren, Unwissende, Arme und Schwache seien an ihrem elenden Leben selbst schuld, hätten es sich durch ihr schlechtes Karma im vorigen Leben selbst eingebrockt. Die Bibelübersetzer initiierten, was die Marxisten später nachzuahmen versuchten - die Schaffung einer klassenlosen Gesellschaft.
Der Oxforder Historiker Alister McGrath schreib in seiner Würdigung der Uebersetzung der Bibel ins Englische:
"Wyclif drohte das ganze Denkgebäude klerikaler Herrschaft in Sachen Theologie und kirchliches Leben zum Einsturz zu bringen. Die Uebersetzung der Bibel ins Englische wurde bald zum Werkzeug sozialer Gleichstellung in bisher unbekanntem Ausmass. Alle waren in der Lage, den heiligen Text der Christenheit zu lesen und auf seiner Grundlage Lehre und Leben der mittelalterlichen Kirche zu beurteilen. Schon der Gedanke daran schockierte das selbstgefällige Kirchenestablishment jener Tage."
So mancher, für den der Grundsatz der Gleichberechtigung ein hohes Gut ist, hat für die protestantischen Reformatoren und ihre Anhänger nur ein müdes Lächeln übrig. diesen Leuten ist nicht bewusst, dass jene Männer mit ihrem Leben dafür bezahlten, dass sie den biblischen Gedanken von der Gleichheit aller Menschen zum wichtigsten Prinzip der modernen Welt machten.
In unserer Zeit schient es selbstverständlich, dass es ein edles Unterfangen ist, das Leben der Unterdrückten zu verbessern. Zu Lebzeiten von John Wyclif hingegen galt es als verabscheuungswürdig, gewöhnliche Menschen in den Status eines Aristokraten zu erheben."
Danach zitiert er Henry Knighton, einen Hasser von Wyclif, Der die Perlen des Evangeliums nicht vor die Schweine werfen möchte. Mit Schweinen meint Knighton die armen Bauern, das einfache Volk und ihre "einfache" Kultur und Sprache.
Dann wird es sehr interessant. Vermutlich habe ich schon auf einem früheren Blog erwähnt,
dass Mangalwadi vom Freien Willen sprach, dies aber vermutlich so versteht, wie es Jonathan Edwards tat. Dies bedeutet, dass dies mit dem unfreien Willen eines Luthers, Augustins und Calvins übereinsstimmen würde, aber nicht mit dem unfreien Willen unserer moderenen Philosophie. Sondern mit unserer heutigen Sprache muss man eher vom freien Willen reden. Aber die Bibel ist - wie in so vielem eben sehr komplex und übersteigt unseren Verstand: Wenn sie von die Allmacht Gottes und die Prädestination beschreibt, schliesst sie nie unsere Verantwortung aus! Wir sind verantwortlich für das was wir tun und nicht tun. Wir können sogar Gott beeinflussen, weil Gott eine Person ist, der uns zuhört (= Gebet). Trotzdem wirkt Gott souverän. Und obwohl er eine Person ist, ist er transzendent. Faszinierend! Aber jetzt zurück zum Buch:
"Den meisten ist nicht bewusst, dass diese theologischen Auseinandersetzungen, wie wir heute für belanglos halten, die Entstehung einer modernen Welt nach sich zogen. In den Händen Wyclifs wurde die biblische Lehre von der Vorherbestimmung (= Prädestination, meine Einfügung) wie auch die Kontroverse über die Wandlung des Messopfers (Transsubstantiation) zu einer 'Bombe, die das Papsttum erschütterte'. Aufgrund der biblischen Lehre von der Vorherbestimmung (Prädestination) habe Gott selbst erwählt, wen er retten wolle; dies sei nicht die Aufgabe der Kirche, die aus Heiligen und Sündern bestünde, argumentierte er. Unter dieser Voraussetzung sei es sogar denkbar, dass der Papst nicht zur Errettung vorherbestimmt sei.
Als Wyclif dann auch noch den Gedanken der Transsubstantiation verspottete, beraubte er die Priester ihrer 'magischen' Kraft, gewöhnliches Brot und gewöhnlichen Wein in das wahre Blut und den wahren Leib Christi zu verwandeln."
Danach geht er auf die sozialen Unruhe im England von 1381 ein. Wiclif rührte mit der Bibelübersetzung ins Englische (damals wurde sie von Hand geschrieben, da es noch keinen Buchdruck gab.) an den Klassenvorurteilen. Dies soll es noch heute in England geben. 'aber damals war das ein ausserordentlich heikles Thema' zitiert er Christopher de Hamel.
Als Wyclif die bibel ins Englsiche übersetze sei es ihm nicht um seinen Vorurteil gegangen. Auch nicht um seine Karriere oder um anderes. Er fühlte sich der Wahrheit verpflichtet.
Danach geht er auf Erasmus von Rotterdam ein. Wie er in seiner neuen lateinischen Bibel den Begriff Busse anders als Hieronymus nicht mehr als poenitentiam agite übersetzte, was soviel wie 'tut Busse' übersetzte, sondern mit resipiscite, was 'kommt zur Besinnung', 'denkt um' oder 'seid umkehrbereit' heisst.
Martin Luther sprach gerade dies sehr an und sollte schlussendlich die mittelalterliche Religiosität ins Wanken bringen.
Martin Luther (ab Seite 218) demokratisierte die Wahrheit. "denn einfache Menschen (zukünftige Wähler) verfügten nun über die Möglichkeit, sich in den Auseinandersetzungen zwischen dem etablierten Kirchenstaat und den Reformatoren eine eigene Meinung zu bilden." (Seite 218) Nebenbei wurde diese Sprache zu unserem Hochdeutschen. In der Schweiz hatten wir aber vorerst noch eine eigene Schriftsprache, da in Zürich die Reformatoren eine Schriftsprache entwickelten, die näher an unseren deutsch-schweizerischen Dialekten lag. Leider wurde diese dann später aufgegeben und man schloss sich dem Hochdeutschen an (so weit dies möglich war. Besonderheiten blieben bis heute.)
Danach kommt er zu William Tyndale (1484-1536), der beinahe ein englischer Luther geworden wäre, wenn er nicht für seine Bibelübersetzung getötet und dann öffentlich verbrannt worden ist. Sein Gebet wurde dann erhöhrt und der gleiche König von England, der ihn verbrennen liess, erlaubte dann seine Bibelübersetzung, für die er ihn verbrennen lies. Später wollte der gleiche König dann wieder diese Bibel verbieten, da man in den Wirtshäusern begann darüber zu diskutieren. Doch es blieb beim Entwurf. Die Mündigkeit war schon zu fortgeschritten. Zum Glück.
Hier ein Ausschnitt:
"Verschiedene Faktoren überzeugten auch Tyndale davon, dass das Analphabetentum und die Unkenntnis der Bibel eine wichtige Ursache der Korruption in Europa sei."
Danach zitiert er Professor David Daniell über die mangelnde Kenntnisse der damaligen Priester. Dazu gehörte wohl auch jene Aussage: "Wir können eher auf Gottes Gesetz verzichten als auf das des Papstes" (Seite 220)
oder
"Die Bischöfe fassten Tyndales Uebersetzung als Bedrohung auf, denn sie nahm dem Klerus die Macht und übertrug sie dem Volk; zudem liess sie deutlich werden, dass die römisch-katholische Hierarchie in ihrem Wesen eher römisch als chirstlich war. Tyndale entschloss sich bewusst, das griechische Wort ekklesia nicht mit church - 'Kirche' - zu übersetzten. Jesus hatte einst die Gemeinschaft seiner Nachfolger, die er zurücklassen würde, ekklesia genannt. Dank der Philologen der Renaissance wusste Tyndale, dass dieses Wort ursprünglich eine demokratische 'Versammlung' oder eben 'Gemeinde' bezeichnete." (Seite 220 - 221) Danach zitiert er William Barcklay, der erklärt dass eine ecclesia (ekklesia) die einberufene Volksversammlung (in griechischen Stadtstaaten) war. Dazu gehörten Schalfworte wie: 'Gleichheit' (isonomia) und 'Freiheit' (eleutheria). Es war eine Versammlung, in der jeder das gleiche Recht und die gleiche Pflicht zur Teilnahme hatte."
Tyndale lehrte auch das Priestertum aller Gläubigen. Er "bezeichnete mit Leitungsfunktionen 'Presbyter', wozu Pastoren, Hirten, Aelteste (meine Anmerkung. Kirchenpfleger) und die Bischöfe gehörten. Ihre irdische Autorität wurde ihnen von der Gemeinde verliehen und nicht von einer Hierarchie, die ihren obersten Sitz in Rom hatte." (Seite 221) Uebrigens darum werden reformierte Kirchen im englischen Sprachraum auch mit Presbyterianische Kirchen bezeichnet: Leitung von Presbyter. Männer die von mündigen und gleichwertigen Gläubigen gewählt wurden.
Diese Haltung konnte natürlich auch die Stellung der Monarchie relativieren - oder besser gesagt ins richtige Verhältnis bringen. Auf jedenfall hält er fest:
"Sein Martyrium (von Tyndale) markierte das Ende der mittelalterlichen Welt und den Beginn der modernen Zeit." (Seite 221)
Dann erzälht er kurz die Zeit der "Bloody Mary" unter der 300 Prostestanten ermordet wurden. Und wie Flüchtlinge von den britischen Inseln in Genf die Geneva-Bibel 1560 herausgaben: Die erste protestantische Studienbibel. Bereits Tyndale hätte gerne seine Bibel mit Erklärungen veröffentlicht. Nun durften sie miteinfliessen. Sie sollten später König Jakob (James) ärgern. Ich habe bereits auf meinem anderen Blog einen Film über ihn und die King James beschrieben. Diese King James-Bibel sollte die von ihm so verhasste Genfer Studienbibel verdrängen. Was er aber zu seiner Zeit nicht schaffte. Die nicht autorisierte Genfer Studienbibel war für mindestens 100 Jahre die englische Bibel. Uebringes auch Shakspeare diente die Genferstudienbibel als Grundlage seiner Arbeit. Sie wurde auch von den Pilgervätern und den Puritanern gerne genutzt sowie von den amerikanischen Siedlern. Die King-James-Bibel ist aber trotzdem eine sehr gute Bibel. (Laut Mangalwadi sei 90 % von Tyndales Neuem Testament und ebenso viel vom Alten Testament, wie Tyndale vor seiner Gefangennahme noch hatte übersetzten können. (Seite 227) Aber eben ohne die Anmerkungen der Genfer-Studienbibel, die König Jakob so hasste. Denn er wollte von Gott geleitet und Gott eingesetzt herrschen. Diese Bibelkommentaren aber warnten vor Machtmissbrauch. Oft wird sogar der Begriff König mit Tyrann gleich gebraucht. Ein Beispiel (Seite 226) zu Daniel 6,22:
"Denn er (Daniel) verweigerte dem bösen Gebot des Königs Gehorsam, weil er Gott gehorchen wollte, Dem König fügte er so keinen Schaden zu, denn dieser hätte von vornherein nichts anordnen sollen, was Gott nicht ehrt."
Uebrigens auch Calvin ist in seiner Daniel-Auslegung sehr klar. Als ich dies einem Deutschen vorlas, meinte der, sowas dürfte man heute nicht mehr sagen. Es war wohl auch zur Zeit Calvins nicht gerade von allen beliebt, wenn man unsere Sündhaftigkeit auch bei den Herrschenden klar aufzeigt: Selbstverliebtes Machtgebaren. Ueberschreiten der von Gott gegebenen Machtposition = Machtmissbrauch. Dazu schreibt Mangalwadi:
"Seine Ueberzeugung (damit ist König James I. gemeint) standen kontrovers zum biblischen Gedanken von der Gleichheit aller Menschen, den die Reformatoren vertraten.
Bevor James König von England wurde, regierte er in Schottland. Eines Tages attackierte ihn während einer hitzigen Begegnung Andrew Melville, einer der Anführer der schottischen Reformation:
Er .. packte James und beschuldigte ihn, 'Gottes dummer Vasall' zu sein. Melville erklärte zugespitzt, auch wenn sie James zwar öffentlich als König respektierten, so wüssten sie doch alle insgeheim nur zu gut, dass Christus der wahre König Schottlands sei und sein Reich die Kirche - und in diesem Reich sei James lediglich einfaches Mitglied, aber kein Herr und kein Oberhaupt." (Seite 225-226)
Interessant ist auch, dass der König James mit seinen Fehlern König von Schottland blieb. Seine Mutter hatte man zwar abgesetzt. Nicht weil sie römisch-katholisch war, sondern weil sie ihren Ehemann umbrachte. Aber James ging ja nicht so weit mit seinem Machtmissbrauch. Es gab einfach Konflikte, die man aber anscheinend irgendwie austrug und dann irgendwie damit leben konnte. Es war wohl nicht so harmonisch. Dafür konnte James seinen Drang nach Einheit anders ausleben. Er soll, laut dem erwähnten Film, die verfeindeten Clan-Chefs dazu gebracht haben, dass sie Hand in Hand als Zeichen der Versöhnung durch die Hauptstadt von Schottland gingen. Das ist keine schlechte Leistung für einen König.
Ich denke, dass James ein besserer König in Schottland war, als dann in England. Gerade weil er in Schottland weniger Platz für Machtmissbrauch hatte, konnte er seine positiven Gaben besser einsetzen. "Alle Macht dem König Gutes zu tun. Aber keine Macht, um Schlechtes zu vollbringen." das sollte die Losung sein. Daher sollte auch ein Mächtiger sich unter dem Gesetz sehen und sich nicht wie Gott aufspielen wollen und sich dadurch zu einem Götzen machen.
Die Reformatoren glaubten, dass die Wahrheit die Menschen frei machen würde. Darum war der Slogan für die Calvinisten und später für die ganze Reformation "Post tenebras lux" Nach der Dunkelheit das Licht oder laut Wikipedia: Licht nach der Dunkelheit, was von der lateinischen Vulgata aus Hiob 17,12 komme: Post tenebras spero lucem = Nach der Dunkelheit hoffe ich auf das Licht.
Post tenebras lus ist übrigens immer noch der Wahlspruch der Republik und des Kantons Genf (Schweiz).
Dieses Kapitel "Die Revolution des Jahrtausends" beendet Mangalwadi auf Seite 228 mit diesen zwei Abschnitten:
Die Bibel bleibt eine Bedrohung für alle, die wollen, dass der Mensch mehr Macht hat als Gott. Sie bleibt auch eine Bedrohung für jene, die an einer Kultur der Unterdrückung auf der Grundlage von Lüge und Sünde festhalten wollen. Shourie hat recht, wenn er die Bibel für die gefährlichste intellektuelle Herausforderung für den hinduistischen Nationalismus hält.
Auch aus der Sicht westlicher Intellektueller, die den Menschen als Mass aller Dinge betrachten, ist es nur konsequent, die Bibel für eine Bedrohung zu halten. Schliesslich erhebt die Bibel den Anspruch, Gottes Wort zu sein. Und das bedeutet, dass Worte, Werte und Ueberzeugungen, wenn sie nicht mit dem übereinstimmen, was unser himmlicher Vater als richtig und gut bezeichnet hat, uns schaden."
Auf Seite 202 und 203 geht er auf die Frage ein, warum Bischöfe Bibeln, Bibelübersetzer und Bibelkäufer verbrannten. In seiner Antwort geht er auf die höchste Quelle der Autorität in einer Kultur ein. Jene Quelle, die endgültig intellektuelle, moralische und soziale Berechtigung verleiht. Seine Antwort beendet er mit:
"Die westliche Gesellschaft sah sich mit ihrer Kultur bis jetzt mindestens fünf Mal mit einem solchen Autoritätsanspruch konfrontiert - durch das Römische Reich, den Papst, die Bibel, die menschliche Vernunft und den individualistischen Nihilismus der Gegenwart, von dem anzunehmen ist, dass seine Zukunft von pseudodemokratischen Kulturkämpfen bestimmt sein wird. Dieses Kapitel möchte jedoch die Geschichte der Reformatoren erzählen, die die Schrift an die Stelle der päpstlichen Macht setzten." Dazu erzählt er aber erst etwas über Rom und wie deren Untergang, also der Untergang von Westrom, die römisch-katholische Kirche als einzige noch funktionierender Verwaltungsapparat überleben liess. Und nicht nur Verwaltungsapparat. Sie waren wirklich Bewahrer von Gelehrsamkeit und Menschlichkeit. Aber leider kam bald auch die Versuchung des Machtmissbrauchs. Wie Calvin nimmt auch Mangalwadi bezug auf Cyprian, wenn er sagt:
"Cyprian umschrieb seinen demokratischen Führungsstil dienender Leitung mit den Worten: 'Von Beginn meines Episkopats an beschloss ich, nicht eigenmächtig nach meiner persönlichen Meinung und nicht ohne euren Rat und die Zustimmung des Volkes zu handeln.' Doch leider sollte nach dem 5. Jh. ein solcher Führungsstil die Ausnahme sein."
Wenn ich die Bibel lese, sehe ich sogar mehr als nur als ein demokratischer Führungsstil: Nämlich das Streben nach Einheit in Vielfalt. Das Ringen nach Wahrheit und das Streben als sündiger Mensch, dem Guten zu dienen, indem man sich von Gott Gerecht sprechen lässt. Dazu gehört auch die eigenen Unzulänglichkeiten kennen zu lernen. In dieser Haltung der gesunden Eigenreflexion und Würdigung des Nächsten werden demokratische Strukturen viel mehr, als eine Abstimmung. Denn die Abstimmung ist der Schlusspunkt eines Prozesses. Dies mögen die Deutschen um 1900 als ein ewiges Gerde abgetan haben, was da die reformiert geprägten Länder wie die Schweiz, die Niederlande und die USA taten. Aber dies Reden - und manchmal auch Streiten - gehört zu einem Prozess des Miteinanders. Die Entscheidungsfindung dauert logischerweise länger. Aber es können im Idealfall - wenn die nötige Reife und Wertschätzung des Nächsten vorhanden ist - viel mehr Möglichkeiten geprüft werden. Vermutlich besteht so die grössere Chance eine gute Entscheidung zu fällen. Und was noch wichtiger ist: Es wird eine Entscheidung sein, die alle tragen können. Es wurde nicht einfach über sie bestimmt. Es war ihre Entscheidung. Das gibt einen ganzen anderen Bezug zu Abgaben oder Steuern. Um ein Beispiel zu nennen. Und es fördert die Kreativität, das Engagement und die Identifikation mit dem Gemeinwesen. Es ist eben dann unser Gemeinwesen und nicht einfach die Kirche oder der Staat.
Sogar im Wirtschaftssystem gibt es demokratische Strukturen. Gerade in der Schweiz sind dies die Genossenschaften. Gleichzeitig hat jeder auch die Freiheit seine eigene Firma aufzubauen und am Wirtschaftsgeschehen aktiv teilzunehmen. Zur Zeit ist aber auch in der Schweiz der Mittelstand verunsichert.
Wenn das gesagte korrekt ist, braucht es für diese Freiheit und dieses Gemeinwesen nicht nur gesunde Strukturen, sondern auch die eben erwähnte wertschätzende Grundlage. Gestern haben wir in der Apostelgeschichte gelesen, wie Paulus den Athener sagt, dass wir Menschen "Gottes Geschlecht" seien. Es ging zwar Paulus in diesem Satz vorallem darum, dass man obwohl wir soviel Würde haben, von uns nicht Götzenbilder machen sollen. Aber es ist für Paulus und für die Bibel ganz einfach klar, dass wir als Menschen Gottes Ebenbilder sind. DARUM sind wir wertvoll und darum sollen wir mit uns respektvoll umgehen. Unser Mankos dabei dürfen wir uns immer wieder vergeben lassen. Dafür ist Jesus auch gestorben. Das bildet die beste Grundlage für unser Zusammenleben.
Hier noch der Text aus Apostelgeschichte (Paulus zitiert hier, so glaube ich 3 griechische Philosophen) 17,27-29
"dass sie Gott suchen, ob sie ihn vielleicht tastend fühlen und finden möchten, obwohl er ja nicht fern ist von jedem von uns.
Denn in ihm leben und weben und sind wir, wie auch einige eurer Dichter gesagt haben: Denn wir sind auch sein Geschlecht.
Da wir nun Gottes Geschlecht sind, sollen wir nicht meinen, dass das Göttliche dem Gold und Silber oder Stein, einem Gebilde der Kunst und der Erfindung des Menschen, gleich sei."
Obwohl natürlich unsere Kunst und unsere Begabungen auch von Gottes-Aehnlichkeit zeugen. Augustin sagte sogar, dass die Genialität der Irrlehrer von ihrer Gottes-Aehnlichkeit zeugen. Diese Würde tragen wir alle. Gottes Aehnlichkeit bedeutet aber nicht, Gott gleich. Zudem sind wir ja durch den Sündenfall etwas verbogen...
Gott segne Sie. Sie sind ohne Leistung würdevoll, weil sie Gottes Ebenbild sind.
Gott segnete Sie mit Fähigkeiten und einem Leben. Er segnete sie mit einer einzigartigen Persönlichkeit.
Wenn Sie sich ihm zuwenden, wird er Ihnen noch mehr geben. Vielleicht werden Sie mit einem einmaligen Hoch beschenkt. Vielleicht aber werden sie auch Schweres erleben, was sie vorher nicht kannten. Denn Gott könnte ihnen mehr von ihrem Herzen zeigen. Und das kann sehr ernüchternd sein. Sogar schmerzvoll. Aber auch dann ist das ein Geschenk von ihm, weil sie dann lernen dürfen, dass sie Gott trotzdem liebt und er genau für das alles gestorben ist. Nun spricht er sie frei und schenkt einen Neuanfang. Und sie können immer als Sünder zu Jesus gehen, der die Türe zur wertschätzender Liebe in Ewigkeit ist.
Amen
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