"Im falschen Paradies" ist eine eindrückliche Biographie von Yosef Simsek. Ich konnte ihn life kennen lernen, als er sein Buch vorstellte und Passagen daraus vorlies. Er schrieb mir in diese Buch: "Danke fürs Kommen und viel Spass beim lesen". Schon damals sagte ich ihm, dass grosse Ungerechtigkeit, die er erlebt hatte, für mich kein Spass ist. Und es sollte sich bewahrheiten: Auf langer Strecke erlebt dieser Mann Brutalität und Ablehnung von den männlichen Familienmitgliedern. Am Schluss werden sie aus Deutschland ausgeschafft, weil der Vater sie als libanesische Flüchtlinge ausgegeben hatte, dabei waren sie arabisch sprechende Türken, die aus dem Bürgerkrieg im Libanon zurück in die Türkei geflüchtet sind und von dort nach Deutschland einwanderten. Da alles wusste aber Yosef bis so einen Monat vor der Ausweisung nicht. Denn er war in Deutschland geboren und die Familie sagte ihm sowieso nicht alles, er war als feinfühliger Mann ein ausgestossener. Nur die jüngeren Geschwister und vorallem die zwei weiblichen Schwestern sowie eine Frau eines Bruders hatten es gut mit ihm. Und dann noch seine Mutter, die sich meistens zu ihm hielt. Dabei ist erstaunlich, wie viel Mut diese Frauen aufwanden.
Zugleich ist es interessant, wie die Mutter generell hoch geachtet wird. Simsek spricht von der Krone der Familie und gibt dafür auch islamische Zitate an.
Es ist eine andere Welt. Simsek selber schreibt:
"Je mehr ich erzählte, desto schockierter wurde meine Zuhörerin. Es war wirklich so, als hätte sie das Leben von dieser Seite noch nie kennengelernt. Erst in diesem Moment ist mir klar geworden, wie unterschiedlich unsere Kulturen doch sind. Dass Frau Richter so etwas wirklich dermassen fremd war ... Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu erzählen, es war, als hätte ich ein Radio verschluckt. Es tat mir richtig gut, endlich mein Herz bei jemandem ausschütten zu können, der mir wirklich zuhörte, egal wie lange es dauerte und um welche Themen es ging." So schreibt er auf Seite 200. Einer Schulpsychologin traut er sich zum ersten Mal über das alles zu berichten und durchbricht damit das eiserne Gesetz, dass man nichts aus der Familie anderen erzählen dürfe. Frau Richter hielt sich an ihr Versprechen, nichts weiter zu erzählen. Durch diese Gespräche wird es Simsek möglich, anders auf die häusliche Gewalt zu reagieren. Er lernt mit Worten sich zu wehren und zugleich auch die Kunst des Reden lassens, also nicht sich reizen lassen. Dadurch wurden die Spannung abgebaut. Die Brüder und der Vater schlugen ihn weniger.
Es gibt viele Passagen, die schrecklich sind. Doch es gibt Lichtblicke. Er selber hat in der Familie zu den weiblichen Mitgliedern ein gutes Verhältnis. Auch in der Schule geht es ihm oft gut. Es gibt zwar auch dort schlimme Zeiten, u.a. weil er selber gewalttätig wurde. Er erlebt aber auch Ungerechtigkeiten, d.h. übertriebene Reaktionen gerade von einem Schuldrektor.
Auf Seite 75 stellt er fest:
"Diesen Charakterzug habe ich an den deutschen immer besonders geschätzt. Egal wie viele Fehler du hast und wie schlimm du auch bist, wenn es dir schlecht geht, stehen sie an deiner Seite und versuchen dir in jeder Hinsicht zu helfen. Auch wenn du ein Ausländer b ist. So etwas war mir von meiner Kultur her sehr fremd."
An einer anderen Stelle stelle er fest, dass die Deutschen auch fremden selbstverständlich helfen.
Ich war vor wenigen Wochen in Australien. Dort erlebte ich eine noch grosszügigere und freundliche Hilfsbereitschaft. Es ist ganz klar ein Erbe unserer jüdisch-christlichen Kultur. Simsek spricht von der christlich-humanistischen Kultur im Gegensatz zur patriachalen Agrar Kultur. Aber ich weiss nicht, ob dies ganz korrekt ist. Sicherlich ist es auf der einen Seite wahr. Aber es fasst nicht die ganze Wahrheit. patriachale Strukturen müssen nicht so brutal und ungerecht sein. Wer die Bibel lest, wird natürlich ein wichtigen Grund für die Ungerechtigkeit in patriachalen Strukturen finden: Den Sündenfall. Der Mann missbraucht, er pervertiert die von Gott gegebene Macht! Nun gibt und gab es Kulturen, die diese Problematik wussten und daher auch entsprechende Moral und - die Bibel zeigt ja auch die Möglichkeit der Vergebung und Umkehr. In unserer Unfähigkeit kann Gott durch Jesus Christus vergeben. Oder anders gesagt:
Gott ist so gerecht, dass jede Ungerechtigkeit bestraft werden muss. Auch jene Grauen, die Yosef Simsek erleben musste. Denn Gott ist gerecht und heilig. Da er aber diese Sünder liebt, starb er selber als Sohn Gottes (Gott ist nur einer, aber eben sehr komplex: Er besteht aus drei Personen, was wir natürlich letztendlich nicht fassen können. Darum brauchen wir unvollkommene Begriffe dafür.) Gott selber nahm die Gerechte strafe auf sich. Und jeder, der dies akzeptiert, muss daher die gerechte Strafe nicht mehr selber tragen.
Dazu braucht es Einsicht und Demut. Erstaunlich ist nun, dass der älteste Bruder von Simsek, der ihn so terrorisiert hatte, während der Ausschaffung (dieser Bruder musste nicht aus Deutschland weg), beinahe Unglaubliches sagte:
"Zu meiner Ueberraschung nahm er mich in den Arm und begann zu weinen. Meine Arme blieben steif an meinem Körper, ich konnte diesen plötzlichen Wandel nicht so recht glauben.
'Pass auf dich auf, mein Junge, und hab keine Angst , alles wird gut'. sagte er mit bebender Stimme. Da ich ihm nicht antwortete, fuhr er fort: 'Sei lieb zu deiner Familie und bleib immer stark, sei ein richtiger Mann. Ich weiss nicht, wann wir uns wiedersehen werden, aber falls der Tod uns daran hindern sollte, so vergibt mir bitte, wenn ich dein reines Herz gebrochen habe. Vieles, was in den letzten Jahren geschehen ist, vieles, was ich dir in all den Jahren angetan habe, war falsch. Das ist mir erst jetzt bewusst geworden, mein kleiner Bruder. Du bist anders, als wir es sind - und das ist auch gut so.'
War das Mustafa? War das wirklich der Mustafa, der mich die letzten Jahre immer nur geschlagen, gedemütigt und die gesamte Familie auf mich gehetzt hatte?
'Mustafa, ich ...', stotterte ich und wusste gar nicht, was ich darauf antworten sollte." (Seite 261) Sie wurden abgeführt und über Düsseldorf per Flugzeug ausgeschafft.
Wie war es möglich, dass Mustafa das erkennen konnte? Laut der Bibel sind wir für gewöhnlich blind für unsere Fehler. Als er ungerecht handelte, glaubte er sich sicherlich im Recht. Dabei war diese Blindheit und Selbstgerechtigkeit eine Folge des Sündenfalls. Seit dann neigen wir Menschen, alle Menschen, auch wir Menschen aus dem Westen und auch Christen, zur Perversion des Guten. Gott hat es gut gemacht und wir pervertieren es. Normalerweise ist es das Wirken des Heiligen Geistes, wenn man die Wahrheit erkennen kann.
Es wäre interessant Mustafa zu fragen, warum er auf einmal die Realität sehen konnte.
Aus dem Buch sieht man, dass er als Aeltester Sohn der Familie nichts tat, als der Vater ihre Mutter schlug. Eigentlich eine unglaubliches Unrecht: Auch für diese Familie. Es war nun gerade Simsek, der ihn und die anderen fragte, ob sie nicht etwas tun wollen. Sie aber standen nur da und schauten zu. Simsek unternahm etwas. Unter anderem durchbrach er das Gebot des Schweigens und ging zur Polizei. Die drei jüngeren Geschwister liefen ihm nach.
Und nun geschieht etwas erstaunliches: Hier beschreibt Simsek auch, wie fürsorglich die Polizei sich ihnen gegenüber verhalten hat. Auch das ist für ihn keine Selbstverständlichkeit! (Ein christliches Erbe, nach meiner Meinung!) Ein anderer Polizist redet ca. eine Stunden lang mit dem Vater. Und kann dann versprechen, das er nicht mehr schlagen wird. Und tatsächlich, hörten die Schläge auf! Das Schweigen über die Ungerechtigkeit hatte ein Ende.
Die Familie selber glaubte, dass dies nun der Auslöser gewesen sei, dass sie ausgewiesen wurden. Aber selbst die Akten, die Simsek später dann einsehen konnte, sagen nichts darüber.
Ich vermute, die deutschen Polizistens sehr weise handelten: Es gab kein offizielles Verfahren. Sie versuchten es (übrigens, wie bereits die Schulpsychologin vorgeschlagen hatte, zuerst einmal mit Reden) mit den Vater zu reden. Das musste einen solchen Eindruck gemacht haben, dass der Vater sich nun zusammen nahm und nicht mehr schlug.
Die Ungerechtigkeit ans Licht bringen, ist ein wichtiger Grundsatz. Darum sind solche Sätze wie: "Unsere Familie sagt nie etwas über die Ungerechtigkeit, was in unserer Familie läuft." So schlimm. Ich meine damit nicht, dass man alles überall ausposaunen muss. Aber in einem seelsorgerlichen oder psychologischen Rahmen oder wie hier bei der Polizei. Wobei diese deutschen Polizisten es selber nicht an die grosse Glocke hing. Gerade dieses Vorgehen erlöste Sisek von Schlegen! Er fragte sich dann auch, warum er das nicht schon früher gemacht hatte. Nur dann kam die ganze Frucht vor der Ausschaffung. War nun schuld daran? Aber ich glaube nicht. (mal abgesehen, dass es der Vater war, der diese Situation kreiert hat.)
Interessant ist auch, dass der Vater ihn als Nichtsnutz hinstellte. (Oft kritisieren wir an anderen unsere eigenen Schwäche ... Auf jedenfall sagt unser Reden immer viel über uns selber aus.) Dabei war Simsek einfach ein sensibler Mann. Und als solcher hat er ein Buch geschrieben. In der islamischen Welt werden verhältnismässig wenige Bücher geschrieben. Ich glaube die ganze islamische Welt hat soviele Bücher geschrieben, wie Spanien in einem Jahr schreibt. Simsek sticht also auch hier positiv heraus. Leider hat er es nicht auch auf türkisch geschrieben, wie er mir sagte. Und vermutlich auch nicht auf arabisch. Ein Grund für diese wenigen Bücher liegt vielleicht auch am Verständnis des Mannseins. In der Bibel werden auch Männer, die sensibler sind, als richtige Männer beschrieben. Eigentlich ist es gar kein Thema, dass sensible Männer keine richtigen Männer wären. Gerne hätte ich Simsek dies als Ermutigung gesagt. Hier wenige Beispiele: Jakob und Esau waren Brüder. Nach "unserem" Verständnis war Esau der richtige Mann: Beharrt und ein Jäger. Jakob blieb lieber bei den Zelten und war ein Muttersöhnchen. Er hatte - obwohl sie Zwillinge waren, keine starke Beharrung des Brustkörpers. Jakob sollte später Israel heissen und der Stammvater der Stämme von Israel werden. Saul wurde Stammvater eines anderen Volkes. (Bewies übrigens später gegenüber seinem Bruder Jakob Barmherzigkeit, indem er sich nicht - wie zuvor in der Wut geäussert - an Jakob rächte.)
David war der jüngste Sohn und musste (den vermutlich wenig geachteten) Job übernehmen, bei den Schafen als Hirte zu arbeiten. Neben dem, dass er seine Schafe zu verteidigen lernte, die einfachen Menschen kennen lernte und schätzen lernte, war er auch so feinfühlig, dass er Gedichte schrieb. Er spielte Harfe. Später brachte ihn das zum Hof des Königs von Israel. Er konnte die Depression des Königs damit lindern. Seine Lieder und Gedichte werden in den Psalmen noch heute gesungen und gelesen. Tausende von Jahre wurden sie tröstend gelesen. Viele Menschen in Not half es. Es wurde in Schützengräben gelesen, wie in psyichisch dunkeln Höhlen - und gaben und geben bis heute Hoffnung. Sie sind als Gottes Wort ein Licht für uns Menschen.
Oder Johannes, der Lieblingsjünger von Jesus Christus. Man merkt in "seinem" Evangelium (Johannes-Evangelium) und auch in seine nBriefen (Johannesbriefe) im neuen Testament, dass er ein feinfühliger Mann ist. Noch heute brauchen - auch nicht christliche Psychologen - der Anfang seines Evangeliums, weil es einfach gut tut. Mit einfachsten Worten spricht er tiefe Wahrheiten aus. Paulus ist der Theologe. Er schreibt komplex und schreibt verschachtelte und lange Sätze. Das sieht man, wenn man Bibelübersetzungen liesst, die versuchen sehr nahe am Urtext zu sein. Aber Johannes schreibt in einfachen Sätzen. Er braucht für das Johannes-EVangelium ein Wortschatz von nur 900 Worten: Ein Kinder-Wortschatz. Aber gerade das ist genial.
So könnte man weiterfahren. (Ich möchte übrigens Paulus und Johannes nicht gegeneinander ausspielen. Es verdeutlicht einfach, wie Gott unterschiedliche Charaktere geschaffen hat. Damit können wir uns ergänzen. Es ist der Sündenfall, der in den Unterschieden ein Problem sieht. Ohne Sünde würden wir die Bereicherung sehen. Die ganze Gemeinde sollte so sein. Einheit in der Vielfalt! Es gibt nichts kreativeres und effizienteres, wenn Sie Sünde nicht alles pervertiert.
Auf jedenfall zeigt Mustafa hier wirkliche grösse: Er steht zu seinen Fehlern. Damit schafft er Lebensraum! Versöhnung und Einheit in Vielfalt wird möglich.Hoffentlich können sie sich weiter versöhnt begegnen. Es ist genau das, was dem arabischen Kulturraum so fehlt. Simsek fragt, dass dann auch: Warum können Sunniten und Schiiten nicht friedlich zusammenleben, wenn in Europa Christen, Moslems, Juden usw. friedlich zusammen leben können? "Was geht bloss in deren Köpfen vor? Was läuft da falsch?" (Seite 324)
(Natürlich gibt es auch Spannungen in Europa. Und der Islamismus würde gerne den Hass der Nicht-Moslems auf die Moslems kreieren, damit es auch hier zu diesem hasserfüllten Umgang geht. Denn nur in diesem Können können sie dann wuchern...)
Genau auf diese Problematik geht Vishal Mangalwadi, ein Inder, in seinem neuesten Buch, dass er in Rekordzeit geschrieben hat ein: "Die offene Wunde des Islam" Antworten auf Hass und Zerstörung.
Yosef Simsek ist Moslem. Er denkt, dass nicht der Islam schuld an der Gewalt ist, sondern die Tradition. Er betet zu Allah. Auch als er so schlimm geschlagen wurde.
Am Ende des Buches wird es heller. Er erleidet noch eine tiefe Depression in der Türkei. Sogar einen Selbstmordversuch. - Alles einfach tragisch. Aber dann auch viel Licht. Nebenbei erzählt er, wie er eine Freundin in der türkischen Schule hatte. Wie er im Englischen brillierte. Dann wie ihm ein Schulpsychologe in der Türkei wesentlich weiterhilft. Und nun sogar seine Mutter seine Zeichnungen schön findet. Er soll sogar für sie ein Kleid kreieren. Und dann, wie sich seine Mutter einsetzt, damit er nicht mehr geschlagen wird und er einen guten Arzt erhält. (Das zeugt von einer starken Persönlichkeit seiner Mutter: In einer Kultur, wo Schläge normal sind, kann sie ihren Mann dazu bringen, dass er es nicht mehr macht. Und warum? Der Vater sagt es selber: Weil er seine Frau liebt!) Gerade dieses Aufschreiben war dann für Simsek der Befreiungsschlag aus der Depression! Er lässt Licht auf das Dunkel fallen. Er selbst steht zu dem, was er erlebt hat. Beim Vorlesen sagte er, dass er seinen Vater vor der Veröffentlichung gefragt hat, ob er es veröffentlichen soll. Und der Vater gab seine Einwilligung. Genial vom Vater. Auch Simsek ist erstaunlich, wie er so zu seiner Familie stehen kann, trotz all dem, was er erlebt hat.
Simsek begann in einem Touristen Ort am Mittelmeehr in der Türkei zu arbeiten, denn er kann ja perfekt Deutsch, gut Englisch und Arabisch. Zudem spricht er nun auch Türkisch. Mit solchen Sprachen findet man Arbeit. Für den Arzt, der ihn übrigens aus Beirut im Libanon per Telefon betreute (auch eine interessante Geschichte), ein gewagter Schritt. Aber es gelang. Und der Arzt gab ihm sogar seine private Handy-Nummer, damit er ihm zu jeder Zeit anrufen konnte. Er bekam sogar die Möglichkeit zu modeln. Er ist zwar zu klein, um ein grosser Star zu werden. Aber immerhin. Zudem geht er jetzt auch seinem Traum nach. So schreibt er am Schluss:
"Wenn ich den Menschen, die mein Buch lesen, einen Ratschlag geben sollte, dann diesen hier: Habt Vertrauen zu euch selbst und glaubt an eure Träume!
Und zusätzlich gebe ich euch auch den Rat meiner tapferen Mutter mit auf den Weg, den sie mir als Kind immer wieder gesagt hat:
'Lass deinen Kopf niemals sinken. Halt ihn immer aufrecht und kämpfe für deine Träume!'
Auf den Laufsteg habe ich es als Model nie geschafft, und ich weiss nicht, ob ich je in meinem leben als Modeschöpfer auf einem Laufsteg stehen werde. Eines aber weiss ich mit absoluter Gewissheit: dass ich alles daran setzen werde, meinen Traum zu verwirklichen." (Seite 335)
Ich wünsche ihm das. Schön wäre natürlich, er könnte durch Jesus Christus auch die Freiheit der Gnade erkennen und sich nicht nur auf sich, sondern auf die Liebe Gottes verlassen. Interessant ist es, dass er zum Teil so zu Allah betet ... Auch seine Definition der Menschenwürde, die ich an der Vorstellung seines Buches hörte, klang sehr vertraut, d.h. biblisch.
Denn wir Menschen sind wohl die Krone der Schöpfung. In gewissen Sinne sind wir höher als Engel, denn Christus wurde kein Engel, sondern ein Mensch. - Aber wir sind seit dem Sündenfall auch schwach und wissen nicht immer, was gut für uns ist. Darum brauchen wir Weisheit und Ruhe - die wir laut Augustinus nur in Gott selber finden.
PS: Was ganz wichtig ist: Die beschriebenen Probleme sind nicht nur in dieser Kultur ein Problem, sondern auch bei uns. Auch bei uns gibt es Familien, die das eiserne Gesetz haben: Ja nichts von uns nach draussen dringen lassen. Auch in unserer Kultur gibt es Männer, die Frauen schlagen. Und es gibt auch Frauen, die ihre Männer schlagen.Das liegt daran, dass wir alle seit dem Sündenfall zur Perversion des Guten neigen. Das ist ein grosses Dilemma. Da wir alle noch wissen, dass wir eigentlich für etwas Besseres geschaffen wurden und nicht für den Tod, schufen wir uns Erklärungen dazu und helfen uns, wie wir damit umgehen können. Religion, Philosophie und Psychologie geben uns dazu Antworten. Die Frage ist natürlich: Was davon wirklich wahr ist. Die postmoderne Gesellschaft leugnet diese Frage, in dem sie behauptet, es gäbe keine Wahrheit und schafft damit Ruhe und Frieden. Allerdings, wenn das wahr wäre, könnte dieser Satz nicht wahr sein... Zudem herrscht dann eher eine Friedhofsruhe, als eine denkerische Freiheit!
Auf jedenfall wird so eine vernünftige Suche nach der Wahrheit unmöglich. Gerade gestern erlebte ich eine interessante Diskussion. Eigentlich waren dort - soweit ich weiss, und ich weiss natürlich nicht alles - alles Christen. Ich glaube, wir waren uns einig, dass Jesus Christus unsere Sünden vergibt, weil er unsere Sünden übernimmt. Vermutlich hätte man auch zugestimmt, dass Begnadigen nicht bedeutet, dass man gut ist. Denn man muss niemand begnadigen, der im Recht ist. Wer im Recht ist, hat das Urteil: Du hast Recht und bei einer Anklage einen Freispruch verdient. Nur jemand der schuldig ist, hat Begnadigung nötig. Und wenn die Bibel von uns Christen als begnadigte Sünder spricht, dann bedeutet das, dass wir die gleiche Neigung zur Perversion des Guten haben, wie jeder andere Mensch. Zugleich verspricht aber die Bibel auch, dass im geistlichen Sinn bei der Wiedergeburt, alles Neu wurde. Somit beginnt das Reich Gottes in unseren Herzen und weitet sich so aus. Das stimmt mit den Aussagen von Jesus Christus überein. Und dann, wenn er zum zweiten Mal kommt, wird alles in allen Bereichen vollendent, verherrlicht. Dann werde auch ich nur das Gute wollen UND tun. Zur Zeit ist es ein geistlicher Kampf, denn der Geist ist willig, das Fleisch, d.h. meine menschlichen Möglichkeiten (körperlich und geistig) sind schwach. (Vom Alten Testament her war diese Zwischenzeit in dem wir nun leben nicht so eindeutig sichtbar. Es erklärt aber jene Stellen, die den Messias als einen Leidenden und ein triumphierenden beschreibt! Er kommt nicht einmal, sondern zweimal. Und dieses zweite Mal wird er triumphierend zurückkehren.)
Was mich aber erschütterte: Bei Meinungsverschiedenheiten war es bei einigen etwas schwierig vernünftig zu argumentieren. Mir wurden sogar Dinge vorgeworfen, die ich gar nicht so gesagt hatte. Ein Beispiel: Ich vertrat einen kreationistischen Standpunkt, also das Gott die Welt innert 6 Tagen erschaffen hat. Zugleich versuchte ich zu erklären, dass man heute gerne Evolutionstheorie mit Methaphysik verbindet. Dabei sind einige Dinge nur Theorien, die nicht bewiesen und in der Natur nachverfolgt werden konnten. So kann man zwar eine Mikroevolution erkennen, dass heisst eine gewisse Anpassung in den verschiedenen Arten, aber keine Makroevolution. Ein Hund zum Beispiel ist zwar kein Wolf mehr, aber er ist immer noch in der gleichen Art. Wenn man es genau nimmt ist diese Art der Veränderung, der Spezialisierung eher sogar eine Verarmung. Bei Pflanzen zum Beispiel schaffen wir es, dass sie viel leistungsfähiger werden, dafür werden sie aber auch viel anfälliger. Daher braucht man dann einiges an Chemie, um diese Pflanzen zu schützen. Gott schuf etwas robustes, dass sich an verschiedene Situationen anpassen kann. Aber auch das hat seine Grenzen, darum sterben Pflanzen- und Tierarten auch aus. Darum sollte man der Natur sorge geben, sie erträgt nicht alles. Aber so klar konnte ich gar nicht argumentieren. Einige vertraten die theistische Evolution, d.h. dass Gott durch die Evolution geschaffen hatte. Das kann man natürlich glauben. Ergibt aber einige gewisse theologische Probleme. Ist dann die Bibel noch wahr? Zustummen konnte ich natürlich, dass man je nach Text verschieden auslegen muss: Was ist wörtlich zu verstehen und was sinnbildlich.
Jemand vertrat auch die Idee, das Adam gar nicht der erste Mensch sei, sondern nur der erste Jude. Was man natürlich alleine aus der biblischen Botschaft nicht so sagen kann. Sondern er tat dies auf der historisch-kritischen Methode, wozu er auch ein A4-Seite eines römisch-katholischen Theologen verteilte.
Ich fragte nach, wie den das in der übrigen Bibel gesehen wird? Was wird dazu gesagt? Wie wurde das verstanden? Was meinte Jesus dazu?
Mich dünkt es, die Bibel bezeugt vielmehr, das Adam der erste Mensch war und somit unser aller Vorfahre oder Vater! Damit sind wir alle Brüder uns Schwestern. Auch unsere Gott Ebenbildlichkeit (nicht Gleichheit) in diesem Bericht, ist für die Erklärung unserer menschlichen Würde sehr wichtig. Nun frage ich mich aber, warum man sich nun so über mich aufregte, weil ich dies glaube. Was ist daran moralisch gefährlich? Sind wir schon so ideologisch geprägt, dass wir nicht mehr tolerant über verschiedene Standpunkte vernünftig reden können?
Toleranz ist - oder war - wenn jeder die Freiheit hat, zu sagen, was er denkt. Heute scheint Toleranz zu bedeuten, dass man alles sagen darf, was den anderen nicht aufregt. Das ist aber eine problematische Entwicklung. Wie soll unsere Demokratie überleben, wenn wir nicht mehr vernünftig streiten können? Wenn selbst Christen diese Fähigkeit verloren haben? Wenn Argumente nicht mehr nachgegangen werden können, weil sie nicht in der Mode liegen? Wer die Institutio von Johannes Calivin liesst, wird sehen, dass er sehr wohl verschiedenen Meinungen nachgeht. Er kommt dann zu einem Urteil. Und die mag manchmal häftig sein. Aber er hört auch andere Stimmen und versucht sie zu verstehen. Könnte es sein, dass wir uns so weit von den biblischen Grundlagen unserer Kultur - sogar unter Christen - entfernt haben, dass wir nicht mehr fähig sind, kontrovers zu diskutieren? Wenn ja, erklärt es sich, dass wir Christen im Bereich der Weltanschauungen und der Toleranz nichts mehr beitragen können. Wie sollen wir Salz der Erde sein, wenn wir selber es nicht gelernt haben? Ein Puritaner wie John Milton konnte noch bekennen, dass wir keine Zensur brauchen, weil die Wahrheit stärker ist. Und natürlich besteht die Gefahr bei der Zensur, dass man nicht nur die Lüge, sondern auch die Wahrheit zurückdrängen könnte. (Das gerade heute diese Freiheit verwendet wird, um unser christliches Fundament nieder zu machen, ist eine traurige Geschichte..)
Mangalwadi spricht noch ein anderes Problem aus: Durch den Verlust der biblischen Grundlagen, die dem Westen soviel Freiheit und Ordnung brachte, können wir die Freiheit rein intellektuell nicht mehr verteidigen. Darum gibt es auch Angst vor der islamischen Einwanderung. Einige spüren, dass man gegen die islamischen Gründe keine wirklichen Argumente mehr hat. Wie sollte auch ein Postmoderner das tun?
Ich denke also: Entweder kreiert der Westen sich nun eine Ideologie, die aber höchstwahrscheinlich den Verlust unserer Toleranz und Freiheit bedeuten wird (und es gibt sicher auch Interessengruppen, die genau das wollen, um ihre Ideologie durchzusetzen) oder aber Europa wird zu Westarabien und wird zu einer islamischen Kultur.
Theoretisch gäbe es natürlich auch die Möglichkeit, zurück zu den Argumenten unserer Freiheit und Toleranz zu gehen. Aber dann dürften wir nicht nur von der atheistischen französischen Revolution reden, sondern auch von dessen Vorbild, der protestantischen glorreichen Revolution in England. Und wir dürften kritisch, aber nicht nur verlachend über die Reformatoren und die Bibel sprechen. Denn die Reformatoren waren wohl die erfolgreichsten Revolutionäre unserer Menschheitsgeschichte. Aber der Westen verlacht sie. Selbst Hochschulen, die von Puritanern gegründet wurden, wie Harward machen das heute. Und ich kenne auch gläubige Christen, die das fertig bringen. Das ist schade und schneidet uns vom Ast ab, auf dem wir leben. Christen wie Nicht-Christen.
Das Positive ist natürlich, dass wir uns nicht tot geschlagen haben. Sondern am Schluss beteten wir zusammen. Und das erwähnte Problem kann nun auch weiter angegangen werden, damit wir ehrlich zuhören und reden lernen. Dadurch reifen wir in dieser Zwischenzeit. In der Gnade - also im Bewusstsein, dass wir es nicht können, aber bei Gott alles möglich ist, lernen wir bei unserem lieben Vater im Himmel, wie sich Kinder von ihm verhalten sollen: So wächst sein Reich: Indem Liebe, Verständnis, Einheit in Vielfalt möglich wird.
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