Brexit: Grossbritannien tritt in ca. 2 Jahren aus der EU aus.
Der erste Gedanke war: Es ist eine Quittung für mangelnde demokratische Strukturen in der EU. Es scheint, wenn die Völker in der EU entscheiden können, wählen sie nicht unbedingt die EU. Das mag wohl daran liegen, dass die EU von Oben anstelle von Unten her gebaut wurde. Zu allem Unglück haben die letzten Veränderungen bewiesen, dass die EU selber unfähig für positive Reformen sind. (Ich meine gegen unnötige Kosten und gegen Demokratiedefiziten).
Wirtschaftlich wird es interessant werden. Vielleicht stärkt nun GB die EFTA, wo auch die Schweiz Mitglied ist. Vielleicht bietet sich ja damit die Chance eine neue "EU" zu bilden, die effizienter und freiheitlicher aufgebaut ist: Und vorallem von Unten aufgebaut wird, (Allerdings haben die Politiker es natürlich gerne, wenn sie sagen können: Die EU oder die UNO verlangt, darum müssen wir so und so handeln. Also wieder von Oben nach Unten, was auch bedeutet, dass kein Reifungsprozess in Demokratie möglich ist.)
Nun ist das ein Blog über Theologie: Was hat das mit Theologie zu tun? Nun als Reformierter bin ich von Reformen von Unten begeistert. Es hat Grossbritannien gross gemacht und allen reformiert geprägten Länder gut getan und lange Zeit Freiheit gebracht. Auch wenn die Lutheraner die ständige Diskussionen für mühsam fanden. Aber das gehört eben zur demokratischen Reife: Man redet und such nach gemeinsamen Lösungen. Was wir aber nicht vergessen dürfen: Es waren reformierte, ja calvinistische Weltbilder, die das schufen. Die Frage ist, wieviel noch davon vorhanden ist. Oder ist Utilitarismus und Ueberleben des Stärkeren nun mehr im Vordergrund? Ich weiss es nicht. In der anglikanischen Kirche gibt es grosse Hoffnungsschimmer.
Grossbritannien hat eine lange Vergangenheit. Und auch jene, die das nicht verstehen können, denn diese Tradition siegte heute wohl auch. Grossbritannien ist trotz ihrer Monarchie auch stark demokratisch und ermöglichte Erneuerung nicht nur von Oben. Die Frage ist nun, wie Schottland mit dieser Entscheidung umgehen wird, da sie für die EU hätte bleiben wollen. Hoffen wir, dass Grossbritannien diese Spannung in Chancen umwandeln kann. Das gleiche hoffe ich natürlich auch für Europa, die ja nicht nur aus der EU besteht. Allerdings wird die EU wohl nun die beleidigte Leberwurst spielen, weil sie generell mit Volksentscheidungen Probleme hat: Wie gesagt: die ist sich gewohnt von Oben nach Unten zu arbeiten. Von Unten nach Oben entspricht dem hierarchischen Denken der EU. Das Politiker die Diener des Staates und ihres Volkes sind, ist wohl nicht immer so bewusst. Das ist ja auch menschlich, seit unserem Sündenfall. Es braucht Busse und Vergebung, dass Leiter ihre Verantwortung vor Gott sehen. Beim Austritt von GB ging es ja nicht um eine moralische Entscheidung: Beides wäre moralisch möglich gewesen. Also haben die Briten auch die Freiheit aus der EU auszutretten. Die EU hätte sie halt vorher reformieren sollen, d.h. den Leuten ein Gefühl zu geben, dass ihre Stimme ernst genommen wird und dass die unnötigen Kosten heruntergefahren werden.
Hoffen wir also, aus diesem Entscheid entwickelt sich etwas Positives. Dafür müsste aber die EU flexibler werden. Und das würde ihr sehr gut tun. Immerhin war es ja keine Revolution, sondern ein friedlicher Austritt. Und eben: GB ist ja trotzdem ein Teil Europas, wie noch andere Länder, wie die Schweiz zum Beispiel. Schön wäre es, auf Augenhöhe miteinander reden zu können. Aber die EU scheint gerne mit ihren Muskeln zu spielen. - Besonders, wenn sie natürlich beleidigt sind: Schlechte Laune ist ein schlechter Berater. Daher: EU denkt daran, auch Länder nicht in der EU sind bereit friedlich mit anderen Ländern zusammenzuleben. Man kann die Beziehungen auch ohne EU organisieren. Wenn man denn will.
Und man hört ja schon: Nun versucht die EU andere abzuschrecken. Wohl auch gegenüber der Schweiz. Das wäre aber nicht aus der Herausforderung eine gute Chance zu machen, sondern sich im nicht-demokratischen Geist weiter zu verhärten.
Ich denke, dafür braucht Europa, Grossbritannien, die Schweiz und auch die EU viel Gebet.
Zusatz am 25.6.16:
Hier eine Diskussion im Schweizer Fernsehen zum Thema Brexit und Masseneinwanderungsinitiative, Kroatien:
Ich hörte mal zu diesem Thema, dass sich die Schweiz halt schon lange nicht mehr gewohnt sei, immer von den Habsburgern sagen zu lassen, was sie zu tun hat. (Habsburger war eine sehr Mächtige Familie im heiligen römischen Reich Deutscher Nation. Nach dem Untergang dieses Reiches stellten sie immer den österreichischen Kaiser. Damit ist also gemeint, dass man zuerst in Europa fragen muss, bevor man etwas in der Schweiz tun möchte. Man könnte das mit der Aufgabe der Souveränität umschreiben. Wobei natürlich ein Land nie wirklich völlig autark ist. Und die Schweiz war wirtschaftlich immer schon mit Europa verbunden. Aber ich fände es schon schön, dass wir ein Mass von Freiheit und Eigenständigkeit wahren können. Daher wäre es schön, Europa fände zu einer nationenübergreiffenden Zusammenarbeit, die zugleich Freiheit lässt. Und diese Freiheit besteht darin, dass man auch anders sein kann. Etwas anderes anpacken. Etwas anderes zu gestalten. UND natürlich, was mir sehr wichtig ist: Verantwortung, Macht und Finanzen müssen immer auf gleicher Ebene sein. D.h. Die Gemeinde zieht Steuern ein + beschliesst diese und gebraucht diese. Der Kanton zieht Steuern an: Beschliesst diese und benutzt diese. Der Bund oder die verschiedenen Staaten Europas beschliessen Steuern und Verwalten dies. Aber gerade in Griechenland sehe ich etwas ganz anderes: Die Firmen und Arbeiter können sich nicht mehr selber organisieren. Sie hängen völlig am Topf der Verschuldung. Und selbst bei uns nimmt die Gemeindeautonomie immer mehr ab. Vermutlich weil wir glauben, dass Professionalisierung und Zentralisierung die bessere Lösung sei, als vor Ort zu beschliessen und zu handeln. Dabei ist doch Dezentral viel effizienter. UND wenn es mal nicht effizienter ist, bezw. eine Einheit nicht mehr klar kommt, wie zum Beispiel jene Gemeinde im Wallis, die Konkurs ging, dann kann immer noch der Kanton eingreifen, also die übergeordnete Organisation vorübergehend helfen.
Zugegeben: Dazu braucht es auch viele Leihen. ABER gerade das macht ja die direkte Demokratie aus: Alle sind beteiligt und können mitreden. Dazu braucht es ein Reifungsprozess. Nämlich, dass man mit unterschiedlichen Standpunkten umgehen kann. Es braucht Charakter, damit nicht Korruption aufkommt und die Demokratie erstickt. (Aber die Gefahr der Korruption in einer Gemeinde ist immer kleiner und übersichtlicher, als wenn sie auf Kaontons-, Bundesebene oder gar auf Europäischer Ebene ist. Und irgendwie trägt ja dann auch die Gemeinde selber ihre Fehler.) Mit anderen Worten es braucht auch eine gute theologische Lehre über Werte. Luther's Katechismus hätte uns da einiges zu sagen, zum Gebot, Du sollt nicht des Nächten Gut begehren. D.h., dieses Gebot steht dort, für jene, welche mit dem Recht unrecht tun wollen. Bekanntlich können Juristen alles erklären: "Dazu verhelfen auch Juristen und Rechtsprecher, die das Recht wenden und dehnen, wie es zur Sache helfen will, die Worte pressen und zum Vorwand nehmen, unangesehen Billigkeit und des Nächsten Bedürfnis. Und in Summa, wer in soclhen Sachen der geschickteste und gescheiteste ist, dem hilft das Recht am besten, wie sie auch sagen: vigilantibus jura subveniunt, den Wachsamen hilft das Recht." (Seite 36) Und das verbietet das Gebot, man soll nicht das Gut anderer begehren. Es sei nicht für die bösen Buben vor der Welt, sonder neben für die Frommsten aufgesetllt,' also jene, die gut da stehen wollen, und mit dem Recht ihr unrecht durchdrücken.
Aber es geht auch darum, dass dienende Leitung gefördert wird: d.h. dass der gewählte Leiter sich nicht nur selber verherrlicht, sondern das beste für die Gemeinschaft sucht. Jesus war ja da sehr extrem: ER wusch die Füsse seiner Jünger. Er machte die Sklavenarbeit und lebte seine Forderung: Wer gross sein will, soll der Diakon, der Diener sein. UND wer der Grösste sein will, soll der Sklave sein. (In deutschen Uebersetzungen wird leider Doulos = Sklave oft mit Diener oder Knecht übersetzt. Aber Jesus meint Sklave! Das ist die komplette Umkehr unserer natürlichen Denkweise, die natürlich durch den Sündenfall etwas pervertiert wurde. Jesus korrigiert unsere verbogene Haltung zur Macht: Machtausübung soll ein Dienst an den anderen sein - und keine Selbstverherrlichung.)
Was klar ist, wir kommen als Schweizer nicht darum herum, in einer unsicheren Welt charaktervoll zu handeln. Zwingli sagte vor ca. 500 Jahre mal: Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!
Man könnte auch sagen: Wer nicht wagt, gewinnt nicht.
Wenn der Brexit Europa wirtschaftlich zurückwirft, dann liegt es sicherlich auch an der EU, die mit Volksentscheidungen nicht umgehen kann. (Was ich aber nicht glauben möchte. So ungeschickt kann sich die EU nicht verhalten: Im eignen Interesse. Aber wenn es um Machterhalt geht, wird diesem Götzen viel geopfert.) Und auch gegenüber der Schweiz: Man ist aufeinander angewiesen. Nicht nur die Schweiz auf die EU: auch umgekehrt. Es ist für alle nur von Vorteil, wenn man gut auskommt. Und es würden alle Leiden, wenn man dies nicht gut organisiert. Damit sind wir wieder am Punkt, dass wir dafür beten sollten. Weisheit und Demut sind gefragt. Und aus der guten Demut können wir auch mutig handeln.
1.7.1 ein interessanter Bericht auf Phoenix:
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