Ich
bin eigentlich von Timothy Keller begeistert. In diesem Punkt bin ich nicht
ganz seiner Meinung.
Das
fängt schon in der Fragestellung an (z.Bsp. auf Seite 42):
"Wie
bringen wir die Ergebnisse der Wissenschaft in Einklang mit den Lehren der
Schrift?" Wenn es so ist, wie Timoty Keller sagt, "dass die
'vollkomene ' Offenbarung der Absichten Gottes nur in der Schrift zu finden ist
(Ps 19,8). Wir müssen also das Buch der Natur durch das Buch der Schrift
interpretieren." dann darf man auch nicht vergessen, wo sich die
Naturwissenschaft irren könnte oder besser gesagt, wo die Naturwissenschaft
sich selber auf einem provisorischen Fundament befindet. Naturwissenschaft besteht
aus Thesen (Denken) und Überprüfen an der Realität. Aber gerade in der Evolutionstheorie
ist das Denken oft einfacher, als das entsprechende Überprüfen.
Oder
mit anderen Worten: Man kann hier auch mit unterschiedlichen Denkansätzen
leben. Und eigentlich genau das, will Timothy Keller - bis zu einem gewissen
Grad - erreichen, wenn er ebenfalls auf Seite 42 schreibt: "Christen, die
Bibel und Wissenschaft miteinander in Einklang bringen wollen, müssen ihr 'Zelt
weiter spanne' als die antiwissenschaftlichen Religionsvertreter auf der einen und
die antireligiösen Wissenschaftler auf der anderen Seite." Ich bin mit
dieser Aussage im Prinzip einverstanden, AUSSER mit dem Anfang, weil das selber
schon wieder eine Einschränkung ist: Bibel und Wissenschaft miteinander in
Einklang bringen. Mir scheint, auch Timothy Kellers Sichtweise brngt beide
Seite nicht wirklich ganz zusammen. Braucht es auch nicht, weil die
Naturwissenschaft bis heute keine vernünftige Theorie aufstellen konnte, wie
sich aus toter Materie Leben entwickeln konnte. Hier hört man nur viel von:
"Es könnte" oder Es "müsste" irgendwie. Ich weiss nicht
mal, ob die Naturwissenschaft den Unterschied zwischen lebender Materie und
toter Materie erklären kann (Ich bin aber auch kein Naturwissenschaftler).
Auf
Seite 41 geht er auf "andere Denkmodelle" ein. Dazu gehören
theistische Evolution und progressive Langzeitkreationismus. Davor erklärte
Keller ein Modell von Kidner, das eine Art Zwischending zwischen
theistischer Evolution und progressiver Langzeitkreationismus darstellt. Kidner
selber bezeichnete dies als ein "forschender Vorschlag ... den ich
nur zögerlich vorbringe, und es ist eine sehr persönliche Sicht der Dinge. Sie
ist offen für Korrekturen und eine bessere Synthese." (Seite 43)
Das
klingt gut und passt auch zu Timothy Keller.
Keller
glaubt fest daran, dass der Schlüssel der Interpretation der Bibel, in der
Bibel selber liegt. Er glaubt nun, dass Genesis I nicht wörtlich zu verstehen
ist. Während Genesis II usw. wörtlich zu verstehen ist. In Genesis II empfinden
einige Ausleger eine zweite Schöpfungsgeschichte zur ersten in Genesis I. Als
ich noch ein junger Bursche war, brachte mich diese Frage zu unserem
reformiert-evangelischen Pfarrer. Der zuckte ein Buch heraus und meinte:
Es liegt vor allem an der Übersetzung, wann die Tiere geschaffen wurden (genau
dies beschäftigte mich.). So, wie es in den schriftdeutschen Übersetzung
klingt, wurden die Tiere in Genesis II erst geschaffen, nachdem Adam geschaffen
worden ist. Nun ist es so, dass man dort auch mit Plusquamperfekt übersetzen
könnte. In diesem Falle brachte Gott die Tiere zu Adam, die Gott schon
vorher geschaffen hatte. Die alte Luther Bibel soll diese Stelle sogar mit
Plusquamperfekt übersetzt haben. Somit handelt es sich bei Genesis II nicht um
eine zweite Schöpfungsgeschichte, sondern vielmehr um eine Art Betrachtung
durch die Luppe. Es wird besonders die Schöpfung von Adam und Eva und dann
dessen Sündenfall nachgewiesen (an die Timothy Keller auch glaubt. Er könnte
sich aber vorstellen, dass Adam aus Staub geschaffen wurde, eine literarische
Form sein könnte, und es sich tatsächlich um ein biologisches Vorgehen
gehandelt hätte.) Timothy legt aber grössten Wert auf die historische Wahrheit
des Sündenfalls, aus literarischen und theologischen Gründen. (Hier entfaltet
er seine Begabung und seine Erklärungen sind lesenswert).
Die
anderen Argumente von Keller, warum jetzt Genesis I nicht wörtlich zu verstehen
sei, kann ich zurzeit nicht zustimmen. Recht hat er sicherlich, dass man die Bibel
so lesen sollte, wie sie gemeint ist. Wenn wir Platz und Zeit hätten, wäre es
interessant intensiver darauf einzugehen. Ich möchte aber vielmehr auf eine
wichtiges weiteres Anliegen von Keller eingehen:
Die
mangelnde Trennungsschärfe zwischen Biologie und Philosophie. (Seite 12)
Gerade
die neuen Atheisten (wie zum Beispiel B. Dawkins) sehen die Evolution als eine
"Grosse Gesamttheorie aller Dinge". Von hier aus möchte man alles
erklären. Alvin Plantinga sprach von einem "konsequenten
Naturalismus". Mit anderen Worten soll die biologische Evolution alles als
Ergebnis zufälliger genetischer Mutationen oder einer anderen Ursache zu Grunde
liegen. Nun könnten aber diese Gemeinsamkeiten auf mehr als Naturalismus
hindeuten ... Und genau dies wird vom konsequenten Naturalismus beharrlich
bestritten. So wurde zum Beispiel Francis Colling durch Sam Harris angegriffen,
als Collins zum Chef der nationalen Gesundheitsbehörde berufen wurde
(vermutlich in den USA). "Was Harris so beunruhigte, war, dass Collins als
Christ begriffen hat, dass es Aspekte am Wesen des Menschen gibt , die die
Wissenschaft nicht erklären kann (etwa das intuitive Wissen um das göttliche
Moralgesetz). Damit verneint Collings, dass es die Wissenschaft ist, die uns
'Antworten auf die drängendsten Fragen der menschlichen Existenz zu geben
vermag." (Seite 23) Interessant ist dann auch das folgende Zitat von
Harris.
"Wer
glaubt, dass das menschliche Leben in einem evolutionären biologischen
Prozessentstanden ist, muss auch an die Grosse Theorie der Evolution - im Sinne
des Naturalismus - glauben und mit ihr alle Aspekte der menschlichen Natur
erklären. Collins, sagt Harris, sollte einsehen, dass der Mensch keine
'unsterbliche Seele, keinen freien Willen, kein Wissen um ein Moralgesetz,
keinen geistlichen Hunger, keinen echten Altruismus" besitzt, die alle in
unserer Beziehung zu Gott gründen. Die Evolution, so Harris, aht all diese
Dinge als Illusion erwiesen. Alle Einzelheiten des menschlichen Lebens haben
eine natürliche, wissenschaftlich ablegbare Ursache. Wer die Evolution als
biologischen Prozess akzeptiert, der muss auch an Evolution als Gesamttheorie
aller Dinge glauben." (S. 23 + 24)
Selbst
klassische Humanisten müssten eigentlich nun aufschrecken! Aber es ist die
Realität des konsequenten Naturalismus! Beängstigend, weil ein Teil des Menschsein
- und zwar ein reicher und positiver Teil - einfach wegerklärt wird. Eine
solche Denkweise muss zur Endsolidarisierung und Zerfall der Gesellschaft
führen. (Meine Meinung).
Und
hoffentlich verstehen nun auch einige Menschen wie mich, die daher die Kreation
(=Schöpfung) durch Gott so wichtig finden. Keller glaubt nun, dass dies auch
mit anderen Modellen als mit dem Kreationismus möglich ist. Vermutlich hat er
da sogar recht. Die Frage bleibt aber immer noch, ob es auch wahr ist.
Peter
Berger nannte diese "Gesamttheorie aller Dinge" als
"Plausibilitätsstruktur". Bestehend aus einem "Bündel von
Annahmen, die als so grundlegend gelten und von so vielen einflussreichen
Personen und Institutionen unterstützt werden, dass es für den Einzelnen
zunehmend unmöglich wird, sie infrage zu stellen." (Seite 24) "...
Ihre Grundhaltung spricht lauter als ihre Argumente im Einzeln."
"Gegner
sozial zu ächten und die eigene Position zu einer Plausibilitätsstruktur zu
erheben. Und in dieser Hinsicht sind sie sehr erfolgreich."
Timothy
Keller scheint David Atkinson zuzustimmen, der er auf Seite 25 zitiert:
"David
Atkinson sagt, man kann an Evolution als bioloigschen Prozess glauben, ohne sie
als Gesamttheorie aller Dinge zu verstehen.
Timothy
Keller möchte - s. Seite 26 und 27- dass die verschiedenen
biblisch-orientierten Sichtweisen gemeinsam Front gegen die "Gesamttheorie
aller Dinge" machen. Timothy Keller ist gegen Denkverbote oder einer
moderner Art von Inquisition. (Letzter Begriff verwendet er nicht. Aber er
spricht im Verlauf des Buches - auch gegenüber Kreationisten und neuen Atheisten und allen anderen Denkweisen. - gegen inquisitorisches Denken S. 27.)
Zudem
warnt er vor einem unvernünftigen Denken:
"Wenn
eine Theorie es jedoch unmöglich macht, dass wir unserem Verstand trauen, dann
können wir uns im Blick auf nichts sicher sein, das unser Verstand uns sagt -
inklusive der Makroevolution selbst. Jede Theorie, die es unmöglich macht,
unserem Verstand zu trauen, widerlegt sich selbst." (Seite 26)
Nebenbei
geht er auch darauf ein, dass mit einer theistischen Evolutionstheorie das
Problem des Bösen in der Welt noch viel schwerer wird (S. 13) ... Aber dies
wirft im kirchlichen Alltag kaum oder nur selten Fragen auf. Aber es ist
ebenfalls zu beachten.
Interessant
ist auf Seite 30 auch das Zitat von Kenneth Kitchen, einem Ägyptologen. Auf das
Argument, die Sinnfluterzählung in Genesis 9 sei ein Mythos entgegnet er:
(Es)
ist auch darauf hinzuweisen, dass im alten Nahen Osten Mythen nicht
historisiert wurden (d.h. als imaginäre 'Geschichte' verstanden), sondern
vielmehr die Tendenz bestand, Geschichtsereignisse und Personen mythologisch zu
überhöhen ..."
"Mit
anderen Worten: Es ist belegt, dass die 'Mythen' des antiken Nahen Osten nicht
im Lauf der Zeit zu historischen Ereignissen wurden, sondern vielmehr umgekehrt
historische Berichte sich allmählich in eher mythologische Geschichten
verwandelten." (S. 30+31) Genesis 2-11 wurde demnach im Nahen Osten so
gelesen, dass es sich hier um Ereignisse handelt, die geschehen sind. "
(mit viel bildhafter Sprache, chronologischer Verdichtung und in einer Art
Hochform.
Ein
empfehlenswertes Büchlein. Es ist ganz kurz zu lesen. Vielleicht in einer
Stunde.
Obwohl ich nun viele Gedanken aufgelistet habe, enthält das
Büchlein selber noch einiges mehr …
Auch dies ist bemerkenswert:
„Aber der Schlüssel zur Interpretation liegt in der Bibel
selbst. Ich glaube nicht, dass wir Genesis 1 wörtlich verstehen sollten, weil
der Autor selbst das nicht von uns erwartet. Aber mit Paulus ist es anders. Er
wollte definitiv sagen, dass Adam und Eva historische Personen sind. Und wenn
man sich weigert, einen biblischen Autor wörtlich zu verstehen, obwohl er ganz
klar so verstanden werden will, entfernt man sich vom traditionellen Verständnis
von biblischer Autorität. Wie schon gesagt heisst das nicht, dass man nicht
trotzdem einen starken und lebendigen Glauben haben kann. Aber ich bin
überzeugt, dass eine solche Position sich für die Kirche als ganze schädlich
auswirken kann und ganz sicher bei vielen Christen zu viel Verwirrung führt.“
(Seite 32)
PS1: Ich war ja bei der Schöpfung der Erde nicht dabei. Aber
Jesus ist das Wort Gottes. Und Gott kann mit seinem Wort aus dem Nichts erschaffen. Ich glaube,
dass Gott in Genesis in 6 x 24 Stunden Tagen geschaffen hat. Es könnte
natürlich auch sein, dass es diese Tage längere waren, besonders vor der
Schöpfung des Menschen. Wenn die Zeit relativ
ist – und das ist sie –, sind sogar noch ganz andere Möglichkeiten offen!
Vielleicht waren es auf der einen Seite 24 Stundentage und zugleich war die Zeit
„komprimierter“? Dann könnten sogar beide recht haben: Kurzzeit-Kreationisten und
alle anderen Theorien mit einem sehr grossen Zeitablauf. Interessant ist, dass die Wissenschaft nur bis zu einem
gewissen Punkt Theorien aufstellen kann. Wenn die „Urknall-Theorie“ stimmen
sollte, so gibt es ein Punkt, hinter den wir nicht mal mehr Theorien auf der Basis unserer
Naturwissenschaft erstellen
können, weil es davor keine uns bekannte Natur gab. Wir können nur – in unserer Gottähnlichkeit –
irgendetwas ausdenken. Überprüfen kann man das aber nicht. Und bis zu einem
gewissen Punkt gilt das noch für andere Punkte in der Evolution …
Jesus selber spricht von sich als Wort Gottes durch das alles
Geschaffen wurde (s. Johannes-Evangelium). In Kolosser 1,15 ff nimmt dies
Paulus ebenfalls auf:
„Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der
Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist. Denn in ihm sind alle Dinge
erschaffen worden, die Dinge im Himmel und die Dinge auf der Erde, das
Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder
Fürstentümer oder Gewalten: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er
ist vor allem, und alles besteht in ihm.
PS2: Zudem möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass die Naturwissenschaft unsere Fragen des Wie beantwortet. Es beantwortet nicht das Warum. Nun geht man in der Naturwissenschaft nicht ohne eigene Ideen ans Werk. Vielmehr stellt man ein System aus Hypothesen zu einer Theorie zusammen, die man dann in der Realität überprüft, d.h. man folgert aus den Hypothesen voraussagbare Sachverhalte. Dies nennt man Deduktion. Auf dieser Grundlage führt mach Experimente und Beobachtungen durch. Diese erzeugen Daten, die die Hypothesen bestätitigen oder widerlegen. Anhand dieser Informationen passen wir die Hyptohesen an und können sie weiterentwickeln. Das Problem besteht nun darin, dass wenn ich davon ausgehe, dass es keinen Gott, also keinen nicht geschaffenen Schöpfer geben darf, ich auch entsprechende Thesen formulieren werde. Ungekehrt natürlich auch, wenn ich glaube, dass es einen nicht geschaffenen Schöpfer gibt, werde ich andere Thesen aufstellen. Die Frage ist nun, ob ich offen bin, für die Deduktion und Induktion.
Oder anders gesagt: Bin ich bereit meine Ideen auch an der Realität zu überprüfen?
Zudem: Bin ich bereit, meine Sicht der Dinge auch kritisch hinterfragen zu lassen?
Und: Bin ich überhaupt bereit, Neues lernen zu wollen? Hier rühren wir an der Grundlage der Wissenschaftstheorie und überhaupt an der Grundlage, ob wir uns neues Wissen aneignen können. Ich würde es sogar noch weiter fassen: Hier entscheidet sich, ob wir überhaupt nach der Wahrheit suchen wollen.
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