Mittwoch, 29. Mai 2019

Timothy Keller Adam, Eva und die Evolution Wie Bibel und Wissenschaft zusammenpassen

 Dies ist ein kleines Büchlein und wie alles von Tiomthy Keller: sehr interessant.

Ich bin eigentlich von Timothy Keller begeistert. In diesem Punkt bin ich nicht ganz seiner Meinung. 

Das fängt schon in der Fragestellung an (z.Bsp. auf Seite 42):

"Wie bringen wir die Ergebnisse der Wissenschaft in Einklang mit den Lehren der Schrift?" Wenn es  so ist, wie Timoty Keller sagt, "dass die 'vollkomene ' Offenbarung der Absichten Gottes nur in der Schrift zu finden ist (Ps 19,8). Wir müssen also das Buch der Natur durch das Buch der Schrift interpretieren." dann darf man auch nicht vergessen, wo sich die Naturwissenschaft irren könnte oder besser gesagt, wo die Naturwissenschaft sich selber auf einem provisorischen Fundament befindet. Naturwissenschaft besteht aus Thesen (Denken) und Überprüfen an der Realität. Aber gerade in der Evolutionstheorie ist das Denken oft einfacher, als das entsprechende Überprüfen. 

Oder mit anderen Worten: Man kann hier auch mit unterschiedlichen Denkansätzen leben. Und eigentlich genau das, will Timothy Keller - bis zu einem gewissen Grad - erreichen, wenn er ebenfalls auf Seite 42 schreibt: "Christen, die Bibel und Wissenschaft miteinander in Einklang bringen wollen, müssen ihr 'Zelt weiter spanne' als die antiwissenschaftlichen Religionsvertreter auf der einen und die antireligiösen Wissenschaftler auf der anderen Seite." Ich bin mit dieser Aussage im Prinzip einverstanden, AUSSER mit dem Anfang, weil das selber schon wieder eine Einschränkung ist: Bibel und Wissenschaft miteinander in Einklang bringen. Mir scheint, auch Timothy Kellers Sichtweise brngt beide Seite nicht wirklich ganz zusammen. Braucht es auch nicht, weil die Naturwissenschaft bis heute keine vernünftige Theorie aufstellen konnte, wie sich aus toter Materie Leben entwickeln konnte. Hier hört man nur viel von: "Es könnte" oder Es "müsste" irgendwie. Ich weiss nicht mal, ob die Naturwissenschaft den Unterschied zwischen lebender Materie und toter Materie erklären kann (Ich bin aber auch kein Naturwissenschaftler).

Auf Seite 41 geht er auf "andere Denkmodelle" ein. Dazu gehören theistische Evolution und progressive Langzeitkreationismus. Davor erklärte Keller ein Modell von Kidner, das eine Art Zwischending zwischen  theistischer Evolution und progressiver Langzeitkreationismus darstellt. Kidner selber bezeichnete  dies als ein "forschender Vorschlag ... den ich nur zögerlich vorbringe, und es ist eine sehr persönliche Sicht der Dinge. Sie ist offen für Korrekturen und eine bessere Synthese." (Seite 43)

Das klingt gut und passt auch zu Timothy Keller.

Keller glaubt fest daran, dass der Schlüssel der Interpretation der Bibel, in der Bibel selber liegt. Er glaubt nun, dass Genesis I nicht wörtlich zu verstehen ist. Während Genesis II usw. wörtlich zu verstehen ist. In Genesis II empfinden einige Ausleger eine zweite Schöpfungsgeschichte zur ersten in Genesis I. Als ich noch ein junger Bursche war, brachte mich diese Frage zu unserem reformiert-evangelischen Pfarrer. Der zuckte ein Buch heraus und  meinte: Es liegt vor allem an der Übersetzung, wann die Tiere geschaffen wurden (genau dies beschäftigte mich.). So, wie es in den schriftdeutschen Übersetzung klingt, wurden die Tiere in Genesis II erst geschaffen, nachdem Adam geschaffen worden ist. Nun ist es so, dass man dort auch mit Plusquamperfekt übersetzen könnte. In diesem Falle brachte Gott die  Tiere zu Adam, die Gott schon vorher geschaffen hatte. Die alte Luther Bibel soll diese Stelle sogar mit Plusquamperfekt übersetzt haben. Somit handelt es sich bei Genesis II nicht um eine zweite Schöpfungsgeschichte, sondern vielmehr um eine Art Betrachtung durch die Luppe. Es wird besonders die Schöpfung von Adam und Eva und dann dessen Sündenfall nachgewiesen (an die Timothy Keller auch glaubt. Er könnte sich aber vorstellen, dass Adam aus Staub geschaffen wurde, eine literarische Form sein könnte, und es sich tatsächlich um ein biologisches Vorgehen gehandelt hätte.) Timothy legt aber grössten Wert auf die historische Wahrheit des Sündenfalls, aus literarischen und theologischen Gründen. (Hier entfaltet er seine Begabung und seine Erklärungen sind lesenswert).

Die anderen Argumente von Keller, warum jetzt Genesis I nicht wörtlich zu verstehen sei, kann ich zurzeit nicht zustimmen. Recht hat er sicherlich, dass man die Bibel so lesen sollte, wie sie gemeint ist. Wenn wir Platz und Zeit hätten, wäre es interessant intensiver darauf einzugehen. Ich möchte aber vielmehr auf eine wichtiges weiteres Anliegen von Keller eingehen:

Die mangelnde Trennungsschärfe zwischen Biologie und Philosophie. (Seite 12)
Gerade die neuen Atheisten (wie zum Beispiel B. Dawkins) sehen die Evolution als eine "Grosse Gesamttheorie aller Dinge". Von hier aus möchte man alles erklären. Alvin Plantinga sprach von einem "konsequenten Naturalismus". Mit anderen Worten soll die biologische Evolution alles als Ergebnis zufälliger genetischer Mutationen oder einer anderen Ursache zu Grunde liegen. Nun könnten aber diese Gemeinsamkeiten auf mehr als Naturalismus hindeuten ... Und genau dies wird vom konsequenten Naturalismus beharrlich bestritten. So wurde zum Beispiel Francis Colling durch Sam Harris angegriffen, als Collins zum Chef der nationalen Gesundheitsbehörde berufen wurde (vermutlich in den USA). "Was Harris so beunruhigte, war, dass Collins als Christ begriffen hat, dass es Aspekte am Wesen des Menschen gibt , die die Wissenschaft nicht erklären kann (etwa das intuitive Wissen um das göttliche Moralgesetz). Damit verneint Collings, dass es die Wissenschaft ist, die uns 'Antworten auf die drängendsten Fragen der menschlichen Existenz zu geben vermag." (Seite 23) Interessant ist dann auch  das folgende Zitat von Harris.

"Wer glaubt, dass das menschliche Leben in einem evolutionären biologischen Prozessentstanden ist, muss auch an die Grosse Theorie der Evolution - im Sinne des Naturalismus - glauben und mit ihr alle Aspekte der menschlichen Natur erklären. Collins, sagt Harris, sollte einsehen, dass der Mensch keine 'unsterbliche Seele, keinen freien Willen, kein Wissen um ein Moralgesetz, keinen geistlichen Hunger, keinen echten Altruismus" besitzt, die alle in unserer Beziehung zu Gott gründen. Die Evolution, so Harris, aht all diese Dinge als Illusion erwiesen. Alle Einzelheiten des menschlichen Lebens haben eine natürliche, wissenschaftlich ablegbare Ursache. Wer die Evolution als biologischen Prozess akzeptiert, der muss auch an Evolution als Gesamttheorie aller Dinge glauben." (S. 23 + 24)

Selbst klassische Humanisten müssten eigentlich nun aufschrecken! Aber es ist die Realität des konsequenten Naturalismus! Beängstigend, weil ein Teil des Menschsein - und zwar ein reicher und positiver Teil - einfach wegerklärt wird. Eine solche Denkweise muss zur Endsolidarisierung und Zerfall der Gesellschaft führen. (Meine Meinung).
Und hoffentlich verstehen nun auch einige Menschen wie mich, die daher die Kreation (=Schöpfung) durch Gott so wichtig finden. Keller glaubt nun, dass dies auch mit anderen Modellen als mit dem Kreationismus möglich ist. Vermutlich hat er da sogar recht. Die Frage bleibt aber immer noch, ob es auch wahr ist.

Peter Berger nannte diese "Gesamttheorie aller Dinge" als "Plausibilitätsstruktur". Bestehend aus einem "Bündel von Annahmen, die als  so grundlegend gelten und von so vielen einflussreichen Personen und Institutionen unterstützt werden, dass es für den Einzelnen zunehmend unmöglich wird, sie infrage zu stellen." (Seite 24) "... Ihre Grundhaltung spricht lauter als ihre Argumente im Einzeln."

"Gegner sozial zu ächten und die eigene Position zu einer Plausibilitätsstruktur zu erheben. Und in dieser Hinsicht sind sie sehr erfolgreich."

Timothy Keller scheint David Atkinson zuzustimmen, der er auf Seite 25 zitiert:

"David Atkinson sagt, man kann an Evolution als bioloigschen Prozess glauben, ohne sie als Gesamttheorie aller Dinge zu verstehen. 

Timothy Keller möchte - s. Seite 26 und 27- dass die verschiedenen biblisch-orientierten Sichtweisen gemeinsam Front gegen die "Gesamttheorie aller Dinge" machen. Timothy Keller ist gegen Denkverbote oder einer moderner Art von Inquisition. (Letzter Begriff verwendet er nicht. Aber er spricht im Verlauf des Buches - auch gegenüber Kreationisten und neuen Atheisten und allen anderen Denkweisen. - gegen inquisitorisches Denken S. 27.)

Zudem warnt er vor einem unvernünftigen Denken:

"Wenn eine Theorie es jedoch unmöglich macht, dass wir unserem Verstand trauen, dann können wir uns im Blick auf nichts sicher sein, das unser Verstand uns sagt - inklusive der Makroevolution selbst. Jede Theorie, die es unmöglich macht, unserem Verstand zu trauen, widerlegt sich selbst." (Seite 26)

Nebenbei geht er auch darauf ein, dass mit einer theistischen Evolutionstheorie das Problem des Bösen in der Welt noch viel schwerer wird (S. 13) ... Aber dies wirft im kirchlichen Alltag kaum oder nur selten Fragen auf. Aber es ist ebenfalls zu beachten.

Interessant ist auf Seite 30 auch das Zitat von Kenneth Kitchen, einem Ägyptologen. Auf das Argument, die Sinnfluterzählung in Genesis 9 sei ein Mythos entgegnet er:

(Es) ist auch darauf hinzuweisen, dass im alten Nahen Osten Mythen nicht historisiert wurden (d.h. als imaginäre 'Geschichte' verstanden), sondern vielmehr die Tendenz bestand, Geschichtsereignisse und Personen mythologisch zu überhöhen ..." 

"Mit anderen Worten: Es ist belegt, dass die 'Mythen' des antiken Nahen Osten nicht im Lauf der Zeit zu historischen Ereignissen wurden, sondern vielmehr umgekehrt historische Berichte sich allmählich in eher mythologische Geschichten verwandelten." (S. 30+31) Genesis 2-11 wurde demnach im Nahen Osten so gelesen, dass es sich hier um Ereignisse handelt, die geschehen sind. " (mit viel bildhafter Sprache, chronologischer Verdichtung und in einer Art Hochform.

Ein empfehlenswertes Büchlein. Es ist ganz kurz zu lesen. Vielleicht in einer Stunde.

Obwohl ich nun viele Gedanken aufgelistet habe, enthält das Büchlein selber noch einiges mehr …

Auch dies ist bemerkenswert:

„Aber der Schlüssel zur Interpretation liegt in der Bibel selbst. Ich glaube nicht, dass wir Genesis 1 wörtlich verstehen sollten, weil der Autor selbst das nicht von uns erwartet. Aber mit Paulus ist es anders. Er wollte definitiv sagen, dass Adam und Eva historische Personen sind. Und wenn man sich weigert, einen biblischen Autor wörtlich zu verstehen, obwohl er ganz klar so verstanden werden will, entfernt man sich vom traditionellen Verständnis von biblischer Autorität. Wie schon gesagt heisst das nicht, dass man nicht trotzdem einen starken und lebendigen Glauben haben kann. Aber ich bin überzeugt, dass eine solche Position sich für die Kirche als ganze schädlich auswirken kann und ganz sicher bei vielen Christen zu viel Verwirrung führt.“ (Seite 32)

PS1: Ich war ja bei der Schöpfung der Erde nicht dabei. Aber Jesus ist das Wort Gottes. Und Gott kann mit seinem  Wort aus dem Nichts erschaffen. Ich glaube, dass Gott in Genesis in 6 x 24 Stunden Tagen geschaffen hat. Es könnte natürlich auch sein, dass es diese Tage längere waren, besonders vor der Schöpfung des Menschen. Wenn die Zeit relativ ist – und das ist sie –, sind sogar noch ganz andere Möglichkeiten offen! Vielleicht waren es auf der einen Seite 24 Stundentage und zugleich war die Zeit „komprimierter“? Dann könnten sogar beide recht haben: Kurzzeit-Kreationisten und alle anderen Theorien mit einem sehr grossen Zeitablauf. Interessant ist, dass die Wissenschaft nur bis zu einem gewissen Punkt Theorien aufstellen kann. Wenn die „Urknall-Theorie“ stimmen sollte, so gibt es ein Punkt, hinter den wir nicht mal mehr Theorien auf der Basis unserer Naturwissenschaft erstellen können, weil es davor keine uns bekannte Natur gab.  Wir können nur – in unserer Gottähnlichkeit – irgendetwas ausdenken. Überprüfen kann man das aber nicht. Und bis zu einem gewissen Punkt gilt das noch für andere Punkte in der Evolution …

Jesus selber spricht von sich als Wort Gottes durch das alles Geschaffen wurde (s. Johannes-Evangelium). In Kolosser 1,15 ff nimmt dies Paulus ebenfalls auf:


„Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist. Denn in ihm sind alle Dinge erschaffen worden, die Dinge im Himmel und die Dinge auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht in ihm.

PS2: Zudem möchte ich noch darauf aufmerksam  machen, dass die Naturwissenschaft unsere Fragen des Wie beantwortet. Es beantwortet nicht das Warum. Nun geht man in der Naturwissenschaft nicht ohne eigene Ideen ans Werk. Vielmehr stellt man ein System aus Hypothesen zu einer Theorie zusammen, die man dann in der Realität überprüft, d.h. man folgert aus den Hypothesen voraussagbare Sachverhalte. Dies nennt man Deduktion. Auf dieser Grundlage führt mach Experimente und Beobachtungen durch. Diese erzeugen Daten, die die Hypothesen bestätitigen oder widerlegen. Anhand dieser Informationen passen wir die Hyptohesen an und können sie weiterentwickeln. Das Problem besteht nun darin, dass wenn ich davon ausgehe, dass es keinen Gott, also keinen nicht geschaffenen Schöpfer geben darf, ich auch entsprechende Thesen formulieren werde. Ungekehrt natürlich auch, wenn ich glaube, dass es einen nicht geschaffenen Schöpfer gibt, werde ich andere Thesen aufstellen. Die Frage ist nun, ob ich offen bin, für die Deduktion und Induktion. 

Oder anders gesagt: Bin ich bereit meine Ideen auch an der Realität zu überprüfen?

Zudem: Bin ich bereit, meine Sicht der Dinge auch kritisch hinterfragen zu lassen?
Und: Bin ich überhaupt bereit, Neues lernen zu wollen? Hier rühren wir an der Grundlage der Wissenschaftstheorie und überhaupt an der Grundlage, ob wir uns neues Wissen aneignen können. Ich würde es sogar noch weiter fassen: Hier entscheidet sich, ob wir überhaupt nach der Wahrheit suchen wollen.










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