Hier ein Beitrag von Prof. Dr. Armin Baum: Die historisch kritische Methode in der Bibelwissenschaft.
Kritik war früher ein Wort, mit dem man eine wissenschaftliche Analyse meinte. Auch Emanuel Kant wandte diesen Begriff so an (Vergleiche sein Kritik an der reinen Vernunft).
Er geht auch auf den Begriff Methode und Historisch ein und zeigt auf, dass diese Begriffe bereits in vorchristlicher Zeit von Griechen und Römer verwendet wurde. Unser wissenschaftliches Vorgehen mit Texten beruht also auf Methoden usw. die weit in die Antike hineinreichen und nicht erst vom modernen Menschen erfunden wurde. In diesem Sinne gibt es auch eine Bibelkritik, eine historisch-kritische Methode als historische Analyse. Richard Simon nutzte in diesem Sinne das Wort Bibelkritik als wissenschaftliche Analyse der Bibel.
Im 19. Jahrhundert ändert sich nun die Bedeutung der Kritik: Der Begriff Kritik wird zur "Wunderkritik". Man meint nun damit nicht mehr die wissenschaftliche Analyse der Bibel, wenn man Bibelkritik sagt. un nutzt man das Wort Kritik als Bestreitung der Wunder. Es ist nicht mehr das gleiche gemeint, wie von der Antike bis sicher ins 18. Jahrhundert die wissenschaftliche Analyse, sondern Bibelkritik wird zur Bestreitung der übernatürlichen Angaben der Bibel. Die Wunder werden in einer besonderen Weise behandelt und ausgeschaltet. Diese Bibelkritik übt eine wunderfreie Exegese. Dadurch gibt es zwei historisch-kritische Methoden: Die eine ist ein wissenschaftliche Analyse/Methode, die andere ist eine historisch-kritische Wundermethode, die die Wunder prinzipiell neutralisieren will. Sie ist auch eine Art Exegese, die die Winder neutralsisiert. In der Literatur gibt es keine Unterscheidung der zwei historisch-kritische Methode.
Er geht noch weiter in die Tiefe: Zwei Exegese-Typen. Dazu geht er auch auf die Ansichten von Altphylologen ein. Dabei zitiert er Herr Olof Gigon. Aus diesem leitet er auch eine gewisse Vorsicht in der Literaturkritik.
Er findet die Profanhistoriker sehr hilfreich. Auch Kirchenhistoriker helfen. Sie sehen alles von einem weiteren Abstand.
Historiker machen:
- Äussere Quellenkritik (= Quellen-Analyse, wissenschaftliche Untersuchung): Wie gut sind die Quellen. Wann und wo ist sie entstanden? Wer hat sie verfassen? Ist diese Quellen von anderen abhängig.
- Innere Quellenkritik (= Quellen-Analyse, wissenschaftl. Untersuchung): Bsp.: Wie stimmen die vier Evangelien überein? Wie weit passen sie in ihren historischen Kontext? Welche Probleme entstehen, wenn man unterschiedliche Stellen verbindet? Wie ist das, was über Jesus erzählt wird, mit der damaligen jüdischen Gesellschaft überein?
Für die Einleitung des Alten- und Neun Testament und die Leben Jesu-Forschung sind diese sehr wertvoll.
Auch hier geht er auf die Gefahren ein: Dabei zitiert er aus "Historische Erkenntnis" eines Historikers. Mit der Furcht betrogen zu werden, kann man es übertreiben. Das gibt es auch im normalen Leben. Bis zu einem gewissen Punkt ist es gesund. Ab einem gewissen Punkt wird es ungesund. Diese Furcht kann manchmal auch etwas mit Selbstüberschätzung zu tun: Man bemerkt nicht, dass man etwas gar nicht verstanden hat und trotzdem gibt man eine Beurteilung ab. Hyperkritik führt nicht zum Ziel. Man kann niemand zwingen zu glauben. Glaubwürdiges sollte man glauben, solange kein Gegenbeweis vorliegt.
Interessant ist auch seine Bemerkungen zu Albert Schweitzer und seinem Buch zur Leben-Jesu-Forschung. Schweitzer sieht einen Einschnitt, eine Phase vor Strauss und nach Strauss (Anfang 19. Jahrhundert). Strauss habe die Wunderfrage gelöst. Nach David Friedrich Strauss konnte man nichts mehr mit den Wundern - im wissenschaftlichen Sinne - anfangen.
Ernst Troeltsch nahm dies auf und betont, dass das Gottesbild auch anders sein könnte. Es geht letztendlich um den Gottes Begriff! Mit was für ein Gottesbild gehe ich an die wissenschaftliche Arbeit? Er wendet nun Begriffe wie Göttliche Vernunft an. Für ihn besteht die historisch-kritische Methode nicht mehr in der wissenschaftlichen Methode, sondern mit welchem Gottesbild man Wissenschaft / Theologie betreibt. Damit nutzt er diesen Begriff definitiv nicht mehr im klassischen Sinne, wenn er darunter versteht, dass das Gottesbild folgendermassen auszusehen habe: "Die Geschichte ist die Entfaltung der göttlichen Vernunft. Sodass ein übernatürliches Wirken ausgeschlossen ist." Er ist kein Atheist. Aber er glaubt nicht mehr, dass Gott von Aussen hineinwirken und etwas wunderbares Tun kann. Für ihn ist das nicht mehr möglich.
Troeltsch schreibt auch in einem Aufsatz diesen heftigen Satz:
"Wer der historischen Methode den kleinen Finger gegeben hat, der muss ihr auch die ganze Hand haben. Daher scheint sie auch von einem echt orthodoxen Standpunkt aus eine Art Ähnlichkeit mit dem Teufel zu haben." Es geht ihm also gar nicht mehr um die wissenschaftliche Methode, sondern um das Gottesbild, als ein Vorurteil.
Gerhard Maier schrieb das Buch: "Das Ende der Historisch-Kritischen Methode" 1974. Er lehnte nicht die wissenschaftliche Arbeit und Analyse ab. Aber er lehnte ein zwingendes Analogieprinzip von Troeltsch ab. In der wissenchaftlichen Arbeit müssen wir auf eine die Gottheit begrenzende Arbeit verzichten. Eigentlich geht es um unser Gottesbild. Er zitiert noch weitere gute Wahrheiten.
Ulrich Wilkens gab in seinem Buch "Theologie des Neuen Testaments", im dritten Band, ein Abschnitt: "Historische Kritik der historisch-kritischen Exegese" heraus.
Verpassen wir nicht einen wesentlichen Teil der Wirklichkeit, wenn wir wesentliche Aussagen der Bibel nicht ernst nimmt.
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