Kirche, was ist das? Corpus permixtum
Dazu Calvin (Inst. IV 1,9)
Denn überall, wo wir wahrnehmen,
das Gottes Wort lauter gepredigt und gehört wird und die
Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden, lässt sich auf
keinerlei Weise daran zweifeln, dass wir eine Kirche Gottes vor uns haben. Denn
die Verheissung des Herrn kann nicht trügen:
"Wo zwei oder drei
versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen." (Matth.
18,20)
Hierzu Melanchthon (ein Freund
von Martin Luther) aus dem Augsburger Bekenntnis (= Lutherisch):
"Es wird auch gelehret, dass
alle Zeit musse ein heilige christliche Kirche sein und bleiben ,welche ist die
Versammlung aller Glaubigen, bei welchem das Evangelium rein gepredigt und die
heiligen Sakramente laut des Evangelii gereicht werden."
Ein interessanter Unterschied
zwischen Lutheraner und Reformierten: Im Augsburger Bekenntnis fehlt die
Reaktion auf das gepredigte: Es steht nichts, vom gehört werden.
Vermutlich wird dies bei den Lutheranern automatisch vorausgesetzt? Oder wirkt
gar die Idee mit, dass das reine Predigen und verteilen des Abendmahls und
Taufe auch ohne Glauben wirke? Natürlich dachte Luther nicht so. Das
würde dem "allein dem Glauben" widersprechen. Aber Luther mass den
"Dingen" mehr zu, was gerade in seiner Abendmahlslehre hervorsticht.
Interessanterweise handelte ja gerade der zweite Abendmahlsstreit (nachdem
Calvin sich mit Bullinger einigen konnte) um diese Thematik. Für Calvin war das
Abendmahl (oder auch die Taufe) nur geistliche Realität, wenn der Gläubige es
im Glauben ausübt. Oder noch krasser gesagt: Auch ohne die Sakramente besitzt
der Gläubige, was die Sakramente darstellen und auf eine geistliche Weise als
Stärkung vermitteln. Wobei Calvin auch von den Sarkamenten als eine Predigt
ohne Worte spricht. Damit liegt er zwischen Zwingli und Luther und es scheint
mir biblisch sehr gut begründet zu sein. Das Problem für mich ist aber, dass
ich Luther nicht wirklich in der Abendmahlslehre verstehe. Daher kann ich es
nicht wirklich klar einordnen, geschweige denn sachlich verhältnismässig
kritisieren. Aber was bei beiden klar ist:
Allein die Schrift! Die Bibel
muss im Mittelpunkt stehen.
Interessant ist nun, dass Calvin
aber keinesfalls die Kirche geringschätzt. Ganz im Gegenteil:
"Wer Gott zum Vater hat, der
muss auch die Kirche zur Mutter haben."
sowie
"Denn es gibt für uns keinen
anderen Weg ins Leben hinein, als dass sie uns in ihrem Schosse empfängt, uns
gebiert, an die Brust nährt und schliesslich unter ihrer Hut und Leitung
in Schutz nimmt ..." (Inst. IV 1,1)
Spricht hier Calvin der römischen
Kirche zu, dass nur in der römischen Kirche das Heil zu finden wäre? Sicherlich
nicht. Meint er damit, die Kirche als Gebäude? Auch das kann es nicht sein. Wie
wir Oben gesehen haben, spricht er von der Kirche (an anderen Orten in seiner
Institutio erklärt er auch andere Bedeutungen dieses Begriffes
"Kirche") als ein Ort, wo Gottes Wort gepredigt UND gehört wird und
die Sakramente (für Calvin gibt es nur 2: Abendmahl und Taufe) nach der
Einsetzung von Jesus verwaltet werden.
Daraus folgt, dass Calvin den
Begriff katholisch und katholische Kirche in seinem eigentlichen Sinn versteht,
was einen wesentlichen Unterschied zur römischen (römisch-katholischen)
Auffassung darstellt:
"Deshalb heisst die Kirche
'katholisch' oder 'allgemein' (meine Anmerkung: katholisch bedeutet allgemein);
denn man könnte nicht zwei oder drei 'Kirchen' finden, ohne dass damit Christus
in Stücke gerissen würde - und das kann doch nicht geschehen! Nein, alle
Auserwählten Gottes sind dergestalt in Christus miteinander verbunden, dass
sie, wie sie ja an dem einen Haupte hängen, auch gleichsam zu einem Leibe
zusammenwachsen, und sie leben in solcher Gefügtheit zusammen wie die Glieder
de gleichen Leibes." (Instiutio IV 1,2)
Dies bedeutet, wer in Christus
ist, wer an Christus glaubt, wie die Schrift lehrt, der ist mit den anderen
Glaubenden "automatisch" eine Bruderschaft (oder Geschwisterschaft)
eingegangen. Denn der Herr ist Christus. Seine Gemeinschaft mit ihm ist
unzertrennlich. Mögen auch unsere organisierten Kirchen verschieden sein.
Da Gottes Wort verkündigen, die
Ausbreitung des Reiches Gottes ist, kann Luther sagen:
"Dass das Reich Gottes ...
ist nit zu Rom, auch nit an Rom gebunden, weder hie noch da, sondern wo das
indwendig der Glaub ist ... Also dass es erlogen und erstunken ist, und Christo
als einem Lügener widerstrebt, wer do sagt, dass die Christenheit zu Rom oder
an Rom gebunden sei, viel weniger, dass das Häupt und Gewalt da sei aus
göttlicher Ordnung ... Die erste Christenheit, die allein ist die wahrheftige
Kirch, mag und kann kein Häupt auf Erden haben, und sie mag von niemand auf
Erden, weder Bischof noch Bapst, regiert werden, sondern allein Christus
im Himmel ist hier das Häupt und regieret allein ...
Wie kann ein Mensch regieren, das
er nit weiss noch erkennet? Wer aber kann wissen, welcher wahrhaftig gläubt
oder nicht? (Luther, WA 6, 92ff.)
Man könnte sagen: Dir sichtbare
Kirche ist eine Gemeinschaft von Heuchlern und Gläubigen. Und das wurde
auch schon so gesagt: corpus permixtum (auf Latein).
Die Begriffe: Sichtbare Kirche
und unsichtbare Kirche versuchen dies auch zu veranschaulichen. Jeder, der
Jesus Christus als Haupt hat, wie es die Bibel lehrt, der ist auch ein Teil der
unsichtbaren Kirche. Die sichtbare Kirche beinhaltet somit Gläubige, Ungläubige
und sogar Heuchler. Eben: Corpus permixtum.
Auch Calvin sieht dies so:
"Aber da das kleine,
verachtete Häuflein unter einer unmessbaren Menge verborgen liegt und die
wenigen Weizenkörner von einem Haufen von Spreu überdeckt werden, so muss man
Gott allein die Erkenntnis seiner Kirche überlassen, deren Fundament ja seine
verborgene Erwählung ist ... mach nun auch solche traurige Oede, wie sie uns
von allen Seiten entgegentritt, mit lauter Stimme zu bezeugen schienen, es sei
von der Kirche nichts mehr übrig, so sollen wir doch wissen, dass Christus Tod
seine Frucht trägt und dass Gott seine Kirche auf wundersame Weise gleichsam in
dunkler Verborgenheit bewahrt. Es ist, wie es einst zu Elia gesagt wurde: 'Ich
habe mir lassen übrigbleiben siebentausend Mann, die nicht ihre Knie gebeugt
haben vor Baal" (1. Kön. 18,19). (Inst. IV 1,2)
"Ebenso also, wie es für uns
vonnöten ist, jene unsichtbare, allein für Gottes Augen wahrnehmbare
Kirche zu glauben, wird es uns auch aufgetragen, diese Kirche, die im Blick auf
die Anschauung der Menschen Kirche heisst, hochzuhalten und die Gemeinschaft
mit ihr zu pflegen." (Inst. IV 1,7)
"Wir wollen in dieser Welt
keine makellose, unbefleckte Kirche suchen, und auch nicht gleich einer
Gemeinde den Rücken kehren, wenn sie unseren Wünschen nicht vollkommen
entspricht. Es ist eine gefährliche Versuchung, keine Kirche mehr anerkenn zu
wollen, ausser wo sich völlige Makellosigkeit findet. Denn wer auch immer
dieser MEinung ist, der muss sich notwendig von den anderen absondern und sich
allein in dieser Welt für heilig halten oder zusammen mit anderen Heuchlern
eine Sekte gründen." (Kommentar zu 2Kor 1,2, 308)
Trotz dieser
"Relativität" der sichtbaren Kirche, betont Calvin:
"Die Autorität seiner Kirche
legt er (Gott) uns dermassen ans Herz, dass er seine eigene Autorität für
verkleinert erachtet, wenn jene verletzt wird!" (Institutio IV 1,10)
Zugleich glaube ich, kann die
Kirche ihre Autorität aber erst wirklich ausleben, wenn sie sich ihrer
Unfähigkeit aus sich selber bewusst wird. Denn eigentlich ist die Kirche etwas Hässliches.
Erst ihr Bräutigam (um mit einem biblischen Bild zu sprechen), macht aus ihr
eine schöne Braut.
Erst wenn die Kirche (wie wir im
persönlichen Leben) einsehen, dass sie ohne Christus nichts tun kann (in einem
geistlichen Sinn für die Ewigkeit Sinnvolles schaffen können), dann wird sie
sich auch von Christus gerne und freudig leiten lassen. Darum ist der
Perfektionismus so gefährlich! Letztendlich verbirgt sich dahinter die Idee,
ohne Christus und aus eigener Kraft absolute göttliche Gerechtigkeit schaffen
zu können. Dies kommt in ganz verschiedenen Formen daher: Die
römisch-katholische Kirche des Konzils von Trient (Gegenreformations-Konzil)
erklärt, Jesus gebe uns die Kraft ohne Jesus gute Werke tun zu können (und
schaltet so die direkte, tägliche, stündliche Abhängigkeit von Christus ab)
oder die moralisierenden Ideen in allen Kirchen, dazu gehören auch
Evangelikale, die oft Erasmus von Rotterdam näher stehen als Martin
Luther. Oder wir denken an den offensichtlichen Pelegianismus, der
auch die römische Kirche abgesagt hat (aber laut Calvin mit dem Konzil von
Trient indirekt, d.h. über Umwegen praktisch doch wieder anhängt. Allerdings
nun so christlich ausformuliert, dass es selbst für mich im ersten Moment sehr
christlich anhörte.)
Perfektionismus in dieser Welt
umsetzen zu wollen - und das aus eigener Kraft - ist sehr gefährlich. In einer
geistlichen Weise sind wir in Christus "perfekt", d.h. heilig und
rein. Aber das nicht aus uns, sondern aus der Tat von Christus. (Luther spricht
von passiver Gerechtigkeit, weil sie geschenkt ist!) Von uns aus, sind wir
immer noch die alten Sünder. Wir warten auf das zweite Kommen von Jesus, wo
diese geistliche Wahrheit sich ganz entfalten wird. Hier sind wir aus uns noch
unperfekt. Hier ist auch die sichtbare Kirche unperfekt: Eben corpus permixtum.
In dieser Welt nach dem
Sündenfall zu glauben, ohne Christus eine perfekte Welt schaffen zu können, ist
sehr gefährlich. Menschen, die dem Perfektionismus anhangen, sehen oft
ihren eigenen Anteil an den Problemen nicht. Sonst kämen sie gar nicht
erst auf eine solche Idee. Sie wären verzweifelt. Es ist aber auch gefährlich,
wenn wir glauben, vor dem zweiten Kommen von Jesus Christus eine absolut
perfekte christliche Gemeinschaft/Kirche aufbauen zu können! Davor warnte eben
Calvin. Daraus leitet sich eine barmherzige Haltung gegenüber unseren
sichtbaren Kirchen ab: Das beinhaltet aber trotzdem eine aufbauende Kritik an
ihr. Wir könnten sagen: Kritik ja, natürlich. Anhand der Bibel sind wir dazu
aufgefordert. Es stimmt eben nicht was Erasmus von Rotterdam verlangte: Sich
der Kirche und der Bibel zu unterwerfen. Martin Luther korrigiert Erasmus da
korrekt: Nur unter die Bibel, Gottes Wort müssen wir uns stellen. Diese befielt
uns die Kirche zu kritisieren, damit sie sich korrigieren kann. Und was ist
denn unser Christsein anderes, als ein ständiges sich kritisieren lassen von
Gottes Wort? Das löst in uns Busse aus, d.h., dass wir zu Christus gehen und
uns vergeben lassen und bessere und genialere Wege mit Gottes Hilfe gehen. Aber
eben: Nur in Christus wird es im Sinne von Christus und Gott dem Vater absolut
gut. Und dies bedeutet indem wir Busse tun für unsere bösen und gute Werke. Und
da die Kirche die Mutter von uns Gläubigen ist, muss sie ein Vorbild für Busse
sein! Dazu gehört, dass deren Leiter sich gewohnt sind, Busse zu tun. Aelteste,
Kirchenvorstände usw. sollten die Freude kennen, bei Jesus Christus und ihren
Opfer um Vergebung zu bitten. (Die Freude kommt natürlich erst nach der
Demütigung. Aber das kann nur jemand verstehen, der es erlebt hat.) Natürlich
sollten Aelteste Vorbilder im Umgang mit ihren Abgründen sein. Davon zeugt die
Bibel, indem sie sehr klar die Anforderungen auflistet. Aber auch für solch
sehr disziplinierte und barmherzige Menschen, gibt es immer noch viel zu Jesus
Christus zu bringen: Gute wie böse Werke. Ihre eigentliche Motive usw. Damit aus
ihrem Misst ein guter Dünger für Christus wird!
(Ich gebe zu, meine Worte können
diese geistliche Wahrheit kaum gebührend wiedergeben. Man könnte es auch so
sagen: Die Kirche ist eine Ansammlung von Sündern, die Heilung sucht. Da ist es
von Vorteil, dass deren Verantwortliche darin schon einige Erfahrung sammeln
konnten und auch Lehrmässig oder je nach Aufgabe - auch nur Leitungs- und
Verwaltungstechnisch - dies ausleben können. Dazu gehört die dienende Haltung,
wie es Jesus beschrieb. Dazu gehört die Fähigkeit barmherzig, aufbauend
kritisch, väterlich fördernd zu sein UND die Freude der Busse zu kennen. Die
Busse ist dabei das Wichtigste, weil niemand, auch kein Aeltester oder Pfarrer
perfekt ist. Dazu gehört eine gewisse Fähigkeit der Selbstkritik, die es
möglich macht ständig in der Liebe und Weisheit zu wachsen.)
Hier liegt auch die Grundlage für
unsere Barmherzigkeit gegenüber allen Menschen UND auch gegenüber den Christen.
Dazu wieder Calvin:
"Noch viel weiter aber muss
unsere Nachsicht im Ertragen der Unvollkommenheit des Lebens (unserer Brüder
und Schwestern) gehen. Denn an diesem Punkt kann man sehr leicht ausgleiten und
zu Fall kommen, auch lauert uns hier der Satan mit mehr als gewöhnlicher
Hinterlist auf. Denn es hat stets Leute gegeben, die von dem falschen Wahn
einer vollkommenen Heiligkeit ergriffen waren, sich einbildeten, als ob sie
bereits gleichsam zu Geistern in der Luft geworden wären, und dann aus solcher
Gesinnung heraus die Gemeinschaft mit allen Menschen verachteten, an denen nach
ihrem Eindruck noch etwas Menschliches übriggeblieben war. Von dieser Art waren
vorzeiten die 'Katharer? und die Donatisten, die sich ihrem Wahnwitz
anschlossen. von dieser Art sind heutzutage einige von den Wiedertäufern, die
den Eindruck erwecken wollen, als seine sie mehr als andere
fortgeschritten." (Inst. IV 1,13)
Praktisch kritisiert Calvin somit
den Perfektionismus der römisch-katholische Kirche und gewisser Täufer. Ich
kenne täuferisch Gesinnte, die dieser Kritik zustimmen. (Uebrigens Täufer sind
nicht Baptisten. Es handelt sich hier um zwei verschiedene Konfessionen, auch
wenn das deutsche Wort "Täufer" im Englischen "Baptist"
bedeutet und in den "germanophonen" Ländern diese Begriffe gerne
vermischt werden. Zudem gibt es auch ganz praktisch Gemeinden, wo diese
vermischt sind!) Zur Zeit von Calvin gab es noch keine Baptisten und unter den
Täuferbewegungen gab es verschiedene Ausrichtungen. Es gab ganz klar nicht mehr
christliche, die sogar die Trinität ablehnten und wirklich christliche, Aber
selbst den christlichen Täufern wirft Calvin eine zu strenge Kirchenzucht vor,
die wohl im Streben nach Perfektion liegt. Calvin mag selber manchmal zu streng
gewesen sein. So kritisieren ihn Capito in Strassburg und Heinrich Bullinger in
Zürich. Aber Calvin wusste, dass es sich bei Kirchenzucht nur um Äusserliches
handeln kann, weil das Herz von uns Menschen nicht beurteilt werden kann.
Calvin wusste sehr gut, dass eine Überschreitung dieser Grenze zu Machtmissbrauch
führen würde. Erst die Einhaltung dieser Grenze ermöglichte auch die zweite
Forderung von Calvin, wenn man Kirchenzucht anwenden musste: nur in Liebe darf
Kirchenzucht ausgeübt werden. Über das Herz des Gezüchtigten - oder sagen wir
vielleicht heute besser - des Disziplinierten, dürfen wir nicht urteilen.
Vielmehr müssen wir betend für ihn einstehen und für ihn hoffen. Calvin findet
in der Institutio dafür eindrückliche Bilder. Sogar das
"Hinauswerfen" aus der Kirche bedeutet für Calvin nicht, dass der
offiziell Verurteilte auch aus der unsichtbaren Kirche verbannt wurde. Dass
weiss allein Gott. Calvin hält ganz richtig fest: Dass es uns nie zusteht,
darüber zu urteilen, ob jemand von Gott erwählt (und damit zur unsichtbaren
Kirche gehört, bezw. endgültig gehören wird, wenn er es auch jetzt gerade noch
nicht weiss oder nicht mehr weiss.) oder nicht erwählt wurde. Dass weiss Gott
allein. Auch hier macht sich also das Verständnis der sichtbaren und
unsichtbaren Kirche positiv bemerkbar. Sicherlich erinnern wir uns auch an
Zwingli, der von menschlicher und göttlicher Gerechtigkeit sprach.
Kirchenzucht ist nicht gerade ein
populäres Thema in unserer postmodernen Zeit. Aber in der Bibel wird ein
griechisches Wort genutzt, dass Ermahnung und Ermutigung zugleich ausdrückt. Es
geht also zusammen, jemanden zu ermutigen und gute Tipps (zur rechten Zeit) zu
geben. Die Kirchenzucht selber gibt der Kirche / Gemeinde die Möglichkeit ein
Mindestmass an positivem sozialen Verhalten und Zielrichtung der Gemeinde
einzufordern. Es ist ein Mittel der Kirche, sich vor Irrlehre und Lieblosigkeit
abzugrenzen. Das die Kirchenzucht in der Kirchen-Geschichte immer wieder
missbraucht wurde, indem die Irrlehre und Lieblosigkeit nicht damit bekämpft
wurde, sondern sogar selber zu einem Werkzeug für Irrlehre und Lieblosigkeit
wurde, ist eine Folge des Sündenfalls! Seit dem Sündenfall pervertieren wir das
Gute!
Mit diesem Thema könnten wir nun
auch zum Thema Aemter der Kirche kommen. Wie äussert sich die sichtbare
(unperfekte oder kämpfende) Kirche?
Es gab immer schon in der
Gemeinde Gottes verschiedene Aemter. Es wäre interessant dem nachzugehen, wie
im Alten Testament das Volk Gottes (die Kirche Gottes) geleitet wurde und wie
sie im Neuen Testament strukturiert war. Es gibt eine Kontinuität, die bis
heute hineinreichen sollte, damit wir alle davon profitieren können. (Wobei es auch immer berechtigte
zeitbedingte und kulturelle Ausformungen gibt.)
Kirche zeigt sich laut Calvin
auch im Bekenntnis. Anders als Luther, der von der Selbstgenügsamkeit der Bibel
sprach, muss für Calvin der Glaube auch in einem Bekenntnis einen Ausdruck
finden. Wie eingangs erwähnt, ist für Calvin nicht nur das Predigen des Wortes
Gottes wichtig, sondern auch das Hören auf Gottes Wort. Sinngemäss betont er
auch unseren Glauben und unser Bekenntnis, dass wir mit dem eigenen Mund ausdrücken
sollen. Spontan kommt mir hier Römer 10,9 – 11 in den Sinn:
„Denn wenn du mit deinem Mund
Jesus als den Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus
den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.
Denn mit dem Herzen glaubt man,
um gerecht zu werden, und mit dem Mund bekennt man, um gerettet zu werden;
Denn die Schrift spricht: ‚Jeder,
der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden
werden!‘“
Daher sind für Calvin auch die
Bekenntnisse sehr wichtig. Auch Luther hat natürlich seinen Glauben deutlich
schriftlich niedergeschrieben. Auch für Luther war die Lehre wichtig. Hier
weichen beide von der evangelischen Realität von vielen Landes- und Freikirchen
ab. Einen Einwand, den ich in einer FEG gehört habe, war: Man will direkt auf
das Wort Gottes hören. Interessanterweise ist allein schon dieser Satz ein
Glaubensbekenntnis: Er glaubt an die Alleingenügsamkeit des Wortes. Und das ist
sicherlich wahr. Nur: Jede Predigt und auch jeder weiterführende Unterricht
beruht auf einem Glaubensbekenntnis, dass die Lehrenden verinnerlicht haben. Es
wäre daher offener, wenn sie diese verinnerlichten Lehren auch schriftlich zum
Ausdruck brächten. So geben sie Auskunft und bekennen auch schriftlich, was sie
glauben. In diesem Sinne ist das Glaubensbekenntnis auch immer ein bekennen, was
man von der Bibel verstanden hat. Natürlich muss dieses Bekenntnis immer wieder
anhand der Bibel überprüft werden. Und das kann man besser, wenn man es
niederschreibt. Und warum ist dies so? Oft glauben wir auch Dinge, dessen wir
uns gar nicht so bewusst sind. Formuliert man dies in Worten, legt man sich
selber Rechenschaft ab, was man alles so glaubt und man macht den eigenen
Glauben auch intellektuell und geistlich überprüfbar. Zudem gibt es seit jeher
gute Glaubensbekenntnisse, wie das Apostolische Glaubensbekenntnis. Solche
alten und allgemeine Glaubensbekenntnisse helfen uns, den „Anschluss“ an diese
Christen zu finden. Wir müssen nicht alles neu erfinden. Natürlich gibt es auch
konfessionelle Glaubensbekenntnisse. Die reformierten Landeskirchen der Schweiz
haben das zweite Helvetische Glaubensbekenntnis im 19. Jahrhundert als
verpflichtendes Bekenntnis abgeschafft. Man lebt nun eine Bekenntnisfreiheit,
die nicht selten als Bekenntnislosigkeit wirkt. Dagegen würde heute wohl
Johannes Calvin mächtig auftreten. Eine Kirche braucht ein bindendes
Bekenntnis, das erklärt, für was sie steht. Zur eigenen Orientierung und zum eigenen Vorteil!
Ohne Bekenntnis droht die
sichtbare Kirche vom Wind mal dahin und mal dahin getrieben zu werden. Das kann
je nach Zeitgeist sehr gefährlich sein.
Zudem ist eine gut geordnete
Kirchenzucht ohne Glaubensbekenntnis nicht wirklich möglich. Eine Kirche /
Gemeinde ohne Glaubensbekenntnis mit einer Kirchenzucht droht viel schneller
die Gemeindezucht als Machtmittel zu missbrauchen. Denn es fehlt eine
Verfassung oder eben das Glaubensbekenntnis, dass den Sinn und die Grenzen der
Massnahmen aufzeigt. Man wird einwenden, die römische Kirche hat eine wirklich durchdachte Struktur, auch i. S. Glaubensbekenntnis. Trotzdem mangelt es ihr nicht an Machtmissbrauch. Hier möchte ich aber erwähnen, dass gewisse Punkte korrigiert werden müsste. Es fehlt ihr die Ausrichtung allein auf die Bibel. Es gibt Tendenzen wo man Menschen mehr Autorität als der Bibel verleiht. Daher ist diese Kirche auch zu hierarchisch aufgebaut. Denn auch eine Episkopal-Kirche muss nicht so extrem hierarchisch sein, wie andere Episkopal-Kirchen wie Anglikaner und Lutheraner sowie Methodisten zeigen. Zu grosse Abhängigkeit vor Menschen anstelle dem Wort Gottes und damit dem Recht fördert zwangsweise die Korruption und Machtmissbrauch (s. Bibel, die vor Menschenfurcht als Fluch warnt.). Zudem gibt es Personen in diesem Umfeld, die glauben, wer mehr Macht zu haben, erlaube es ihnen, sich mehr zu erlauben als andere. Dabei ist es gerade umgekehrt! (Aber das ist ein Problem, das es überall in Schamgesellschaften gibt.) Es sollte uns nicht erstaunen, dass Calvin von Leitern eine strengere Kirchenzucht verlangte, als von Menschen, die weniger Macht besitzen.
Daher halte ich fest: Noch viel schneller als in einer Kirche mit
Glaubensbekenntnis können Mächtige der Kirche ihre eigenen Ideen mittels
Machtmissbrauch verwirklichen und so viel Schaden an der Kirche und damit auch
an den Menschen verursachen.
Selbst 68-er, welche alle Normen
einst abschaffen wollten, würden wohl zustimmen müssen, dass man eine gewisse
Ordnung braucht, damit dem Machtmissbrauch Einhalt geboten wird. Die
Einschränkung des Machtmissbrauchs ist ein wichtiger Bestandteil der
Kirchenzucht. Wie erwähnt forderte Calvin von den Leitern der Kirche eine viel strengere
Kirchenzucht, als von einem Christen, der keine Macht ausübt. Das ist logisch
und entspricht dem Geist der Bibel. Denn Mächtige können viel mächtiger
Machtmissbrauch tätigen. Oder wie heisst es: Macht korrumpiert. Viel Macht
korrumpiert absolut. Damit das anständig und in gesunden Grenzen funktioniert,
braucht es festgelegte Ordnungen. Jene Institutionen, die die Ordnung und
Freiheit erhalten wollen, brauchen daher klare Grenzen und Arbeitsfelder, damit
sie nicht selber eine willkürliche Unordnung erstellen.
(Diese Gedanken wurden angeregt durch eine Zusammenstellung eines Pfarrers. Ich gebe gerne dazu weitere persönliche Auskünfte.)
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