Samstag, 7. März 2020

Gnade oder Werke: Occam, Pelagius oder Augustin? Martin Luthers Befreiung


Luther war von der Gnadenlehre von Gabriel Biel, 1410 - 1495 (sein Buch die Sentenzen des Lombarden), der sich auf Occam stützte, in grosse seelische Nöte geraten. Obwohl Luther zeitweise dachte, es erreicht zu haben, schaffte er die geforderte Zerknirschung und selbstlose Liebe nicht. Mit der Zerknirschung, der contritio cordis, sollte man von der amor consupiscentiae = begehrenden Liebe zur amor amicitiae = Freundesliebe gelangen. Die erste Liebe bedeutet nur aus egoistischen Gründen und aus Furcht vor der Hölle zu lieben. Bei der zweiten Liebe denke man nicht mehr an sich, sondern nur noch an Gott. Das problematische war, dass man die zweite Art der Liebe mit dem Heil verband: Nur wer so Gott liebt, erfahre Absolution = Sündenvergebung. Erst wenn der Mensch diesen Zustand erreiche, erfolge die Eingiessung der Gnade (= infusio gratiae). Damit sei die persönliche und aktuelle Sünde vergeben und der Sünder wirklich gerecht. Aber es bleibe als unpersönlicher Restbestände die Erbsünde. Das ist – auch wenn das die römisch-katholische Lehre leugnet, praktisch das, was auch Pelagius im 5. Jahrhundert lehrte und von der Kirche als Irrlehren verurteilt wurde. Für Luther war der Occamismus (und versteckter Pelegranismus) eine psychische Hölle, weil er merkte, dass er das nicht konnte. Die Prädestination, ja Gott selber, schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Sein augustinischer Chefmönch Staupitz zeigte in dieser Not auf Christus. Nun begann Luther zu begreifen, dass die Pein und Qualen, die er erlitt, kein Zeichen der Verwerfung ist, sondern Gott arbeitet an ihm. Hier findet eine Identifikation mit Christus statt. Christi Leiden bringt seine Probleme und seine  Sünde ans Kreuz. Dafür war Luther Staupitz sein ganzes Leben dankbar. "Staupitz führt Luther aus der nominalistischen Busslehre an den Trost des Evangeliums (Christi Wunden) heran. Das ist Luthers erste "Bekehrung": Gnade und Trost des Gewissens haben nichts mit menschlichen Bussübungen zu tun, sondern mit dem gekreuzigten Christus. Durch ihn wirkt Gott das Heil allein." (Seite 38: 2000 Jahre Kirchengeschichte, 3. BAND, Sierzyn.) Das ist aber noch nicht die volle evangelische Freiheit, denn Staupitz glaubt neben der Gnade auch an das Heil durch Werke. Von dieser Halbheit wird Luther durch sein "Turmerlebnis befreit: Allein aus Gnaden. Gerechtigkeit Gottes erlangt man nur als Geschenk. Es ist eine passive Gerechtigkeit und keine aktive. Alle Gerechten der Bibel wurde die Gerechtigkeit von Gott geschenkt. Sie haben es sich nicht schaffen oder abverdienen können. Niemand kann aus sich so leben und lieben wie Gott der Vater und Christus und der Heilige Geist es kann. Daher können wir auch nur als Sünder zu Christus gehen. Christus macht alles neu, aus uns sind wir Sünder, die die Hölle verdient hätten. Wir selber sind aus uns nicht besser. Das ist eine grosse Freiheit: Wir dürfen ehrlich mit allem Misst zu Jesus, der daraus guten Dünger macht. Täglich kommt aus unserem Herzen Misst, den wir sofort Jesus übergeben dürfen. Dabei ist Gottes Wort, die Bibel unsere Heilsgewissheit. Weil in der Bibel uns das versprochen wird, dürfen wir sicher in Christus sein und nicht, weil wie es spüren. Gottes Heil zu schmecken ist in dieser Zwischenzeit bis zum zweiten Kommen von Christus "nur" eine Folge des Lesens und Vertrauens in die biblischen Verheißungen = Versprechen Gottes. Das ist auch ein grosser Unterschied zum Neuprodestantismus eines Schleiermacher. Schleiermacher und dessen Neuprotestanten irren sich, wenn sie meinen, eine besondere Not, Anfechtungen, Leid schaffe unsere Rechtfertigung. Auch die Idee einer besonderen Erfahrung, religiöse Gefühle, besondere Demut, Reue, Glaube, Sündennot schafft nie unsere Rechtfertigung oder unsere Heilsgewissheit. Denn all diese Erfahrungen sind selber nur relativ. Sie sind wackelig wie der religiös erfahrende Mensch generell. Wer ein solches Geschenk erhalten hat, muss sich dennoch auf Gottes Wort verlassen. (Sie sind sowieso nur Ausnahmen und die Abgrenzung zwischen von Gott gewirkt, psychischen Bewegungen und anderem nicht immer einfach.) Und wer keine besonderen religiösen Erfahrungen hat (was für die meisten gilt), muss darum auch nicht traurig sein. Vielmehr darf er dankbar sich alleine auf Gottes Verheißungen stützen. Luther sagt es treffend: "Die Worte Christi sind Sakramente, durch welche er unser Heil wirkt." (in einer Predigt von Luther, Weihnachten 1519).   Somit steht und fällt der Glaube mit dem Wort Gottes, der Bibel. "Und dieses Wort ist nicht das Produkt des frommen Selbstbewusstseins der Urgemeinde, das wäre modern gedacht, es ist Gottes schöpferische Tat selber." Gott zieht uns als Bettler seine Gerechtigkeit wie ein neues Kleid an.


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