Dienstag, 16. Oktober 2018

Was wollte vor 500 Jahren die Reformation? Was war das Ziel?


„Wenn also dieses Wort Gottes durch rechtmässig berufene Prediger in der Kirche verkündigt wird, glauben wir, dass Gottes Wort selbst verkündigt wird und von den Gläubigen vernommen werde, dass man aber auch kein anderes Wort Gottes erfinden oder vom Himmel her erwarten dürfe: und auch jetzt müssen wir auf das Wort selber achten, das gepredigt wird, und nicht auf den verkündigenden Diener; ja, wenn dieser sogar ein arger Bösewicht und Sünder wäre, so bleibt nichtsdestoweniger das Wort Gottes wahr und gut. Nach unserer Ansicht darf man jene äussere Predigt auch nicht deshalb für gleichsam unnütz halten, weil die Unterweisung in der wahren Religion von der inneren Erleuchtung des Geistes abhänge: Obwohl nämlich (Joh 6) niemand zu Christus kommen kann, es sei denn, dass der Vater ihn ziehe, und dass er inwendig vom Heiligen Geist erleuchtet sei, wissen wir doch, dass Gott will, man solle sein Wort überall auch öffentlich verkündigen.‘
Damit hat Bullinger ‚in genialer Knappheit‘ das Ziel der Reformation umschrieben, nämlich dass das Heil im Reden Gottes erfahren wird und dass es dabei nicht um eine Institution, Kirche, geht, sondern um die Gemeinschaft der Angesprochenen. Das Wort Gottes will befreien, sowohl von aller menschlichen Bevormundung und allen äusseren Autoritäten, wie auch von inneren Zwängen und Ängsten.“ (aus S. 39 + 40 zitiert von Patrik Müller in seinem Büchlein: "Heinrich Bulinger - Reformator, Kirchenpolitiker, Historiker". Müller zitiert dabei aus dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis) Gottes Wort macht frei, demütig und reich!


Sein Buch „Vom einzigen und einigen Bund Gottes“ hat nebenbei den modernen, säkularen Bundesbegriff kreiert. (S. 41, aus dem gleichen Buch von Herrn Müller.) Es wäre interessant, dem nachzugehen, wie weit diese Gedanken die Bundesstaaten ermöglicht haben und wie weit dies mit der Föderaltheologie/der Bundestheologie zusammenhängt, die Bullinger vertrat. 

Heinrich Bullinger musste als Bremgartner im Kanton Aargau fliehen, als diese kleine Stadt an der Reuss wieder römisch-katholisch werden musste. In Zürich angekommen, wurde er sehr rasch zum Nachfolger von Huldrych Zwingli, dem Reformator von Zürich gewählt.

Bullinger war neben seiner Tätigkeit als Theologe, Pfarrer, Leiter der reformierten Kirche des Kantons Zürich (damals Ortes oder Standes) auch ein Schriftsteller, der Geschichtsbände, Zehntausende von Briefen, Bücher usw. schrieb. Dabei war er so gut international vernetzt, dass er sein Wissen in kleinen Brouchüren herausgab. Damit war Bullinger auch ein Vorläufer des Journalisten. (So wurde er auch im 20. Jahrhundert an der Schweizerischen Landesausstellung vor dem 2. Weltkrieg gefeiert.) Bullinger hat vermutlich auch das bekannteste Buch eines Schweizers geschrieben: Das Zweite Helvetische Glaubensbekenntnis.

Bullinger arbeitete mit Leo Jud zusammen, der vorher mit Huldrych Zwingli eng zusammengearbeitet hatte. In einer gewissen Weise war Leo Jud der strengere Zwingli Nachfolger. Und dieser Leo Jud stritt mit Bullinger über die Beziehung zwischen Staat und Kirche. Während Leo Jud eine gewisse Trennung zwischen Staat und Kirche wollte (vielleicht ähnlich wie Johannes Calvin in Genf es anstrebte), wollte Bullinger die Einheit von Staat und Kirche. Als ihr Streit auch auf der Kanzel "verkündigt" wurde, schritt die Regierung von Zürich ein. Als die Zürcher den zweiten Kappeler Krieg verloren hatten, wurde mit den Siegern vereinbart, dass sich die Pfarrer nicht mehr so politisch entfalten dürften. Diese Regelung wollte nun die Regierung so verstanden wissen, dass sie die freie Predigt der Pfarrer einschrenken wollte. Nun war es eine Bedingung von Bullinger, dass er nur die Nachfolge von Zwingli antratt, wenn er frei Predigen durfte. Und so wollte es die Situation, dass sich Bullinger, der für die Einheit von Staat und Kirche war, gegen die Regierung und für die freie Predigt einsetzte. Das Ergebnis war ein Kompromiss: Die Pfarrer erhielten das Recht jeder Zeit bei der Regierung vorzusprechen. Wenn dann keine befriedigende Lösung gefunden wurde, konnten die Pfarrer das Übel auch auf der Kanzel anprangern. Bullinger sollte dann des öfteren von dieser Fürsprache vor der Regierung gebrauch machen müssen ... Dabei ging es auch um soziale Anliegen oder die Verwendung von Kirchen-Gütern, die manchmal der Staat lieber für anderes als die Kirche oder Soziales einsetzen wollte ... Auch daraus erklärt sich, eine gewisse Tradition der Kirche, sich für Soziales einzusetezn. (Was natürlich jede christliche Kirche hat, da Diakonie eine der praktischen Seite der Gottes Liebe und Nächstenliebe ist.)






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